Fürfeld (Rheinland-Pfalz)
Fürfeld ist eine kleine Kommune mit derzeit ca. 1.600 Einwohnern im Landkreis Bad Kreuznach; sie gehört der Verbandsgemeinde Bad Kreuznach an und liegt etwa 15 Kilometer südlich der Kreisstadt (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org CCO und Kartenskizze mit der Verbandsgemeinde Bad Kreuznach, Hagar 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).
Um 1635 wurden erstmals zwei Juden in Fürfeld namentlich erwähnt. Eine alte Synagoge soll hier bereits gegen Mitte des 18.Jahrhunderts bestanden haben: wie lange bereits eine jüdische Gemeinde bestand, ist nicht bekannt. Um 1860 gehörte jeder achte Fürfelder Dorfbewohner dem israelitischen Glauben an. ie jüdische Gemeinde in Fürfeld bildete damit eine der zahlenmäßig stärksten jüdischen Landgemeinden des heutigen Kreises Bad Kreuznach. Obwohl die jüdische Bevölkerung Fürfelds im letzten Viertel des 19.Jahrhunderts schon rückläufig war, ließ die jüdische Kultusgemeinde in der Hauptstraße noch eine repräsentative Synagoge errichten, die im August 1895 eingeweiht wurde; die Feierlichkeiten dauerten mehrere Tage. „ ... Die Synagoge hatte zwei turmartige Eckvorsprünge, die das rechteckige Kuppeldach leicht überragten. Beiderseits des Eingangs befanden sich je ein Rundbogenfenster, darüber ein Ornamentenfenster. Der Bau bestand aus dunklen Sandsteinquadern."
Synagoge (Ausschnitt aus einer Bildpostkarte, um 1900)
Ein Teil der Baufinanzierung wurde von aus Fürfeld stammenden jüdischen Familien (Teutsch und Julius Wolf sowie der in Frankfurt/M. lebende Heinrich Strauß) getragen.
Ein seitens der Gemeinde angestellter Lehrer unterwies die Kinder im Fache Religion und war – wie es damals üblich war – auch als Vorbeter und Schochet (Schächter) tätig.
aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27.Dez. 1871 und vom 8.Juni 1891
Anm.: Die Stelle wurde in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts oft ausgeschrieben.
Der jüdische Friedhof - auf dem Eichelberg gelegen - soll bereits im 18.Jahrhundert bestanden haben und um 1900 erweitert worden sein. - Zur Fürfelder Gemeinde zählten auch die wenigen jüdischen Familien aus Frei-Laubersheim und bis 1905 auch die aus Siefersheim.
Die Gemeinde Fürfeld gehörte zum Bezirksrabbinat Bingen.
Juden in Fürfeld:
--- 1722 ............................ 31 Juden,
--- 1824 ............................ 101 “ ,
--- 1830 ............................ 105 “ ,
--- 1861 ............................ 145 “ , (170)* * mit Frei-Laubersheim
--- 1871 ........................ ca. 160 “ ,
--- 1880 ........................ ca. 110 “ (ca. 10% d. Bevölk.),** **andere Angabe: 145 Pers.
--- um 1890 ..................... ca. 20 jüdische Familien,*
--- 1900 ............................ 93 Juden, (110)*
--- 1931 ............................ 68 “ , (84)*
--- 1933 ............................ 64 “ ,** ** andere Angabe: 75 Pers.
--- 1939 ............................ 15 “ ,
--- 1940 ............................ keine.
Angaben: Kreisverwaltung Bad Kreuznach (Hrg.), Die jüdischen Synagogen im Landkreis Bad Kreuznach
Unmittelbar nach der NS-Machtübernahme lebten in Fürfeld noch ca. 60 Einwohner jüdischen Glaubens; ihren Lebensunterhalt bestritten sie als Weinhändler und als Betreiber kleinerer Einzelhandelsgeschäfte.
Rathausstraße mit der Synagoge links im Bild - Eingangsbereich (hist. Aufn., um 1935)
Während des Pogroms im November 1938 wurde die Synagoge geschändet; dabei sollen die hier noch lebenden Juden gezwungen worden sein, sich an der Zerstörung der Inneneinrichtung zu beteiligen. Ein Jahr später musste das Gebäude an die lokale Landwirtschaftsgenossenschaft verkauft werden. Bis 1940 hatten fast alle jüdischen Bewohner Fürfeld verlassen; während etwa ein Drittel emigrierte, verzog der größere Teil von ihnen in die Städte Bad Kreuznach, Trier oder Mainz. Von ihren neuen Wohnorten wurden fast alle in den Folgejahren deportiert und kamen in der „Lagern des Ostens“ gewaltsam ums Leben.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind 26 in Fürfeld geborene bzw. längere Zeit hier wohnhaft gewesene Juden Opfer der Shoa geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/fuerfeld_synagoge.htm).
