Friedland/Niederlausitz (Brandenburg)

Landkreis Beeskow-Storkow – WikipediaBildergebnis für landkreis oder-spree ortsdienst karte Friedland ist eine kleine Kommune mit derzeit ca. 3.200 Einwohnern (in 16 Ortsteilen) im brandenburgischen Landkreis Oder-Spree – ca. 30 Kilometer südwestlich von Frankfurt/Oder bzw. unweit von Beeskow gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905 mit Friedland am rechten Kartenrand, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Landkreis Oder-Spree' ohne Eintrag von Friedland, aus: ortsdienst.de/brandenburg/oder-spree-kreis).

 

Im ausgehenden 18.Jahrhundert erreichte die jüdische Gemeinde in Friedland ihren personellen Zenit; damals war nahezu jeder 4. Ortsbewohner mosaischen Glaubens.

Um 1675 wurden einzelne jüdische Familien in Friedland ansässig; allerdings verließen die meisten bald wieder den Ort. Ab ca. 1720 war dann erneut ein verstärkter Zuzug in die Ordensstadt festzustellen, die wegen des nun hohen jüdischen Bevölkerungsanteils im Volksmund den Namen „Jüdisch-Friedland“ erhielt. Gegen Ende des 18.Jahrhunderts war Friedland das Zentrum der Niederlausitzer Juden. Erlaubt und sogar begünstigt wurde die Ansiedlung jüdischer Familien durch den Johanniter-Orden, dessen Hochmeister sich von den zu zahlenden Schutzgeldern erhebliche Mehreinnahmen versprach. Zwar wurden den Juden Handelsprivilegien zugestanden, doch der Erwerb der Bürgerrechte war ihnen verwehrt; so war ihnen z.B. ein Grundstücks- bzw. Hauskauf nicht erlaubt, sodass die jüdischen Familien zur Miete wohnen mussten. Die in Friedland lebenden Juden trieben vornehmlich Hausierhandel; dieser wurde ihnen mehrfach verboten, da sie ihre Kunden angeblich übervorteilten und eingesessenen christlichen Händlern zu große Konkurrenz machten. Da dieses allgemeine Verbot aber nicht durchgesetzt werden konnte, wurde es von der sächsischen Regierung abgemildert - sie durften von nun an nur die Landkundschaft mit ihrem ambulanten Hausierhandel versorgen; so zogen die Juden mit Pferd und Wagen über Land, kauften von den Bauern Landesprodukte an und verkauften ihnen Manufaktur- und andere Waren. Auch die 1748 verfügte Duldung von 20 jüdischen Familien ließ sich in Friedland nicht durchsetzen. Diese Bestimmung wurde umgangen, was nun wiederum zu Klagen der christlichen Kaufleute führte.

Im ausgehenden 18.Jahrhundert wurde den Friedländern Juden die Erlaubnis erteilt, eine Synagoge zu bauen. Schon seit den 1760er Jahren hatten die Behörden den Friedländer Juden gestattet, eine Betstube – vermutlich in der Mittelstraße gelegen - einzurichten. Das neue Synagogengebäude (errichtet um 1800) ging allerdings 1823 bei einem Stadtbrand in Flammen auf; danach wurde es in der früheren Johanniter Straße wiederaufgebaut. Zu den gemeindlichen Einrichtungen gehörten - neben einer Mikwe - auch ein Friedhof, dessen Anlage vermutlich bereits in den Anfängen jüdischer Ansässigkeit erfolgte.

 ältere Grabsteine (Aufn. Rzadkowski, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Bis 1814 wurden hier auch verstorbene Glaubensgenossen aus Cottbus beigesetzt. Auch nach Ende der jüdischen Gemeinde von Friedland wurde das Beerdigungsareal von umliegenden Orten noch weiter genutzt, so z.B. von Lieberose.

