Jesberg (Hessen)
Jesberg – eine Kommune im hessischen Schwalm-Eder-Kreis - ist heute eine Großgemeinde mit den Ortsteilen Densberg, Hundshausen, Elnrode/Strang und Reptich; Jesberg (derzeit ca. 2.500 Einw.) liegt etwa 35 Kilometer nordöstlich von Marburg bzw. ca. 20 Kilometer südlich von Fritzlar (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Schwalm-Eder-Kreis', NNW 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
Die ersten jüdischen Familien siedelten sich in Jesberg vermutlich in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg an.
Zu Beginn der 1830er Jahre wurde in der Densberger Straße eine Synagoge eingeweiht; diese bot ca. 80 Personen Platz, jeweils ca. 40 Plätze für Männer im Erdgeschoss und für Frauen auf der Empore.
Synagoge in Jesberg (hist. Aufn. um 1900, aus Th. Altaras)
Etwa zeitgleich wurde in Jesberg eine öffentliche israelitische Elementarschule ins Leben gerufen, in der bis zu 30 Kinder unterrichtet wurden; in den 1920er Jahren wurde sie geschlossen (und als Religionsschule weitergeführt); anschließend besuchten die wenigen jüdischen Kinder die christliche Ortsschule.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben war seitens der Gemeinde ein Lehrer angestellt, der zeitweise auch für die jüdischen Kinder Elementarunterricht erteilte.
aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 27.2.1878
Ehe um 1900/1902 ein eigener Friedhof in Jesberg (am Rande des Hembergs) angelegt wurde, wurden verstorbene Gemeindeangehörige auf dem jüdischen Sammelfriedhof in Haarhausen bei Borken beerdigt. In Haarhausen selbst gab es keine israelitische Gemeinde.
Die Gemeinde Jesberg - ihr gehörten seit 1905 auch die Juden aus Densberg an - unterstand zunächst dem Kreisrabbinat Gudensberg, anschließend dem Provinzial-Rabbinat Niederhessen mit Sitz in Kassel.
Juden in Jesberg:
--- 1744 ........................... 5 jüdische Familien,
--- 1776 ........................... 7 " " ,
--- 1835 ........................... 53 Juden,
--- 1861 ........................... 55 “ ,
--- 1871 ........................... 77 " (ca. 8% d. Bevölk.)
--- 1885 ........................... 85 “ (ca. 10% d. Bevölk.),
--- 1905 ........................... 73 “ (in 20 Familien),
--- 1924 ........................... 77 " ,
--- 1933 ........................... 58 “ ,
--- 1942 ........................... keine.
Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 411
und Jesberg, in: alemannia-judaica.de
Die Jesberger Juden sollen um 1900 in wirtschaftlich gesicherten Verhältnissen gelebt haben; Vieh- und Manufakturwarenhandel, aber auch Landwirtschaft waren die Erwerbszweige.
Geschäft von M. Schloss (hist. Aufn., 1932)
zwei private Kleinanzeigen von 1924:
Im Jahre 1932 beging die kleine Gemeinde das 100jährige Jubiläum seiner Synagoge, die anlässlich dieser Tatsache renoviert worden war. Der Festgottesdienst fand in Anwesenheit des Bezirksrabbiners aus Kassel statt.
Zu Beginn der NS-Herrschaft lebten in Jesberg noch ca. 50 bis 60 jüdische Bewohner.
Im September des Jahre 1935 ließ der Jesberger Bürgermeister die folgende „Verordnung“ veröffentlichen:
Im Laufe der folgenden Jahre haben die allermeisten Juden ihren Heimatort verlassen; fast 30 Personen sind emigriert - zumeist in die USA -, einige nach Frankfurt/M. verzogen.
Die wenigen in Jesberg verbliebenen Juden wurden vermutlich 1941/1942 deportiert.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden 25 gebürtige bzw. über einen längeren Zeitraum hinweg in Jesberg ansässig gewesene jüdische Personen Opfer der Shoa (namentliche Nennung der Opfer in: alemannia-judaica.de/jesberg_synagoge.htm).
Nach einem 1965 erfolgten Verkauf wurde das ehemalige Synagogengebäude zu einem bis heute bestehenden Wohnhaus umgebaut. Nach dem Umbau waren keinerlei Spuren seiner einstigen Bestimmung mehr zu erkennen.
Eingangstor zum jüdischen Friedhof in Jesberg - ältere und jüngere Grabsteine (Aufn. J. Hahn, 2010)
Aus Jesberg stammte der 1851 geborene Meier (Maier) Appel, der ab Ende der 1870er Jahre als Rabbiner tätig war. Seine erste Rabbinatsstelle war die in Homburg v.d.Höhe, danach übte er das Stadtrabbinat in Mannheim aus, um Jahre später als Stadtrabbiner der Israelitischen Gemeinde in Karlsruhe zu wirken. In der bürgerlichen Gesellschaft der ausgehenden Kaiserzeit vertrat Meier Appel die klassischen Ideen des Humanismus und die Vereinbarkeit von Judentum und Deutschtum. Kurz nach Ende des Ersten Weltkrieges verstarb er an seiner letzten Wirkungsstätte.
Weitere Informationen:
Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 411f.
Thea Altaras, Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945?, Königstein i.Ts. 1988, S. 53/54
Otto Meyer, Die Juden in Hessen / Die Juden in Jesberg, in: Chronik der Gemeinde Jesberg aus Anlaß der 750-Jahrfeier (1241-1991), Hrg. Gemeinde Jesberg 1991, S. 123 - 139
Studienkreis Deutscher Widerstand (Hrg.), Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 – 1945, Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel, 1995 S. 177
Jesberg mit Densberg, in: alemannia-judaica.de (mit zahlreichen personenbezogenen Dokumenten zur jüdischen Gemeindehistorie)
Thomas Schattner (Red.), Die Reise zu den Wurzeln: Familie Rundell will Stolpersteine in Jesberg finanzieren, in: "HNA - Hessische Niedersächsische Allgemeine" vom 11.7.2024