Heidelsheim (Baden-Württemberg)

 Bildergebnis für Eppingen Kraichgau karteHeidelsheim ist heute ein Stadtteil von Bruchsal - etwa 20 Kilometer nördlich von Karlsruhe bzw. 35 Kilometer südlich von Heidelberg gelegen (Ausschnitt aus topografischer Karte aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Stadtteile von Bruchsal', M. Reithäusler 2011, aus: wikipedia.org, CC BY 2.0).

ein Bild

Heydelsheim (Heidelsheim) – Kupferstich aus "Palatinatus Rheni", M. Merian um 1655 (Abb. aus: badischewanderungen.de/Heidelsheim)

 

Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts war nahezu jeder 10. Ortsbewohner jüdischen Glaubens.

Erste Ansiedlung einer jüdischen Familie in der Freien Reichsstadt Heidelsheim ist aus dem Jahre 1375 belegt. Im Laufe des 16.Jahrhunderts soll sich hier unter dem Schutz der pfälzischen Herrschaft eine kleine jüdische Gemeinde gebildet haben, die ihre Wohnquartiere in der 1555 zum ersten Male erwähnten "Judengasse" hatte; diese war seit 1581 durch das "Judentor" abgeschlossen. Vermutlich gab es auch von Anfang an eine Synagoge und ein rituelles Bad am Saalbach.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20220/Heidelsheim%20Synagoge%20180.jpg     

Bauentwurfsskizze (Abb. aus: GLA Karlsruhe)   und   Synagogengebäude auf dem Kanzelberg - Skizze (Abb. aus: heidelsheim.de)

Gegen Ende des 18.Jahrhunderts vergrößerte sich durch Zuzüge weiterer Familien die jüdische Gemeinde, deren Angehörige umj 1780 mit ca. 60 Personen etwa 5% der Ortsbevölkerung stellten.

In ihrer Blütezeit gegen Mitte des 19.Jahrhunderts ließ die Kultusgemeinde im Kanzelberg ein Synagogengebäude errichten, dem auch eine Mikwe angeschlossen war. Eine jüdische Schule soll sich in der Zehntgasse befunden haben; nach 1860 wurde diese in die Markgrafenstraße verlegt.

                          Anzeige in der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 24.12.1889

Verstorbene bestattete man auf dem 1637 angelegten Obergrombacher Verbandsfriedhof am Waldrand des Eichelberges. Dieses Gelände diente zahlreichen jüdischen Gemeinden aus der Umgebung als Begräbnisstätte, u.a. auch Bruchsal, Ober- und Untergrombach, Jöhlingen, Mingolsheim, Östringen, Bretten, Diedelsheim, Weingarten, Durlach, Graben, Grötzingen, Pforzheim. Verstorbene der genannten Gemeinden fanden hier so lange ihre letzte Ruhe, bis an einigen dieser Orte eigene Friedhöfe angelegt wurden. Der Obergrombacher Friedhof wurde in der NS-Zeit zum Großteil „abgeräumt“.

Seit 1827 gehörte die Kultusgemeinde zum Rabbinatsbezirk Bruchsal.

Juden in Heidelsheim:

         --- 1722 .........................   4 jüdische Familien,

    --- 1743 .........................   5     “       “    ,

    --- 1775 .........................  60 Juden,

    --- 1797 .........................  89   “   (in 21 Familien),

    --- 1820 ......................... 139   “  ,

    --- 1839 ......................... 192   “   (ca. 8,5% d. Bevölk.),

    --- 1849 ......................... 175   “  ,

    --- 1875 ......................... 158   “  ,

    --- 1900 .........................  38   “  ,

    --- 1910 .........................  18   “  ,

    --- 1925 .........................   9   “  ,

    --- 1933 .........................   6   “  ,

    --- 1942 .........................   keine.

Angaben aus:  Jürgen Stude, Geschichte der Juden im Landkreis Karlsruhe, Karlsruhe 1997, S. 24 und S. 341

 

Die jüdischen Bewohner bestritten ihren Lebensunterhalt vor allem im Handel, aber auch im Handwerk.

