Frankenstein (Schlesien)
Das niederschlesische Frankenstein - etwa 65 Kilometer südwestlich von Breslau an der Ostseite des Eulengebirges gelegen - ist das heutige polnische Ząbkowice Śląskie mit derzeit ca. 15.000 Einwohnern (Ausschnitt aus hist. Landkarte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Polen' mit Ząbkowice Śląskie rot markiert K. 2005, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
Die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Frankenstein begann nachweislich im 15.Jahrhundert; bereits 1403 wurde eine "Judengasse" erwähnt; hier soll sich damals auch die Synagoge befunden haben. Namentlich wurden Juden genannt, die im Geldverleih tätig waren. Zu Beginn des 16.Jahrhunderts wurde die Synagoge zerstört; 1514 wurden - auf Anweisung des Herzogs - alle jüdischen Bewohner aus Frankenstein vertrieben, was den wirtschaftlichen Interessen der städtischen Bewohner entgegenkam.
Frankenstein – Anfang des 17.Jahrh. (Abb. ? aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Zu Beginn des 18.Jahrhunderts hielten sich wiederum einige Juden als Pächter des Branntweinausschanks in Frankenstein auf; doch bereits ein Jahrzehnt später wurden sie erneut ausgewiesen. Mehrere Versuche von jüdischen Familien, sich in Frankenstein niederzulassen, scheiterten stets an der Ablehnung der preußischen Behörden; nur jüdische Handelsleute durften sich - zeitlich befristet - in Frankenstein aufhalten.
Erst zu Beginn des 19.Jahrhunderts wurde Juden ein Wohnrecht in Frankenstein erteilt, damit war der Weg frei für die Bildung einer Gemeinde: Sie wurde um 1815 nach Zuzügen jüdischer Familien aus Zülz gegründet. Aus dieser Zeit stammte auch eine Synagoge, die sich in einem angemieteten Raume befand.
Nach der Jahrhundertmitte wurde ein neues Synagogengebäude in der Oberstraße errichtet, das aber erst Jahre später in den Besitz der jüdischen Gemeinde kam. (Anm.: Das Gebäude war vom Schreiner Julius Glatzer erbaut worden; er und seine Erben hatten es an die jüdische Gemeinde vermietet, die es ihrerseits 1880 dann käuflich erwarb.)
Die feierliche Einweihung des roten Backsteingebäudes (im Stile der Neogotik) hatte 1860 der Rabbiner Abraham Geiger aus Breslau vorgenommen.
Front der Synagoge (hist. Aufn., aus: pl.wikipedia.org, gemeinfrei)
Bis um 1870 gehörte die Frankensteiner Gemeinde dem Synagogenbezirk Glatz an; dann bildete sie eine eigenständige Synagogengemeinde.
Über einen eigenen Rabbiner verfügte die Gemeinde nicht, an hohen Feiertagen kam der Rabbiner aus Oels hierher. Mitglieder der Frankensteiner Gemeinde waren auch Glaubensgenossen aus Wartha (Bardo Śląskie), Silberberg (Srebrna Góra) und Reichenstein (Złoty Stok).
Die Gemeinde besaß zwei Begräbnisplätze; der eine Friedhof war im Jahre 1815, der andere 1878 angelegt worden.
Juden in Frankenstein:
--- 1840 ........................... 129 Juden,
--- 1849 ........................... 159 “ ,
--- 1871 ........................... 163 “ ,
--- 1880 ........................... 147 “ ,
--- 1890 ........................... 135 " ,
--- 1898 ........................... 99 “ ,
--- 1913 ........................... 52 “ ,
--- 1924/25 ........................ 12 jüdische Familien,
--- 1933 ........................... 45 Juden,
--- 1937 ........................... 16 “ ,
--- 1939 ........................... 11 “ .
Angaben aus: Bernhard Brilling, Die jüdischen Gemeinden Mittelschlesiens - Entstehung und Geschichte, S. 77
und The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), S. 391
Frankenstein, hist. Postkarte um 1900 (aus: frankenstein-schlesien.de)
Stadtzentrum (hist. Aufn., um 1920)
Nach der Zerstörung ihres Bethauses in der „Kristallnacht“ lebten am Ort noch elf jüdische Bewohner. Wer nicht emigrieren konnte, wurde Opfer der Shoa.
Nach Kriegsende wurden mehrere hundert polnische Juden in Ząbkowice angesiedelt, die fortan ein „Jewish Committee“ bildeten und auch über gemeindliche Einrichtungen verfügten. Bereits 1949 wurden die jüdischen Kultus- und Bildungsinstitutionen verstaatlicht, jüdische Produktionsgenossenschaften liquidiert.
Das Areal des einstigen jüdischen Friedhofs in Ząbkowice Śląskie ist heute eine kommunale Grünanlage.
Weitere Informationen:
Bernhard Brilling, Die jüdischen Gemeinden Mittelschlesiens - Entstehung und Geschichte, Verlag Kohlhammer, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1972, S. 74 - 78
The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 391
Ząbkowice Śląskie, in: sztetl.org.pl
Piotr Madej/K. Bielawski (Red.), Zabkowice Slaskie (Frankenstein), in: kirkuty.xip.pl