Göppingen (Baden-Württemberg)
Mit seinen derzeit ca. 58.000 Einwohnern ist Göppingen eine Kreisstadt in Baden-Württemberg - etwa 40 Kilometer östlich von Stuttgart gelegen (Kartenskizzen 'Weitere Region Stuttgart', aus: wikiwand.com/de/Stuttgart und 'Landkreis Göppingen', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
Ansicht von Göppingen - Mitte des 17.Jahrhunderts (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Eine bereits im 14.Jahrhundert in Göppingen existierende jüdische Gemeinde fiel den Pest-Verfolgungen von 1349 zum Opfer.
Im Laufe des 15.Jahrhunderts lebten wieder einige jüdische Familien in der Stadt, aber vom 16. bis ins 19.Jahrhundert hat es keine ständige jüdische Ansiedlung mehr in Göppingen gegeben. Erst um 1850 war wieder ein Zuzug von Juden in die Stadt zu verzeichnen.
Die offizielle Gründung der selbstständigen Israelitengemeinde in Göppingen erfolgte am 1. Juli 1867. Sieben Jahre später wurde von Jebenhausen auch der Rabbinatssitz nach Göppingen verlegt.
Die zahlenmäßig rasch zunehmende Gemeinde richtete 1867 zunächst einen Betsaal an der Ecke Schiller-/Pfarrstraße ein. Dieser wurde 1881 durch einen Synagogenneubau an der Freihofstraße - entworfen vom Stuttgarter Architekten Christian Friedrich von Leins - inmitten eines größeren Gartengrundstücks ersetzt, der bis 1938 Mittelpunkt des regen Gemeindelebens war.
Plakat zur Synagogen-Einweihung Synagoge Göppingen (hist. Bildpostkarte)
Das „Göppinger Wochenblatt” berichtete in seiner Ausgabe vom 17.Sept. 1881 von den Einweihungsfeierlichkeiten:
Die Einweihung der neuen Synagoge
In der Neuen Straße, dem schönsten Teile der Stadt, und mitten zwischen den Kirchen der beiden christlichen Konfessionen gelegen, erhebt sich seit einiger Zeit ein Bau, dessen Stil und himmelanstrebende Kuppel dem Beschauer schon von ferne anzeigen, daß er zu einem Gotteshause bestimmt sei: es ist die neue Synagoge der israelitischen Gemeinde. ... Über dem Haupteingang und an anderen passenden Stellen sind hebräische Inschriften angebracht. Die eigentliche Synagoge zeigt im untern Raume mit ihren Sitzplätzen, den Emporen, der Orgel, große Ähnlichkeit mit einer christlichen Kirche, ... Dieses neue Gotteshaus wurde gestern unter großer Beteiligung auch der christlichen Einwohnerschaft feierlich eingeweiht. Um 4 Uhr nachmittags versammelten sich die israelitischen Gemeindemitglieder und die übrigen Festgenossen in und vor dem seitherigen, gemieteten Betsaal. ... bewegte sich der festliche Zug über den Schloßplatz ... Voraus zog die festlich geschmückte israelitische Schuljugend, dann folgten der Synagogenchor, die Thoraträger, Rabbiner und Kirchenvorsteher ... Der Synagogenchor begann die kirchliche Feier mit einem Begrüßungsgesang in hebräischer Sprache , währenddessen Vorsänger, Thoraträger, Rabbiner und Kirchenvorsteher eintraten und sich aufstellten. Nach einem Vortrage des Vorsängers wurden die Thorarollen durch den Rabbiner in das Allerheiligste gebracht, ... Die jetzt folgende Festpredigt können wir natürlich nicht wiedergeben, da der Raum nicht hinreichen würde. Anknüpfend an das Schicksal der noch jungen israelitischen Gemeinde hier, führte Herr Rabbiner Hertz in edler gewählter Sprache die Bedeutung des Tages für seine Gemeinde ... Der Psalm 118, ‘Danket dem Herrn’, vom Chor gesungen, machte den Beschluß der eigentlichen Einweihungsfeier, an welche sich noch ein Abendgottesdienst mit Chorbegleitung anschloß. Die erhebende Feier wird wohl bei den meisten Teilnehmern in gutem Gedächtnis bleiben.