Juden in Friedland:

         --- um 1675 ........................   2 jüdische Familien,

    --- um 1710 ........................   3     "        "   ,

    --- 1725 ........................... 101 Juden (ca. 20 Familien),

    --- 1778 ........................... 198   “   (43 Familien),*     * ca. 25% d. Bevölk.

    --- 1810 ........................... 126   “  ,

    --- 1910 ...........................   2   “  .

Angaben aus: Krüger, Die Jüdische Gemeinde in der Johanniter Ordensstadt Friedland

 

Im beginnenden 19.Jahrhundert setzte sich die Friedländer Judenschaft mehrheitlich aus Schnittwaren- und einigen Pferdehändlern zusammen. Als ab ca. 1850 der Handel in anderen Teilen der Mark Brandenburg aufblühte, verlegten die meisten Friedländer Juden ihre Wohnsitze dorthin. Gegen Ende des 19.Jahrhunderts war die Zahl der in Friedland ansässigen Juden sehr stark zurückgegangen. Als im Ort um 1910 keine jüdischen Bewohner mehr lebten, wurde das Synagogengrundstück verkauft, anschließend das Gebäude abgetragen und die Steine zum Aufbau eines Sägewerkes benutzt. (Anm.: Noch heute wird der ehemalige Synagogenstandort im Volksmund als "Judenlücke" bezeichnet.)

Der jüdische Friedhof von Friedland - genutzt bis in die 1920er Jahre - war bereits in den Anfangsjahren der NS-Zeit verwüstet worden; die meisten Grabsteine wurden zum Wegebau zweckentfremdet. Heute erinnern an der Beeskower Straße nur noch sehr wenige Grabsteine an den ehemals großen jüdischen Friedhof, der anlässlich des 50.Jahrestages des Novemberpogroms 1988 teilweise wieder in einen ansehnlichen Zustand versetzt wurde; ansonsten macht das nahezu 2.000 m² große Gelände einen verwahrlosten Eindruck.

Jüdischer Friedhof in Friedland (Aufn. J. Rzadkowski, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

In Fürstenberg/Oder - einem heutigen Ortsteil von Eisenhüttenstadt - existierte eine kleine jüdische Gemeinschaft, die bis in die 1930er Jahre bestand. Bis Mitte des 19.Jahrhunderts wurden verstorbene Juden aus Fürstenberg auf dem Friedhof in Friedland beerdigt, ehe dann seit 1840 ein eigenes Begräbnisareal zur Verfügung stand. Um 1890 legte man einen neuen Friedhof am Kirchhofweg an.

In der NS-Zeit wurde der Friedhof geschändet und teilweise abgeräumt. Auf dem ca. 4.000 m² großen Areal sind heute nur noch ca. 15 Grabsteine erhalten.

Jüd. Friedhof Fürstenberg (Aufn. J. Rzadkowski, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

In Lieberose - wenige Kilometer östlich des Schwielochsees - gab es zu keiner Zeit eine jüdische Gemeinde. Bis in die 1930er Jahre existierten hier zwei Textilgeschäfte, die den jüdischen Familien Fuchs und Hirsch gehörten. Seit 2011 erinnern sieben sog. „Stolpersteine“ an die Angehörigen dieser beiden Familien.

Stolperstein für Max Hirsch (Lieberose).jpgStolperstein für Elisabeth Hirsch (Lieberose).jpgStolperstein für Sophie Alice Hirsch (Lieberose).jpg verlegt am Markt (Aufn. Chr. Michelides, 2021, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

              und Stolperstein für Moses Fuchs (Lieberose).jpgStolperstein für Elisabeth Fuchs (Lieberose).jpgStolperstein für Harriet Fuchs (Lieberose).jpgStolperstein für Eveline Fuchs (Lieberose).jpg

 

