Gondelsheim/Kraichgau (Baden-Württemberg)
Gondelsheim ist eine Kommune mit derzeit ca. 3.300 Einwohnern im Landkreis Karlsruhe (vorher zum Landkreis Bruchsal gehörig) – ca. 15 Kilometer südöstlich von Bruchsal gelegen (Kartenskizze 'Landkreis Karlsruhe', F. Paul 2009, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).
Seit dem Spätmittelalter stand das Dorf Gondelsheim unter wechselnder Herrschaft; der zunächst freiadlige Flecken war anschließend im Kurpfälzer, württembergischen und badischen Besitz. Eine kleine jüdische Gemeinde bestand hier seit dem ausgehenden 16.Jahrhundert; einem ihrer Angehörigen war seitens der Landesherrschaft 1548 erlaubt worden, in der Markgrafschaft Baden Geldhandel zu betreiben.
Übergriffe des Jahres 1848 hielten die Gondelsheimer Juden nicht davon ab, ihr Synagogenbauvorhaben voranzutreiben. Mitten in der „Hochphase der revolutionären Unruhen (im April 1849) wurde das neue Gotteshaus eingeweiht; es war ein im neoromanischen Stile errichtetes Gebäude in der Leitergasse ein, das einen beengten älteren Betsaal ablöste. Die seit 1838 laufenden Bauplanungen konnten dadurch realisiert werden, dass die Familien regelmäßige Beiträge in einen Baufonds zahlten; zudem trug eine 1845/1846 durchgeführte Kollekte bei den jüdischen Gemeinden in der Region zur Finanzierung des Synagogenbaues bei. Im neuen Gebäude befand sich neben einem Versammlungs- und Schulraum auch ein Ritualbad.
Ehem. Synagogengebäude (Aufn. um 1950, ?)
aus: "Großherzoglich Badisches Anzeige-Blatt für den See-Kreis" vom 13.5.1854
Ehe die Verstorbenen auf dem Obergrombacher Verbandsfriedhof beigesetzt wurden, existierte in Gondelsheim vermutlich ein eigenes Beerdigungsgelände; so wurde 1632 erstmals eine Flur „Judenkirchhof” genannt.
Seit 1827 gehörte Gondelsheim zum Rabbinatsbezik Bretten.
Juden in Gondelsheim:
--- 1709 .......................... 5 jüdische Familien,
--- 1747 .......................... 13 “ “ ,
--- 1790 .......................... 13 “ “ ,
--- 1825 .......................... 79 Juden,
--- 1838 .......................... 99 “ ,
--- 1855 .......................... 110 “ ,
--- 1875 .......................... 53 “ ,
--- 1887 .......................... 78 “ ,
--- 1900 .......................... 47 “ ,
--- 1925 .......................... 13 “ ,
--- 1933 .......................... 10 “ ,
--- 1940 .......................... 6 “ ,
--- 1941 .......................... keine.
Angaben aus: Jürgen Stude, Geschichte der Juden im Landkreis Karlsruhe, S. 354
Im Schatten der 1848er-Revolution kam es in Gondelsheim zu Ausschreitungen gegen die hier ansässigen Juden; trotzdem muss das Verhältnis zwischen den Konfessionen entspannt gewesen sein; denn bei der Einweihung der neuen Synagoge 1849 nahmen Repräsentanten des Orts- und Kirchenrates und etliche Gondelsheimer Christen teil. Infolge Abwanderung in größere Städte war die Anzahl der Juden in Gondelsheim so gering geworden, dass kein Minjan mehr zustande kam und die Synagoge nicht mehr genutzt bzw. auch nicht mehr erhalten werden konnte; das Gebäude wurde um 1930 veräußert. Offiziell war die Gondelsheimer Gemeinde schon 1925 aufgelöst worden; die wenigen noch verbliebenen jüdischen Bewohner wurden der Gemeinde Bretten zugewiesen.
Im Jahre der NS-Machtübernahme lebten in Gondelsheim nur noch zehn jüdische Bewohner; zwei Viehhandlungen waren die einzigen noch bestehenden Gewerbebetriebe zu dieser Zeit. Da das ehem. Synagogengebäude nicht mehr in jüdischem Besitz war, blieb es von einer Zerstörung während der „Reichskristallnacht“ verschont. Seit dem Verkauf diente das Gebäude an der Leitergasse 6 zunächst als Kirche, später dann als Wohnhaus und Lager eines Getränkehandels.
Sechs jüdische Dorfbewohner wurden Ende Oktober 1940 ins südfranzösische Gurs deportiert
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden insgesamt 16 aus Gondelsheim stammende bzw. länger am Ort ansässig gewesene Personen mosaischen Glaubens Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/gondelsheim_synagoge.htm).
Anlässlich ihrer 700-Jahrfeier 1958 verlieh die Ortsgemeinde Gondelsheim 1958 dem aus dem Ort stammenden Jacob Hecht (geb. 1879) die Ehrenbürgerschaft. Er, Sohn eines jüdischen Lehrers/Kantors, hatte zusammen mit seinem Bruder Hermann wenige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg die deutsche Rhenania-Schifffahrtsgruppe in Mannheim gegründet, die er bis zu seiner Emigration in die Schweiz leitete. Später fungierte er als Präsident der Neptun Reederei in Basel. Er verstarb 1963 in Basel.
Eine ähnlich erfolgreiche Karriere wie sein Vater machte Reuben Hecht. Der 1948 endgültig nach Israel emigrierte Hecht führte zahlreiche Unternehmen, so u. a. die mächtigen Dagon-Silos im Hafen seiner neuen Heimat Haifa, war Gründer des Reuben-und-Edith-Hecht-Museums in Haifa und politischer Berater der israelischen Ministerpräsidenten Menachim Begin und Yitzhak Shamir.
Ehem. Synagogengebäude (Aufn. M. Kauffmann, 2015, aus: wikipedia.org, CC BY 3.0 de)
Im Jahre 2004 stand das inzwischen unter Denkmalschutz stehende ehemalige Synagogengebäude wieder zum Verkauf; obige Aufnahme zeigt das Haus im Zustand von 2015.
Von der ehemaligen Synagoge ist eine Thorarolle erhalten, die sich heute in der Synagoge von Kfar-Eliahu/Israel befindet; diese war zunächst von einen Emigranten in die USA mitgenommen worden. Verwendung findet die Gondelsheimer Thora aber heute nicht mehr, da sie nach ritueller Auffassung nicht mehr als „koscher“ gilt.
Schüler/innen der Hauptschule Gondelsheim haben 2005 im Rahmen des landesweiten Mahnmal-Projektes für die deportierten badischen Juden einen Memorialstein entworfen (Abb. aus: mahnmal-Neckarzimmern.de); die Doublette des Steines steht auf dem Gondelsheimer Gemeindefriedhof.
Weitere Informationen:
F.Hundsnurscher/G.Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden - Denkmale, Geschichte, Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1968, S. 55 f.
Joachim Hahn, Synagogen in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1987, S. 37
Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, S. 288/289
Jürgen Stude, Geschichte der Juden im Landkreis Karlsruhe, Hrg. Landratsamt Karlsruhe, Karlsruhe 1990, S. 354/355
Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 158/159
Gondelsheim, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Text- u. Bilddokumenten zur jüdischen Ortshistorie)