Synagoge in Göppingen (hist. Aufn.)
In direkter Nachbarschaft zur Synagoge stand das Rabbinerhaus. Der letzte, langjährige Rabbiner der Gemeinde, Dr. Aron Tänzer (geb. 1867), machte sich in der Stadt einen Namen.
Aron Tänzer - Rabbiner und Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen - wurde 1871 in Pressburg als Sohn eines Rabbiners geboren. Nach fünfjährigem Besuch einer Rabbinatshochschule absolvierte er ein Studium in Philosophie, Germanistik und semitischer Philologie in Berlin und Bern; nach seiner Promotion an der Universität Bern (1895) übte er in zahlreichen Städten - u.a. in Hohenems, Meran, Göppingen - das Amt eines Rabbiners aus. Während des Ersten Weltkrieges amtierte er als Feldrabbiner. Nach dem Krieg widmete er sich der Volksbildung; auf seine Initiative ging die Einrichtung der Städtischen Bibliothek Göppingens zurück. Dr. Aron Tänzer starb 1937 in Göppingen.
Wer es sich finanziell leisten konnten, beauftragte einen Hauslehrer für die Unterrichtung seiner Kinder (siehe folgende Anzeige).
aus: "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 12. Jan. 1852
Bis Anfang der 1880er Jahre befand sich die Religionsschule im Synagogengebäude. Neben dem seit 1874 in Göppingen amtierenden Rabbiner besaß die Gemeinde einen Lehrer, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war.
Anzeigen aus: "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 10.März 1874 und der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13.März 1878
Stempel der jüdischen Schule
Zunächst waren die Verstorbenen der Göppinger Kultusgemeinde auf dem Friedhof in Jebenhausen begraben worden; 1903/1904 wurde dann eine eigene jüdischen Begräbnisstätte in Göppingen an der Hohenstaufenstraße eingeweiht.
Die Juden von Kirchheim unter Teck gehörten vom Ende des 19.Jahrhunderts bis 1938 zur Gemeinde von Göppingen.
Juden Göppingen:
--- 1857 ............................ 10 Juden,
--- 1867 ............................ 174 “ ,
--- 1875 ............................ 208 “ ,
--- 1880 ............................ 244 “ (2,2% d. Bevölk.),
--- 1890 ............................ 271 “ ,
--- 1900 ............................ 324 “ ,
--- 1905 ............................ 327 “ ,
--- 1910 ............................ 311 “ ,
--- 1925 ............................ 351 “ (1,6% d. Bevölk.),
--- 1938 (Nov.) ..................... 213 “ ,
--- 1939 (Mai) ...................... 158 “ ,
--- 1940 (Mai) ...................... 91 “ ,
--- 1941 (Okt.) ..................... 76 “ ,
--- 1942 (März) ..................... 37 “ .
Angaben aus: Karl-Heinz Rueß, Die israelitische Gemeinde Göppingen 1927 – 1945, in: Aron Tänzer, Die Geschichte der Juden in Jebenhausen u. Göppingen, (Nachdruck), S. 399 und S. 16
Hauptstraße in Göppingen, um 1910 (Abb. zvab.com)
Die Industrialisierung Göppingens ab Mitte des 19.Jahrhunderts ist in wesentlichem Umfange auch den jüdischen Unternehmern zuzuschreiben, die ihre Wohnsitze von Jebenhausen nach Göppingen verlegten und hier teils neue Industrien einführten, teils schon bestehende ausbauten. Jüdische Unternehmen waren führend in der Baumwollweberei und in der Korsettfabrikation. Außer den Industrieunternehmen gab es bis nach 1933 zahlreiche andere Handels- und Gewerbebetriebe jüdischer Eigentümer.
vgl. dazu Nennung aller bis 1933 bestehender Betriebe/Unternehmen in: alemannia-judaica.de/goeppingen_synagoge.htm
Die jüdische Gemeinde Göppingen zählte in den 1920er Jahren etwa knapp 350 Mitglieder. Das Zusammenleben zwischen Juden und Nichtjuden war bis in die Jahre der Weimarer Republik problemlos. Erstmals tauchten im Jahre 1922 in Göppingen - im Zusammenhang von NSDAP- Parteiveranstaltungen - Parolen wie „Juden haben keinen Zutritt” auf. Die antisemitische Hetze verstärkte sich in zunehmendem Maße in der Zeit der Weltwirtschaftskrise. Der reichsweite Boykotttag vom 1.April 1933 fand auch hier statt.
