Hagenbach (Rheinland-Pfalz)

Datei:Rhineland-Palatinate, administrative divisions - de - colored.svg Datei:Hagenbach.pngHagenbach Schilder Hagenbach ist eine Kleinstadt mit derzeit ca. 5.500 Einwohnern im Süden des Landkreises Germersheim/Rheinland-Pfalz - ca. zehn Kilometer westlich von Karlsruhe - und Verwaltungssitz der gleichnamigen Verbandsgemeinde (Landkreise in Rheinland-Pfalz mit LK Germersheim im äußersten SO, TUBS 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0  und  Kartenskizze 'Landkreis Germersheim', R. 2008, aus: wikipedia.org, gemeinfrei).

 

Die Wurzeln einer jüdischen Gemeinde in der Freien Reichsstadt Hagenbach liegen um 1740/1750, als zwei jüdische Familien sich hier niederließen; eine Gemeinde konstituierte sich erst im 19. Jahrhundert. Als in den ersten Jahrzehnten nach 1800 die Zahl der jüdischen Bewohner Hagenbachs stetig zunahm, richtete man einen Betsaal, danach ein Synagogengebäude in der Theresienstraße ein. Als der abseits gelegene Bau marode geworden war, beschloss die Gemeinde einen Neubau, der weitestgehend durch eine Kollekte im gesamten Rabbinatsbezirk finanziert wurde. Im Mai 1885 weihte dann die israelitische Gemeinde ihr neues Gotteshaus in der Ludwigstraße ein; in diesem fanden 70 Männer und 50 Frauen auf der Empore Platz.

Nachdem die Thorarollen von der alten zur neuen Synagoge getragen worden waren, hielt der Bezirksrabbiner Dr. Grünebaum die Weiherede, in der er u.a. sagte:

...und wahrlich meine Freunde, schon durch die Wiederherstellung dieses Gotteshauses und die Opfer, die Ihr dafür gebracht habt und weiterhin bringt, habt Ihr ja den Beweis geliefert, daß Ihr Sinn für das Höhere habt. Aber eben dieses, das Gotteshaus selbst, der Gottesdienst, der in ihm stattfindet, muß fortwährend Mahnung sein, das Auge von der Erde zum Himmel empor zu richten, es muß fortwährend die Worte des Erzvaters Euch ins Gedächtnis rufen: ‘Wie heilig ist dieser Ort’; nicht anders, es ist ein Haus Gottes und das ist die Pforte des Himmels.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images37/Hagenbach%20082.jpg Neben der Synagoge befand sich das Schulhaus der Kultusgemeinde (hist. Aufn. aus: H. Dreizehnter, Hagenbach - Stationen seiner reichen Geschichte), das um 1830 errichtet und bis in die Weimarer Zeit als Konfessionsschule genutzt wurde. Der Lehrer war zugleich Vorbeter in der Synagoge und Schächter der Gemeinde.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2088/Hagenbach%20Israelit%2016091885.jpg Stellenausschreibung in der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 16.9.1885

Zu den gemeindlichen Einrichtungen gehörte auch eine Mikwe in der Ludwigstraße, die bis gegen 1900 in Nutzung war.

Der jüdische Friedhof in Hagenbach wurde neben dem kommunalen Friedhof in den „Mühlwörthgärten“ erst gegen Ende der 1860er Jahre angelegt; in den Zeiten zuvor fanden verstorbene Hagenbacher Juden ihre letzte Ruhe in Essingen und Ingenheim, seit 1826 dann auf dem jüdischen Verbandsfriedhof in Rülzheim.

Die Gemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat Landau.

  Juden in Hagenbach:

         --- 1743 ..........................   2 jüdische Familien,

    --- 1808 ..........................  24 Juden,

    --- 1827 ..........................  47   “  ,

    --- 1852 .......................... 123   “  (in 25 Familien)

    --- 1875 .......................... 151   “  (ca. 8% d. Dorfbev.),

    --- 1900 ..........................  88   “  ,

    --- 1932 ..........................  36   “  ,

    --- 1937 ..........................  21   “  ,

    --- 1938 ..........................  15   “  ,

    --- 1940 ..........................   ?   “  .

Angaben aus: Karl Fücks/Michael Jäger, Synagogen der Pfälzer Juden, S. 93

 

       Ak Hagenbach Rheinland Pfalz, Kath. Kirche, Pfarrhaus, Schule, Ludwigstraße, Denkmalsplatz hist. Postkarte (Abb.aus: akpool.de)

Ihren zahlenmäßigen Höchststand erreichte die Zahl der Gemeindeangehörigen gegen Mitte des 19.Jahrhunderts. Neben dem Viehhandel verdienten die Hagenbacher Juden ihren Lebensunterhalt im Handel mit Landesprodukten und im Handwerk als Metzger und Bäcker. Zu Beginn der NS-Zeit lebten in Hagenbach nur noch wenige jüdische Familien.

Während des Novemberpogroms setzten einheimische und aus Nachbarorten stammende NSDAP-Angehörige das Synagogengebäude in der Ludwigsstraße in Brand, wobei die Inneneinrichtung völlig vernichtet wurde. Versuche einiger Einheimischer, das Feuer zu löschen, wurden abgewehrt. Das zerstörte Gebäude wurde wenig später abgerissen

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden 35 aus Hagenbach stammende bzw. längere Zeit hier ansässig gewesene Juden Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/hagenbach_synagoge.htm).

 

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2036/Hagenbach%20Friedhof%20151.jpg Auf dem jüdischen Friedhof, der während der NS-Zeit völlig zerstört und weitestgehend abgeräumt wurde (nach 1945 wurde das Gelände dann eingeebnet), erinnert seit den 1970er Jahren ein großer granitener Gedenkstein an die Angehörigen der einstigen Kultusgemeinde von Hagenbach (Aufn. J. Hahn, 2003); der Findling trägt die Inschrift:

Den hier ruhenden jüdischen Mitbürgern zum ewigen Gedenken

Die Gemeinde Hagenbach

 

 

 

Weitere Informationen:

Albert Dörr, Ortschronik von Hagenbach (‘Juden im 19. u. 20.Jahrhundert’), in: Festschrift zum 50jährigen Stiftungsfest des Gesangsvereins Frohsinn Hagenbach, 1957, S. 11 - 23

Karl Fücks/Michael Jäger, Synagogen der Pfälzer Juden. Vom Untergang ihrer Gotteshäuser und Gemeinden, Eigenverlag 1988, S. 92/93

Hermann Dreizehnter, Hagenbach - Stationen seiner reichen Geschichte, Hagenbach 1999, S. 757 - 772

Hagenbach (Kreis Germersheim), in: alemannia-judaica.de

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels”. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 177

Otmar Weber, Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute. Unter besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südwestpfalz, Hrg. Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz (Landau), Dahn 2005, S. 83/84