Hüttengesäß (Hessen)

https://de-academic.com/pictures/dewiki/75/Kreis_Salm%C3%BCnster.jpg Bildergebnis für main-kinzig-kreis ortsdienst karte Hüttengesäß ist seit 1972 ein Ortsteil der Kommune Ronneburg im Main-Kinzig-Kreis - ca. 20 Kilometer nordöstlich von Hanau bzw. wenige Kilometer östlich von Nidderau bzw. südlich von Büdingen gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905 ohne Eintrag von Ronneburg/Hüttengesäß, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Main-Kinzig-Kreis', aus: ortsdienst.de/hessem/main-kinzig-kreis).

 

In Hüttengesäß bildete sich vermutlich erst zu Beginn des 19.Jahrhunderts (andere Angabe: schon gegen Ende des 18.Jahrhunderts) eine kleine jüdische Kultusgemeinde. Die Wohnhäuser der Familien waren im gesamten Dorf verteilt. Die Familienvorstände waren als Händler/Kaufleute tätig; einige eröffneten nach 1850 kleine Läden am Ort; so gab es hier z.B. von 1904 bis 1914 eine von einer jüdischen Familie betriebene Bäckerei.

Im Obergeschoss eines älteren Fachwerkhauses in der Schulstraße war seit ca. 1820 der kleine Betraum untergebracht; neben zwölf Männer- waren acht Frauenplätze vorhanden. Zwei Schulräume und vermutlich auch die Lehrerwohnung befanden sich im Parterre, eine Mikwe war im Keller untergebracht.

                         aus der ZeitschriftDer Israelit“ vom 12. April 1934

Zeitweilig war zur Besorgung religiös-ritueller gemeindlicher Aufgaben ein Lehrer angestellt; aber auch Gemeindeangehörige übten ehrenamtlich die Vorbetertätigkeit aus, so über viele Jahre hinweg der Kaufmann Josef Blumenthal, in dessen Nachruf seine Verdienste für die Gemeinde gewürdigt wurden.

                aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 7. Februar 1929

Den jüdischen Kindern erteilte später ein „Wanderlehrer“ Religionsunterricht.

Verstorbene Gemeindeangehörige wurden auf dem israelitischen Friedhof in Langenselbold begraben.

Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Hanau.

Juden in Hüttengesäß:

--- um 1830 ................... ca. 30 Juden,

--- 1861 .......................... 38   “  ,

--- 1871 .......................... 42   “  (ca. 4% d. Bevölk.),

--- 1885 .......................... 50   “  ,

--- 1895 .......................... 54   “  ,

--- 1905 .......................... 45   “  (in 11 Familien),

--- 1924 .......................... 49   “  ,

--- 1933 .......................... 34   “  (in 10 Familien),*   *andere Angabe: 47 Pers.

--- 1938 .......................... 23   “  ,

         (Dez.) ...................  5   “  ,

--- 1939 (Dez.) ...................  keine.

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 405/406  

und               Hüttengesäß, in: alemannia-judaica.de

 

1900/1930 gehörten der Gemeinde etwa zehn bis zwölf Familien an; 1938 sollen in Hüttengesäß noch 23 jüdische Bewohner gelebt haben; weil sie hier bald keine Existenzgrundlage mehr besaßen, verzogen sie (fast) ausnahmslos nach Frankfurt/Main, wo sich ihre Spuren dann verlieren.

In der Pogromnacht wurde der Betraum der Hüttengesäßer aufgebrochen, die Einrichtung zerstört, geplündert und anschließend öffentlich verbrannt. Das Synagogengebäude kam in den Besitz einer „arischen“ Familie, die es zu Wohnzwecken umbaute; das Gebäude ist bis heute als Wohnhaus erhalten.

Als letzter jüdischer Bewohner hatte Josef Hamburger mit seiner Familie Mitte März 1939 den Ort verlassen, nachdem er noch zuvor den Verkauf des Synagogengebäudes abgewickelt hatte.

Insgesamt 15 Hüttengesäßer Juden gelang die Emigration in verschiedene, meist außereuropäische Länder.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden insgesamt 27 gebürtige bzw. längere Zeit am Ort ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/huettengesaess_synagoge.htm)

 

2012 wurden in Hüttengesäß in einer ersten Aktion an zwei Stellen (Schul- u. Kirchstraße) sog. „Stolpersteine“ verlegt; 2014 bzw. 2017 kamen an anderen Stellen weitere hinzu.

                        http://www.ronneburghistory.de/documents/Archiv/juedische-geschichte/2014g.jpg http://alemannia-judaica.de/images/Images%20329/Ronneburg%20Stolpersteine%20121.jpg

Stolpersteine“ für die Familie Heß, Langstraße  und für Fam. Frank, Schulstraße (aus: ronneburghistory.de)

vgl. auch:  Altwiedermus (Hessen)

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 405/406

Thea Altaras, Synagogen in Hessen - Was geschah seit 1945 ? Verlag K.R.Langewiesche Nachfolger Hans Köster, Königstein/T. 1988, S. 152 ff.

Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 - 1945, Hessen I: Regierungsbezirk Darmstadt, VAS-Verlag, Frankfurt/M. 1995, S. 215 f.

Hüttengesäß, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Juden in Ronneburg-Hüttengesäß, Hrg. Geschichts- und Heimatverein Ronneburg e.V., 2014 (online abrufbar unter: ronneburghistory.de/archiv)

Stolpersteine in Ronneburg – Hüttengesäß und Altwiedermus, online abrufbar unter: ronneburghistory.de/Juden/Stolpersteine.htm