Aus dem „NS-Kurier” vom 3.4.1933:
... In Göppingen hat die von der NSDAP eingeleitete Boykottaktion um 10 Uhr eingesetzt, aber schon lange vorher füllten sich die Hauptverkehrsstraßen mit vielen Neugierigen aus der Stadt und der näheren Umgebung. Mit dem 10-Uhr-Schlag rückten starke SA- und SS-Abteilungen sowie Stahlhelm vor die jüdischen Geschäfte, stellten bewaffnete Posten aus und brachten Plakate an gut sichtbaren Stellen der boykottierten Geschäfte an. Wohlwert sowie andere größere jüdische Geschäftshäuser hatten ihre Verkaufsräume schon vor 10 Uhr geschlossen, während die anderen Geschäftsinhaber mit dem Einsetzen der Aktion zumachten. ...
Im Jahre 1935 setzte in Göppingen verstärkt eine antisemitische Hetzkampagne ein.
Aus einem Artikel der „Göppinger Zeitung” vom 1.8.1935:
... Man staunt, daß es immer noch Käufer gibt, die sich nicht schämen, ihr Geld zu ihrem persönlichen und zum Schaden der Allgemeinheit ins jüdische Warenhaus zu tragen. Wir schließen uns der Frage an, die über den aufschlußreichen Lichtbildern an der ‘Stürmer’-Tafel steht, ‘Warum kauft Deine Frau noch immer beim Juden ?’ Wer beim Juden kauft, ist ein Volksverräter und schließt sich aus der Volksgemeinschaft aus. ...
Nachdem in den folgenden Jahren die rechtliche Ausgrenzung und gesellschaftliche Isolierung des jüdischen Bevölkerungsteiles immer weiter vorangetrieben worden waren, leiteten die gewaltsamen Maßnahmen der Reichspogromnacht das Ende der Göppinger jüdischen Gemeinde ein. Angehörige der Geislinger SA hatten den Auftrag erhalten, die Synagoge in Band zu setzen; nachdem sie sich gewaltsam Zugang zum Synagogenraum verschafft hatten, entzündeten sie das herbeigeschaffte, mit Benzin übergossene Stroh. Die Synagoge brannte daraufhin völlig aus; die Feuerwehr beschränkte sich nur darauf, ein Übergreifen des Feuers auf die Nachbarhäuser zu verhindern. Kurz darauf wurde die Ruine gesprengt und der Schutt abgefahren; die dafür entstandenen Kosten von 4.000,- RM ließ die Stadt der jüdischen Gemeinde in Rechnung stellen.
ausgebrannte Synagogenruine (Aufn. 10.11.1938, Stadtarchiv Göppingen)
Schaufenster des Kaufhauses von Georg Lendt (Marktstraße) wurden eingeschlagen und das „Hotel Dettelbacher“ (am Bahnhof) demoliert. Dorthin wurden dann männliche Juden im Alter von 16 bis 65 Jahren verbracht und in den Folgetagen 27 Mitglieder der jüdischen Gemeinde per Bus ins KZ Dachau abtransportiert.
Ende November 1938 versammelte sich die Ortsgruppe Ost der Göppinger NSDAP im Dreikönig-Saal zu ihrer Mitgliederversammlung; dort wurde an die Anwesenden durch den Ortsgruppenleiter Finkbeiner und Kreisleiter Baptist appelliert:
1. Nie mehr eine Synagoge in Göppingen!
2. Alle Juden heraus aus unserer Heimatstadt. Wir haben immer noch 200 von ihnen.
3. Keine Juden dürfen mehr in deutschen Geschäften kaufen. Sie sollen nur noch in eigenen Verkaufsstellen das holen können, was sie brauchen!