Nach dem Krieg wurde das Synagogengebäude von der Kirchengemeinde erworben; doch bereits wenige Jahre später wurde es abgerissen.
Eine unscheinbare Hinweistafel markiert heute den einstigen Standort der Synagoge.
Auf dem ca. 1.800 m² großen Gelände des jüdischen Friedhofs findet man heute noch 98 Grabsteine
jüdischer Friedhof (Aufn. AK-Bino, 2021, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)
alte Grabsteine
Nur wenige Kilometer östlich Fürfelds liegt die kleine Ortschaft Tiefenthal, in der es im 19.Jahrhundert auch eine kleine jüdische Gemeinde mit maximal 30 bis 40 Angehörige gab; diese hatte sich bis 1900 völlig aufgelöst. Ein kleines Bethaus soll im Ort in den 1830er Jahren erstellt worden sein; nach dessen Schließung wurden die Ritualien der Fürfelder Gemeinde übergeben. An die Juden Tiefenthals erinnert noch heute ein relativ großflächiges Begräbnisareal mit nur wenigen Grabsteinen in der Gemarkung „Im Bremmenberg“, dessen Anlage in die erste Hälfte des 19.Jahrhunderts reicht; der älteste vorhandene Grabstein datiert von 1849. Die letzte Belegung fand hier kurz nach 1900 statt.
Auf dem christlichen Friedhof in Siefersheim findet man heute zwei jüdische Grabstätten, die aus der Zeit um 1915 stammen.
Die wenigen jüdischen Bewohner der früheren rheinhessischen Ortsgemeinde Frei-Laubersheim orientierten sich an die Kultusgemeinde Fürfeld. Ein ca. um 1820 angelegtes Begräbnisareal am südlichen Ortsrand (Neubaugebiet am Nachtigallenweg) mit derzeit ca. 30 Grabsteinen erinnert heute noch daran, dass in Frei-Laubersheim Juden ansässig gewesen waren.
jüdischer Friedhof Frei-Laubersheim (Aufn. M. Ohmsen, 2010)
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem sind sieben gebürtige Juden aus Frei-Laubersheim Opfer der Shoa geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/fuerfeld_synagoge.htm).
Weitere Informationen:
Peter Jakob, Chronik des Marktfleckens Fürfeld, Gau-Algesheim 1908
Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 220/221 und Bd. 2, S. 304/305
Hartmut Lempert, Das Schicksal der Juden im Kreis Bad Kreuznach in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts, in: "Heimatkundliche Schriftenreihe des Landkreises Bad Kreuznach", Bad Kreuznach 1985
Edgar Mais, Die Verfolgung der Juden in den Landkreisen Bad Kreuznach und Birkenfeld 1933 - 1945. Eine Dokumentation, in: "Heimatkundliche Schriftenreihe des Landkreises Bad Kreuznach", Band 24, Bad Kreuznach 1988
Kreisverwaltung Bad Kreuznach (Hrg.), Die jüdischen Synagogen im Landkreis Bad Kreuznach, Bad Kreuznach 1988, S. 19/20
Dieter Hoffmann, “ ... wir sind doch Deutsche.” Zu Geschichte und Schicksal der Landjuden in Rheinhessen, Hrg. Stadt Alzey, Alzey 1992, S. 84 f.
Dokumentation Jüdische Grabstätten im Kreis Bad Kreuznach. Geschichte und Gestaltung, in: "Heimatkundliche Schriftenreihe des Landkreises Bad Kreuznach", Band 28/1995, S. 155 - 175 (Frei-Laubersheim) und S. 473 - 479 (Tiefenthal)
Hans Joachim Oesterle, Fürfeld. Geschichte eines rheinhessischen Weindorfes, Briedel 1997, S. 205 f.
Dieter Peters (Red.), Jüdische Grabtätten im christlichen Friedhof von Siefersheim, PDF-Datei (1998)
Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 157/158
Fürfeld mit Frei-Laubersheim, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Jüdischer Friedhof in Frei-Laubersheim, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Aufnahmen)
Tiefenthal, in: alemannia-judaica.de