Gimbsheim (Rheinland-Pfalz)

Datei:Rheinhessen 1905.png – WikipediaBildergebnis für landkreis alzey-worms karte Gimbsheim ist eine Kommune mit derzeit ca. 3.000 Einwohnern im Osten des Landkreises Alzey-Worms; sie gehört der Verbandsgemeinde Eich an (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905 ohne Eintrag von Gimbsheim/Eich, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Landkreis Alzey-Worms', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Im ursprünglich kurpfälzischen Gimbsheim sollen vereinzelt jüdische Familien bereits zu Beginn des 17.Jahrhunderts gelebt haben; sichere urkundliche Nachweise liegen aber erst aus der Zeit gegen Ende des 17.Jahrhunderts vor. Ihre Anzahl blieb stets nur sehr gering, sodass sich hier zunächst keine eigenständige Gemeinde herausbilden konnte; die Juden Gimbsheims waren der kleinen Gemeinde Alsheim angeschlossen und nutzten deren religiöse Einrichtungen. Erst als sich die Zahl der jüdischen Einwohner in Gimbsheim deutlich vergrößert hatte, kam es hier 1875 zur Gründung einer selbstständigen Gemeinde, der auch die „Filialgemeinde“ Eich angeschlossen wurde. Schon Jahre vor der offiziellen Gemeindegründung versammelte sich die Juden Gimbsheims in einer eigenen Betstube; 1892 wurde dann eine neue Synagoge eingerichtet; ob es sich dabei um einen Neubau oder einen Umbau eines vorhandenen Gebäudes handelt, ist nicht bekannt.

                 Über die Einweihung der Gimbsheimer Synagoge liegt ein Bericht in der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 9. Sept. 1892 vor:

Gimbsheim (Kreis Worms). Am Samstag den 27. August fand die Einweihung der neu hergestellten Synagoge statt. Am Vorabend wurden in feierlichem Zuge die Thorarollen ins Gotteshaus getragen. Samstag Morgen fand der Hauptgottesdienst statt, an welchem sich außer zahlreichen Fremden, die Vertreter der bürgerlichen Gemeinde nebst anderen Ortsbeamten einfanden. Herr Lehrer Ledermann besprach in beredter Weise die Bedeutung und den Segen eines Gotteshauses und schloß einen Vortrag mit einem herrlichen Weihegebet.

 

Stellenausschreibungen in der Zeitschrift „Der Israelit” vom 29.Aug. 1907 und vom 30.Dez. 1910

Verstorbene Gimbsheimer Juden wurden bis zuletzt auf dem israelitischen Friedhof in Alsheim beerdigt.

Die Gemeinde Gimbsheim unterstand dem Rabbinatsbezirk Worms.

Juden in Gimbsheim:

         --- um 1695 ........................  8 jüdische Familien,

    --- 1824 ........................... 25 Juden,

    --- 1830 ........................... 35   “  ,

    --- 1861 ........................... 46   “   (ca. 2% d. Bevölk.),

    --- 1880 ........................... 68   “  ,

    --- 1900 ........................... 72   “   (ca. 3% d. Bevölk.),

    --- 1910 ........................... 57   “  ,

    --- 1933 ....................... ca. 20   “  ,

    --- 1939 ........................... ein  “ ().

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 263

 

Ihren Lebenserwerb bestritten die Juden Gimbsheims vom Vieh- und Pferdehandel, aber auch vom Handel mit Agrarprodukten; fast alle betrieben im Nebenerwerb eine kleine Landwirtschaft. Um 1900 hatte die Gemeinde mit ca. 70 Personen ihren zahlenmäßigen Zenit erreicht; danach setzte ein Abwanderungsprozess in größere Orte ein, der innerhalb zweier Jahrzehnte die schon ohnehin kleine Gemeinde um mehr als zwei Drittel schrumpfen ließ.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20241/Gimbsheim%20Israelit%2029031904.jpg Lehrstellenangebot in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. März 1904

Zu Beginn der NS-Zeit lebten nur noch wenige jüdische Familien in Gimbsheim; auch diese kehrten dann notgedrungen ihrem Heimatort den Rücken, um in der Anonymität einer größeren Stadt unterzutauchen.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind 21 gebürtige bzw. länger hier ansässig gewesene jüdische Bewohner aus Gimbsheim bekannt, die Opfer der Shoa wurden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/gimbsheim_synagoge.htm).

 

Das ehemalige Synagogengebäude soll um 1960 abgebrochen worden sein. Eine in der Nähe angebrachte Tafel informiert wie folgt:

Wahrscheinlich lebten schon vor dem Dreißigjährigen Krieg Juden in Gimbsheim, urkundlich nachgewiesen sind sie seit dem späten 17.Jahrhundert. Erst im späten 19.Jahrhundert war die Gemeinde so groß, dass sie eine eigene Synagoge unterhalten konnte. Nachdem zunächst Räume in einem Privathaus als Synagoge und Frauenbad genutzt wurden, wurde die neue Synagoge 1892 eingeweiht. Es ist unbekannt, wie lange sie als Synagoge genutzt wurde. 1938 war das Gebäude bereits zum Wohnhaus umgebaut.

 

Moritz David wurde 1875 in Gimbsheim geboren. Nach seiner Promotion wurde er 1901 als erster Rabbiner der Synagogengemeinde Bochum berufen und amtierte dort bis zu seinem freiwilligen Ruhestand (1934). 1938 betreute er kurzzeitig das vakante Rabbinat in Dortmund, ehe er nach England emigrierte. Moritz David starb 1956 in Manchester.

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 263 – 265

Günther Reich, Jüdische Familien in Alsheim, Eich (Rhh.), Gimbsheim, Hamm a.Rh. und Mettenheim von 1529 – 1939, Selbstverlag, Eich o.J.

S. Fischbach/I. Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “ Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 166/167

Gimbsheim, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Angaben von Jakob Scheller (Ortsbürgermeister), Gimbsheim 2007

Erich Graf (Red.), Jüdische Emigration in der Zeit des Nationalsozialismus, online abrufbar unter: erichgraf.de

Erich Graf (Red.), Opfer des Holocaust. Erinnerung an die Familie Heinrich und Rosalia Hirsch aus Gimbsheim, online abrufbar unter: erichgraf.de

Hans-Dieter Graf/Gabriele Hannah/Anton Hieke (Hrg.), Vom Rhein an den Cape Fear River – Eine rheinische Auswanderergeschichte, Kehl-Verlag Osthofen 2013

Hans-Dieter Graf/Gabriele Hannah (Red.), Familie emigrierte in Etappen. Der Gimbsheimer Leopold Hirsch flüchtete vor der Judenverfolgung nach New York, in: „Allgemeine Zeitung - Rhein-Main-Presse“ vom 16.4.2013

Martina Graf (Red.), Erinnerungen an Gimbsheim, in: „Allgemeine Zeitung - Rhein-Main-Presse“ vom 3.5.2016

G. Hannah/M. Graf/H.-D. Graf (Bearb.), Die Juden vom Altrhein: Biografische Dokumentation von den Anfängen bis zum Holocaust und dem Weiterleben in der Emigration, hrg. von den evangelischen Kirchengemeinden und den katholischen Pfarrgemeinden Hamm, Eich und Gimbsheim, Mainz 2018