4. Kein Handwerker mehr, kein Geschäftsmann mehr, keine Hausgehilfin mehr zur Handreichung für einen Juden!
5. Keine Juden mehr als Untermieter bei Ariern und umgekehrt. Juden sollen bei Juden wohnen. Arier bei Ariern!
6. Also vollkommene Trennung des Lebens zwischen Juden und Deutschen!
7. Keinen einzigen Judenknecht mehr!
(aus dem Bericht in der Lokalzeitung "Der Hohenstaufen - Göppinger Zeitung", Nr. 279 vom 29. Nov. 1938)
Hatten in dem Zeitraum 1933 bis 1937 bereits mehr als 50 Göppinger Juden ihre Heimatstadt verlassen, so emigrierten in den Jahren 1938/1939 fast 150 Personen, vor allem in die USA. Bis 1941 waren insgesamt 232 Juden Göppingens ins Ausland abgewandert. Ab Ende November d.J. wurden die noch verbliebenen Menschen mit Ausnahme derjenigen, die „in Mischehe“ lebten, deportiert; über das Stuttgarter Sammellager Killesberg erfolgten Deportationen nach Izbica/b. Lublin und nach Theresienstadt.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ...“ (ergänzt durch Angaben von Klaus Maier-Rubner) sind nachweislich 116 aus Göppingen stammende bzw. über einen längeren Zeitraum hinweg hier ansässig gewesene jüdische Bürger der Shoa zum Opfer gefallen (namentliche Nennung der beiden Personen siehe: alemannia-judaica.de/goeppingen_synagoge.htm).
1948/1949 wurde vor dem Landgericht Ulm gegen 15 Personen verhandelt, die an den Ausschreitungen des 9./10.November 1938 beteiligt waren. Die höchste Strafe im "Synagogenbrand-Prozess" - zwei Jahre Zuchthaus - erhielt der ehem. NSDAP-Kreisleiter Imanuel Baptist.
In der Freihofstraße Göppingens erinnert seit 1971 eine Gedenktafel an die im Jahre 1938 zerstörte Synagoge; die Inschrift lautet:
Aufn.J. Hahn, 2009, aus: wikipedia.org, CCO
Zum 60.Jahrestag der Zerstörung der Göppinger Synagoge erhielt die Freifläche an der Freihofstraße den Namen „Synagogenplatz”. In unmittelbarer Nähe befindet sich das ehemalige Rabbinatshaus, das heutige „Rabbiner-Tänzer-Haus“.
Im Göppinger Schlossgarten steht seit 1995 ein Monolith, der eine Tafel mit den folgenden Worten trägt:
Den Opfern nationalsozialistischer Gewaltherrschaft 1933 - 1945
Ihr Leiden und Sterben sei uns Mahnung zur Toleranz und Menschlichkeit.
Auf der Israelitischen Abteilung des Städtischen Friedhofs in Göppingen befinden sich auch Gräber ehemaliger KZ-Häftlinge, deren sterbliche Überreste nach 1945 geborgen und hierher umgebettet wurden. Ein 1952/1953 errichtetes steinernes Mahnmal erinnert mit den Inschriften:
Wir gedenken aller Brüder und Schwestern der Gemeinde,
die in den Jahren 1933 - 1945 ihr Leben lassen mußten und in fremder Erde ruhen.
(in Deutsch)
Zum Andenken an alle unsere Brüder und Schwestern, Kinder der Gemeinde Göppingens,
die in den Krallen der wilden Bestie umkamen.
(in Hebräisch)
Seit 2003 erinnert am Eingang der Schiller-Realschule eine Gedenktafel an die von hier Ende November 1941 erfolgte Deportation Göppinger Juden.
Im Göppinger Stadtgebiet sind seit 2005 zahlreiche „Stolpersteine" verlegt worden, die zumeist jüdischen Opfern der NS-Herrschaft gewidmet sind. Inzwischen hat die Stolperstein-Initiative mehr als 100 Steine verlegen lassen (Stand 2023); ergänzend erschien 2018 eine zweisprachige Publikation, die die Biografien der betroffenen Opfer vorstellt.
