Gräfenhausen (Hessen)

Datei:Weiterstadt in DA.svg Gräfenhausen mit derzeit knapp 6.000 Einwohnern ist heute ein Ortsteil von Weiterstadt im Westteil des Landkreises Darmstadt-Dieburg – ca. 15 Kilometer nördlich von Darmstadt gelegen (Kartenskizzen 'Landkreis Darmstadt-Dieburg mit Weiterstadt rot markiert, Hagar 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0  und  'Stadtteile von Weiterstadt', A. Poth, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Die Existenz von wenigen jüdischen Familien in Gräfenhausen wird erstmals im Jahre 1654 urkundlich erwähnt; seit der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts ist eine israelitische Religionsgemeinde nachweisbar. Die im Obergeschoss eines einer jüdischen Familie gehörenden Fachwerkhauses in der heutigen Hauptstraße untergebrachte Synagoge diente ab ca. 1855 den Gemeindeangehörigen als Versammlungsraum, der neben 36 Männer- auch 20 Frauenplätze aufwies; daneben befand sich eine Mikwe.

                      „Judenschule“, 4. Haus von rechts (hist. Aufn., Heimatverein) http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20195/Graefenhausen%20Synagoge%20109.jpg

Eine detaillierte „Synagogenordnung für die israelitische Religionsgemeinde zu Gräfenhausen mit Weiterstadt und Wixhausen“ wurde 1894 vom Großherzogl. Kreisamt in Darmstadt erlassen; sie regelte das interne Gemeindeleben. Die jüdischen Kinder besuchten die christliche Ortsschule; einen eigenen Religionslehrer besaß die Gemeinde bis 1914.

                    Anzeigen aus der Zeitschrift „Der Israelit“ von 1891

Der Friedhof für die Verstorbenen der Kultusgemeinde Gräfenhausen und seiner angeschlossenen „Filialen“ befand sich in Groß-Gerau.

Zur orthodoxen Synagogengemeinde gehörten seit der Mitte des 19.Jahrhunderts auch die wenigen jüdischen Bewohner der Orte Erzhausen, Weiterstadt und Wixhausen.

Die Gemeinde gehörte zum orthodoxen Bezirksrabbinat Darmstadt II.

Juden in Gräfenhausen:

    --- um 1655 ......................   3 jüdische Familien,

    --- 1776 .........................  12 Juden,

    --- 1828/30 ......................  34   “  ,

    --- 1867 .........................  63   “  (ca. 7% d. Bevölk.),

--- 1881 .........................  39   “  ,

    --- 1900/05 ......................  57   “  (ca. 4% d. Bevölk.),

    --- 1910 .........................  44   "  ,

    --- 1925 .........................  37   “  (ca. 2% d. Bevölk.),

    --- 1933 .........................  42   “  (in 12 Familien),

    --- 1939 (Mai) ...................  22   “  ,

    --- 1942 (Juni) .................  keine.

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 272

und                 Günther Hoch, Jüdische Gemeinde Gräfenhausen, S. 3/4

 

Gräfenhausener Juden übten das Metzgergewerbe aus und waren Händler für Landesprodukte und Manufakturwaren; nebenbei betrieben fast alle Familien eine kleine Landwirtschaft. 1932/1933 lebten in Gräfenhausen zwölf jüdische Familien.

In den ersten fünf Jahren der NS-Zeit emigrierte ein Teil der Gemeindeangehörigen nach Übersee, ein anderer Teil siedelte 1939 nach Frankfurt/M. über; die letzte polizeiliche Abmeldung erfolgte im Mai 1942. Während des Novemberpogroms hatten SA-Angehörige aus Starkenburg die Inneneinrichtung der „Judenschule“ in der Langgasse demoliert und die zerstörten Einrichtungs- und Kultgegenstände auf die Straße geworfen. Das Synagogengebäude wurde alsbald abgerissen und das Grundstück eingeebnet; im Volksmund wurde der freie Platz (heute „Postplatz“) weiterhin „Judenplatz“ genannt.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ sind 32 Personen mosaischen Glaubens, die aus Gräfenhausen stammten bzw. über einen längeren Zeitraum hier ansässig gewesen waren, während der NS-Zeit gewaltsam ums Leben gekommen (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/graefenhausen_synagoge.htm).

 

Seit November 1983 erinnert ein Gedenkstein am Postplatz an den Standort der ehemaligen Synagoge von Gräfenhausen. 

                                    File:Gedenkstein Synagoge Gräfenhausen.jpg Aufn. D., 2017, aus: commons.wikimedia.org CCO

2013 wurden die ersten sog. „Stolpersteine“ verlegt; zwei bzw. vier Jahre später folgten weitere im Stadtgebiet Weiterstadts. Inzwischen zählt man an 13 Standorten nahezu 50 messingfarbene Gedenkquader (Stand 2023).

verlegt in der Hauptstraße (Aufn. D. 2020, aus: commons.wikimedia.org CCO)

                  ... und  Die Stolpersteine in Gedenken an Jakob, Golda, Eva und Nathan Frenkel (Foto: Stadt Weiterstadt/Benjamin Hasche)

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt 1971, Bd. 1, S. 272 - 274

Günther Hoch, Jüdische Gemeinde Gräfenhausen, hrg. von der Gemeinde Weiterstadt, Weiterstadt 1984

Thomas Lange (Hrg.), ‘L’chajim’ - Die Geschichte der Juden im Landkreis Darmstadt-Dieburg, Hrg. Landkreis Darmstadt-Dieburg, Reinheim 1997

Gräfenhausen mit Weiterstadt, Wixhausen und Erzhausen, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

André Wirtz (Red.), Unbekannte stehlen frisch verlegte Stolpersteine, in: „Echo“ vom 7.11.2013

Opfer der NS-Zeit in Weiterstadt, online abrufbar unter: weiterstadtkultur.de/category/opfer-der-ns-zeit-in-weiterstadt/  (Anm. enthält in verschiedenen Ausgaben von 2015/2016 biografische Informationen zu den verfolgten jüdischen Familien)

N.N. (Red.), Stolpersteine in Gedenken an die Familien Lehmann und Frenkel verlegt, in: weiterstadt.de (Okt. 2018)

Kommune Weiterstadt, Familie Mannheimer – STOLPERSTEINE, online abrufbar unter: weiterstadt.de