Goddelau (Hessen)

Rheinhessen Datei:Municipalities in GG.svg Goddelau ist seit 1973 ein Stadtteil der Kommune Riedstadt im Kreis Groß-Gerau mit derzeit ca. 6.500 Einwohnern – etwa zehn Kilometer westlich von Darmstadt entfernt gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905 ohne Eintrag von Goddelau, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Landkreis Groß Gerau', Hagar 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

Zusammen mit den wenigen Juden aus Wolfskehlen bildeten die jüdischen Familien Goddelaus gemeinsam die „Israelitische Gemeinde Goddelau-Wolfskehlen“; sie bestand seit Beginn des 19.Jahrhunderts. Bis 1877 gehörten auch die in Erfelden lebenden jüdischen Personen zur Gemeinde Goddelau-Wolfskehlen. Ein Synagogengebäude in der Sackgasse – vermutlich seit dem 19.Jahrhundert vorhanden – wurde im Jahre 1907 erneuert bzw. umgebaut.

       http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20112/Wolfskehlen%20Synagoge%20124.jpg Ehem. Synagogengebäude (Aufn. nach 1945, aus: Thea Altaras)

Die kleine Gemeinde beschäftigte auch einen Religionslehrer, der zugleich auch das Vorbeter- und Schächtamt ausübte. Die Besetzung der Lehrerstelle war einem starken Wechsel unterworfen, wie die folgenden Stellenanzeigen verdeutlichen:

   Anzeigen aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 19.6.1872, 10.11.1875 und 29.5.1878

Verstorbene wurden auf dem jüdischen Friedhof in Groß-Gerau beerdigt.

Die kleine Gemeinde gehörte zum orthodoxen Rabbinatsbezirk Darmstadt II.

Juden in Wolfskehlen:

    --- 1725 .........................  3 jüdische Familien,

    --- 1802 .........................  5     „       „    ,

    --- 1828 ......................... 34 Juden,

    --- 1900 ......................... 23   „  ,

--- 1924 .........................  4 jüdische Familien,

--- 1933 .........................  9 Juden,

--- 1940 (Dez.) ..................  5   "  .

Juden in Goddelau:

         --- 1830 ......................... 34 Juden,

    --- 1900 ......................... 59   “  ,

    --- 1905 ......................... 54   “  ,

    --- 1933 .........................  5 jüdische Familien,

    --- 1939 .........................  7 Juden,

    --- 1941 (Dez.) ..................  keine.

Angaben aus: Paul Arnsberg, Jüdische Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 270

und                 Angelika Schleindl, Verschwundene Nachbarn - Jüdische Gemeinden ..., S. 242                                              

 

Die in Goddelau wohnhaften jüdischen Familien lebten ausschließlich vom Handel.

Zu Beginn der NS-Zeit waren in Goddelau fünf jüdische Familien ansässig, die bald unter den Repressalien der Lokalbehörden zu leiden hatten.

                                               aus dem Gemeinderatsbeschluss vom August 1935

Während des Novemberpogroms schändeten SA-Angehörige die Synagoge und demolierten den Innenraum. Anschließend wurden Wohnungen jüdischer Familien überfallen und verwüstet; in einem Privathaus wurden die Fenster eingeworfen. Das Kaufhaus von Leopold Schellenberg (Hospitalstraße) wurde geplündert.

Die letzten fünf in Goddelau lebenden jüdischen Bewohner wurden via Frankfurt deportiert. Ende 1940 meldete der hiesige Bürgermeister den Ort „judenfrei.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ wurden 14 aus Goddelau und 18 aus Wolfskehlen stammende bzw. länger hier ansässig gewesene jüdische Bürger Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/wolfskehlen_synagoge.htm).

 

Die in Goddelau bestehende Heil- und Pflegeanstalt „Philippshospital“ beherbergte auch jüdische Patienten, die Anfang 1942 nach Hadamar überführt und dort vergast wurden.

Anm.: Wolfskehl ist der Name einer deutsch-jüdischen Familie, die im 19. u. 20.Jahrhundert in Darmstadt lebte. Als sich die Juden einen unveränderlichen Familiennamen zulegen mussten, nannte sich die Familie nach ihrem Herkunftsort Wolfskehlen. Aus dieser Familie sind bekannte Persönlichkeiten hervorgegangen: Heyum Wolfskehl (1776–1866), Hof-Bankier unter Großherzog Ludwig III. u. Gründer das Bankhauses H. Wolfskehl & Söhne, Wilhelm Otto Wolfskehl (1841–1907), Darmstädter Bankier u. Vizepräsident des Hessischen Landtages, Paul Friedrich Wolfskehl (1856–1906), Mathematiker u. Stifter des „Wolfskehl-Preises und Karl Joseph Wolfskehl (1869–1948), Schriftsteller und Übersetzer.

 

 

In anderen Ortsteilen von Riedstadt, nämlich in Crumstadt, Erfelden und Leeheim gab es auch sehr kleine jüdische Gemeinden

In den Gehwegen im gesamten Stadtgebiet von Riedstadt sind nahezu 130 sog. „Stolpersteine“ zu finden, die an Opfer der NS-Gewaltherrschaft erinnern (Stand 2023). Die ersten messingfarbenen Steinquader waren im Jahre 2014 in Wolfskehlen, danach in Goddelau verlegt worden.

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Jüdische Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 270/271

Thea Altaras, Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945, Königstein/Taunus 1988, S. 141/142

Angelika Schleindl, Verschwundene Nachbarn - Jüdische Gemeinden und Synagogen im Kreis Groß-Gerau, Hrg. vom Kreisausschuß des Kreises Groß-Gerau 1990, S. 242 - 251 und S. 260 – 265 (Wolfskehlen)

Studienkreis Deutscher Widerstand (Hrg.), Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 – 1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt, 1995, S. 170 - 172

Wolfskehlen mit Goddelau, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Jürgen Hedderich (Bearb.), STOLPERSTEINE zum Gedenken an unsere von Nationalsozialisten vertriebenen und ermordeten Nachbarn – Infoblatt, Riedstadt 2014

N.N. (Red.), Erste Verlegung von „Stolpersteinen“ in Goddelau, in: „echo-online.de vom 31.1.2015

Charlotte Martin (Red.), Die letzten sieben Stolpersteine, in: "Echo – Lokales. Riedstadt“ vom 28.10.2019