Aufn. Stolperstein-Initiative Göppingen e.V.
Burgstraße (Aufn. Chr. Michelides, aus: wikipedia.org, CVC BY-SA 4.0)
Frühlingsstraße
In der ehemaligen evangelischen Kirche des Stadtteils Jebenhausen (erbaut 1506) wurde 1992 ein Museum eingerichtet, das über die Geschichte der Juden in Jebenhausen und Göppingen informiert und an die ehemalige Gemeinde erinnert. Das Jebenhausener Jüdische Museum war das erste seiner Art in Baden-Württemberg.
[vgl. Jebenhausen (Baden-Württemberg)]
In Süßen – knapp zehn Kilometer östlich von Göppingen – haben nach 1900 bis in die NS-Zeit nur wenige Familien jüdischen Glaubens gewohnt; sie gehörten der Kultusgemeinde Göppingen an. Neben der Mechanischen Weberei der Gebrüder Ottenheimer gab es hier die beiden Viehhandlungen Leopold und Louis Lang.
Geschäftsanzeige, aus: Zeitschrift des "Central-Verein" vom 1.Jan. 1926
Zu den wenigen hier lebenden Juden kamen in den 1930er Jahren weitere Familien hinzu, die aus Orten der Rhein-Pfalz hierher "evakuiert" worden waren. Nachweislich wurden mindestens 13 Juden aus Süßen ins Ghetto Riga deportiert und ermordet.
Am hiesigen Marktbrunnen erinnert eine Figurengruppe an die aus Süßen verschleppten Juden (Aufn. J. Hahn, 2010).
Nach den Familien Ottenheimer und Lang wurden jüngst zwei Straßen in einem Neubaugebiet benannt. Zudem erinnern seit 2008 sog. „Stolpersteine“ an 13 verschleppte und ermordete jüdische Bewohner aus Süßen.
In Kirchheim unter Teck - heute im Landkreis Esslingen gelegen mit derzeit ca. 40.000 Einw. - wurde eine kleine mittelalterliche Judengemeinde 1293 erstmals erwähnt; eine „Judenschul“ ist im Jahre 1329 datiert. Die Auslöschung der Gemeinde geschah während des Pestpogroms (1348/1349). In den Folgejahrzehnten siedelten sich in Kirchheim wieder vereinzelt Juden an, ehe sie gegen Ende des 15.Jahrhunderts ausgewiesen wurden. Die Wurzeln einer winzigen neuzeitlichen Gemeinde lagen in den 1860er Jahren; knapp 40 Personen erreichte die zu Göppingen gehörige Filialgemeinde Anfang der 1930er Jahre. Bis 1922 verfügte die kleine Gemeinschaft über einen Betraum, der im Dachgeschoss der Kleiderfabrik Albert Salmon untergebracht war; danach fanden Zusammenkünfte in einer anderen privaten Räumlichkeit statt. Verstorbene wurden auf dem jüdischen Friedhof in Göppingen begraben.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden nachweislich elf gebürtige jüdische Bewohner Kirchheims in der NS-Zeit ermordet (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/kirchheim_synagoge.htm).
Seit 2007 sind im Stadtgebiet insgesamt 14 sog. „Stolpersteine“ verlegt worden, davon elf für jüdische NS-Opfer.
Aufn. A. 2017, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0
in der Kirchheimer Alleenstraße (Aufn. A. Volz)
Anm.: Am ehem. evang. Pfarrhaus am Widerholtplatz erinnert eine Gedenktafel an den Pfarrer Otto Mörike, der während der Zeit des Zweiten Weltkrieges mehrfach jüdische Flüchtlinge versteckte.
Hinweis: In Kirchheim a.d.Weinstraße (Rheinland-Pfalz), in Kirchheim in Unterfranken (nahe Giebelstadt) und im nordrhein-westfälischen Kirchheim (nahe Euskirchen) gab es ebenfalls jüdische Gemeinden.