Das Außenlager Lieberose war von 1943 bis 1945 das größte von etwa 100 Außenlagern des KZ Sachsenhausen. Unter katastrophalen Lebensbedingungen mussten hier 8.000 Gefangene aus zwölf Ländern, darunter 7.000 Juden, den Truppenübungsplatz Kurmark für die SS ausbauen. Nicht mehr arbeitsfähige Häftlinge wurden zur Vernichtung nach Auschwitz-Birkenau gebracht. Beim Heranrücken der Sowjets wurden die Häftlinge in Richtung Sachsenhausen in Marsch gesetzt bzw. per Bahn abtransportiert. In zwei Mordaktionen erschoss die SS im Febr. 1945 die nicht-marschfähigen Juden (vornehmlich aus Ungarn und Polen) und verscharrte sie in zwei Massengräbern. Eines der Massengräber wurde 1971 entdeckt und die 577 dort gefundenen Leichen in einem Urnengrab in Lieberose beigesetzt, wo seit 1973 eine Gedenkstätte und seit 1982 ein kleines Museum besteht. Im Jahre 2018 wurde auf dem Gelände des früheren KZ-Außenlagers in Jamlitz ein neuer Gedenkplatz eingeweiht.

Hinweis: Jamlitz diente den Sowjets ab September 1945 als „Speziallager No. 6 - es war eines von zehn Speziallagern der sowjetischen Militäradministration. Auf das Gelände und in den Baracken des vormaligen KZ Lieberose wurden zunächst mehrere tausend Inhaftierte von Frankfurt/Oder hierher per Fußmarsch verlegt. Das Jamlitzer Lager bestand bis April 1947, wobei etwa 1.000 Häftlinge nach Russland deportiert und mehr als 4.000 auf die Speziallager Buchenwald und Mühlberg verteilt wurden. Von insgesamt ca.10.300 Insassen sind nach Angaben der russischen Behörden in knapp zwei Jahren mindestens 3.380 Gefangene umgekommen.

 

 

 

Weitere Informationen:

Alexander Müller-Friedland, Friedland N.-L. - Ein Beitrag zu seiner Geschichte, in: "Lübbener Kreiskalender 1912"

Krüger, Die Jüdische Gemeinde in der Johanniter Ordensstadt Friedland, in: "Zeitschrift für die Geschichte der Juden", No. 5/1934

Helmut Eschwege, Geschichte der Juden im Territorium der ehemaligen DDR, Dresden 1990, Band I, S. 464 f.

M.Brocke/E.Ruthenberg/K.U.Schulenburg, Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), in: "Veröffentlichungen aus dem Institut Kirche und Judentum", Hrg. Peter v.d.Osten-Sacken, Band 22, Berlin 1994, S. 322 und 348

Lutz-Bodo Knöfel, Die jüdische Gemeinde zu Friedland (Text von 2001), in: www.friedland-nl.de/juden

Andreas Weigelt (Bearb.), Die Dokumentationsstätte KZ-Außenlager Lieberose 1943 - 1945 und Dokumentationsstätte Sowjetisches Speziallager Nr.6 Jamlitz 1945 - 1947, in: "Gedenkstättenrundbrief", No.118/2004, S. 20 - 26

Die jüdische Gemeinde im Städtchen Friedland, in: Gestern sind wir gut hier angekommen“ – Beiträge zur jüdischen Geschichte in der Niederlausitz, „Der Speicher“, Heft 9, Finsterwalde 2005, S. 102 f.

Jens Glombek (Red.), Sieben Stolpersteine für Lieberose, in: "Lausitzer Nachrichten" vom 14.10.2011

Chewra Kadischa e.V. Land BRANDENBURG (Hrg.), Jüdischer Friedhof in Friedland (und in anderen Orten), online abrufbar unter: chewrakadischa-blb.de/Judische-Friedhofe/Landkreis-Oder-Spree/landkreis-oder-spree.html

fh (Red.), Gedenkplatz in Jamlitz. Zur Erinnerung an Tausende ermordete Juden, in: „Lausitzer Nachrichten“ vom 23.4.2018