In Ebersbach a.d.Fils – etwa zehn Kilometer westlich von Göppingen mit derzeit ca. 15.500 Einw. – erinnern drei sog. „Stolpersteine“ in der Büchenbronnerstraße an das Schicksal der dreiköpfigen jüdischen Familie Neumann. Mehrere Wochen im Ebersbacher Pfarrhaus versteckt wurden Franziska Neumann und ihre beiden Söhne verhaftet; von Stuttgart aus wurden sie Mitte Juni 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
In Schorndorf - einer Kommune im Rems-Murr-Kreis ca. 20 Kilometer nordwestlich von Göppingen - erinnern heute „Stolpersteine“ an Personen, die während der NS-Zeit verfolgt, deportiert und ermordet wurden. Allein acht Steine erinnern in der Römmelgasse an Angehörige der Sinti-Familie Guttenberger.
Aufn. B. Gross, 2018, aus: wikipedia.org, CCO
In Schorndorf hat zu keiner Zeit eine jüdische Gemeinde existiert. Die Niederlassung einzelner jüdischer Familien erfolgte erst im ausgehenden 19. bzw. beginnenden 20.Jahrhundert.
Weitere Informationen:
Paul Sauer, Dokumente über die Verfolgung der jüdischen Mitbürger in Baden-Württemberg durch das nationalsozialistische Regime 1933 - 1945, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1966
Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale - Geschichte - Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1966, S. 82 - 86
Georg Weber, Zeugnisse der Judenverfolgung im Kreis Göppingen 1933 - 1945, Zulassungsarbeit, Aufhausen 1967
Ulrich Klotz, Reichskristallnacht in Göppingen, Stuttgart 1980 (Maschinenmanuskript)
Harold Hammer-Schenk, Synagogen in Deutschland. Geschichte einer Baugattung im 19. u. 20.Jahrhundert, Hans Christians Verlag, Hamburg 1981, Teil 1, S. 353 f. und Teil 2, Abb. 265
Dieter Kauß, Juden in Jebenhausen und Göppingen 1777 - 1945, Göppingen 1981 (Ausstellung)
Hermann Dicker, Aus Württembergs jüdischer Vergangenheit und Gegenwart, Bleicher Verlag, Gerlingen 1984
Brigitte Kneher, Chronik der jüdischen Bürger Kirchheims seit 1896, in: "Schriftenreihe des Stadtarchivs Kirchheim unter Teck", No.3/1985, S. 71 - 114
Rainer Kilian, Fragmente hebräischer Handschriften im Stadtarchiv, in: "Schriftenreihe des Stadtarchivs Kirchheim unter Teck", No.7/1988, S. 117 - 130
Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, S. 194 f.
Aron Tänzer, Die Geschichte der Juden in Jebenhausen und Göppingen (unveränderter Nachdruck der Ausgabe von 1927), in: "Veröffentlichungen des Stadtarchivs Göppingen", Band 23, Hrg. K.H.Rueß, Anton H. Konrad-Verlag, Weißenhorn 1988
Karl-Heinz Rueß, Die israelitische Gemeinde Göppingen 1927 - 1945, in: A.Tänzer, Die Geschichte der Juden in Jebenhausen und Göppingen, Hrg. K.H.Rueß, Anton H. Konrad-Verlag, Weißenhorn 1988, S. 575 - 619
Hans-Peter Schwarz (Hrg.), Die Architektur der Synagoge. Ausstellungskatalog Dt.Architekturmuseum Frankfurt/M., Frankfurt/M. 1988, S. 254/255
Jüdisches Museum Göppingen-Jebenhausen in der Alten Kirche zu Jebenhausen (Ausstellung)
Rolf Götz, Zur Lokalisierung der 1329 genannten Kirchheimer Synagoge, in: "Schriftenreihe des Stadtarchivs Kirchheim unter Teck", Bd. 7/1988, S. 137 - 144
Naftali Bar-Giora Bamberger, Die jüdischen Friedhöfe Jebenhausen und Göppingen. Memor-Buch, in: "Veröffentlichungen des Stadtarchivs Göppingen", Band 24, Göppingen 1990
Gedenkstätten in Baden-Württemberg, Hrg. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, 1998, S. 19
K.Plieninger/K.H.Rueß, Göppingen unterm Hakenkreuz, in: "Veröffentlichungen des Stadtarchivs Göppingen", Band 32
K.-H.Rueß, Die jüdische Gemeinde: verfolgt, vertrieben, vernichtet, Selbstverlag der Stadt Göppingen, 2.Aufl. 1998, S. 244 – 251
K.-H.Rueß, “Was in Paris geschah, das habt ihr zu büßen!” – Die Reichspogromnacht in Göppingen, Selbstverlag, Göppingen 1998
K.-H.Rueß, Die Deportation der Göppinger Juden, Göppingen 2001
K.-H.Rueß, Spuren schreiben Vergangenheit. Stätten jüdischer Geschichte und Erinnerung in Jebenhausen und Göppingen, Selbstverlag, Göppingen 2001
Joachim Hahn/JürgenKrüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 152 – 158 und S. 252
Göppingen, in: alemannia-judaica.de (umfangreiches Bild- u. Textmaterial zur jüdischen Gemeinde Göppingen mit vielen personenbezogenen Dokumenten)
Stadt Göppingen – Archiv u. Museen (Hrg.), Juden in Jebenhausen und Göppingen, online abrufbar unter: edjewnet.de/spuren/spuren.htm
Andreas Volz (Red.), Namen vor dem Vergessen bewahrt. Eine Broschüre über die Kirchheimer Stolpersteine erinnert an Opfer des Nationalsozialismus, in: „Teckbote“ vom 25.6.2010
Anna Laura Geschmay Mevorach, Von der Schwäbischen Alb zur Venezianischen Lagune, Göppingen 2011 (Anm. biografischer Schwerpunkt)
Stolperstein-Initiative Göppingen e.V. „Gegen das Vergessen“, online abrufbar unter: stolpersteine-gp.de
Auflistung der in Göppingen verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Göppingen
Stolpersteine in Kirchheim/Teck, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Stolpersteine_in_Kirchheim_unter_Teck
Jüdische Geschichte in Süßen, aus: alemannia-judaica.de
Schorndorf, in: alemannia.judaica.de
Auflistung der in Süßen verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Süßen
Auflistung der in Schorndorf verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Schorndorf
Kommune Kirchheim, Bisher verlegte Stolpersteine, online abrufbar unter: kirchheim-teck.de
Margit Haas (Red.), Göppingen: Vier neue Stolpersteine für jüdische Familie, in: „Neue Württembergische Zeitung – Göppinger Kreisnachrichten“ vom 12.11.2016
Sabine Riker (Red,), Ein Buch, das den Opfern ein Gesicht gibt, in: „Stuttgarter Zeitung“ vom 17.2.2017
Corinna Meinke (Red.), Inge Auerbacher eröffnet jüdischen Erinnerungsweg – Holocaust-Überlebende in Göppingen, in: „Stuttgarter Nachrichten“ vom 15.10.2017
Marcus Zecha (Red.), 97 Menschen vor dem Vergessen bewahrt, in: „SWP – Südwest-Presse“ vom 23.1.2018
Hans Mayer (Bearb.), Die Firma Bernheimer und der Göppinger Kräutergeist „Borato“, Hrg. Jüdisches Museum Göppingen, 2018
Barbara Pienek (Red.), Verlegeaktion in der Schorndorfer Römmelgasse: Ein Stolperstein für Ludwig Guttenberger, in: "ZVW - Zeitungsverlag Waiblingen" vom 3.5.2021
Margit Haas (Red.), Stolpersteine in Göppingen. Mit viel Glück der sicheren Vernichtung entgangen, in: „Südwest Presse“ vom 2.10.2023
Margit Haas (Red.), Orte der NS-Verbrechen werden konkret genannt, in: „Südwest Presse“ vom 1.1.2024
Andreas Volz (Red.), Holocaust: Erinnerung ist wichtig – auch für überlebende Opfer, in: „Der Teckbote“ vom 16.7.2024 (betr. Stolpersteine in Kirchheim)