In den Jahren 1819, 1830/33 und 1846 kam es in Heidelsheim zu antijüdischen Übergriffen. Im Gefolge der Revolutionswirren konnte im Februar 1848 ein "Judensturm" nur durch den Einsatz von Militär gestoppt werden.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20220/Muellheim%20AZJ%2020031848.jpgAus einem Artikel der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20.3.1848

Auf Grund dieser Vorfälle und der sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage wanderten seit den 1860er Jahren die Heidelsheimer Juden vermehrt ab, vor allem in die größeren Wirtschaftszentren Mannheim, Frankfurt/M. und Bruchsal. Diese Abwanderung führte schließlich 1925 zur endgültigen Auflösung der Kultusgemeinde; die wenigen verbliebenen Juden besuchten nun Gottesdienste in Bruchsal. Im gleichen Jahre wurde das Synagogengebäude profaniert und an die Kommune verkauft, die es nun zu Schulzwecken umbauen ließ. Später wurde das Gebäude als Wohnhaus genutzt. Zum Zeitpunkt der NS-Machtübernahme lebten nur noch sechs jüdische Einwohner in Heidelsheim; derzeit existierte nur noch ein einziger Gewerbebetrieb, nämlich die Viehhandlung von Emanuel Maier.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yadvashem/Jerusalem sind 17 gebürtige Heidelsheimer Juden Opfer der NS-Gewaltherrschaft geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/heidelsheim_synagoge.htm).

 

Eine Erinnerungstafel am Platz des ehemaligen "Judentores" hält die Erinnerung an das einstige jüdische Wohngebiet Heidelsheims wach.

Gedenkstein in Heidelsheim Auf dem Kirchplatz steht ein von einer hiesigen Jugendgruppe erstellter Memorialstein, dessen Doublette auf dem Areal des zentralen Deportations-Mahnmals in Neckarzimmern zu finden ist (Abb. aus: mahnmal-neckarzimmern.de).

Im Zuge der 6.Stolpersteinverlegung in Bruchsal (Febr. 2020) wurden im Stadtteil Heidelsheim die ersten beiden sog. "Stolpersteine" ins Gehwegpflaster eingelassen; sie erinnern in der Merianstraße an das jüdische Ehepaar Emanuel und Ida Maier.

                                Datei:Stolperstein Emanuel Maier Bruchsal.jpgDatei:Stolperstein Ida Maier Bruchsal.jpg – Wikipedia Aufn. G., 2021, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0

In den 1960er Jahren existierte in Heidelsheim ein jüdisches Alten- und Pflegeheim.

 

 Im Jahre 1845 wurde Salomon Carlebach in Heidelsheim als Sohn des Viehhändlers Joseph Zwi Carlebach und dessen Frau Cilly geb. Stern geboren. Nach dem Besuch der jüdischen Schule am Ort legte er am Gymnasium in Bruchsal sein Abitur ab (1865). Nach einem Studium in Würzburg, Berlin und Tübingen, wo er zum Doktor der Philosophie promovierte, erlangte er sein Rabbinerdiplom und wurde 1870 zum Rabbiner der israelischen Gemeinde zu Lübeck gewählt. - Neben seinem Rabbineramt war Salomon Carlebach auch als Lehrer und Politiker tätig; fast zwei Jahrzehnte gehörte er als Abgeordneter der Lübecker Bürgerschaft an; seine deutsch-nationale Gesinnung vertrat er öffentlich. 1919 erlag Salomon Carlebach einem Schlaganfall; er wurde auf dem Friedhof Moisling bei Lübeck beerdigt.

 

Auch in anderen Stadtteilen Bruchsals gab es kleine jüdische Gemeinden, so in Obergrombach und Untergrombach. 

[vgl. Untergrombach (Baden-Württemberg)]

[vgl. auch Bruchsal (Baden-Württemberg)]

 

 

 

Weitere Informationen:

F.Hundsnurscher/G.Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden - Denkmale, Geschichte, Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1968, S. 129/130

Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, S. 285

Jürgen Stude, Geschichte der Juden im Landkreis Karlsruhe, Hrg. Landsratsamt Karlsruhe, Karlsruhe 1997, S. 341 f.

Steffen Maisch, Das jüdische Schulwesen in Heidelsheim im 19. Jahrhundert, in: "Badische Heimat", Heft 2/2002

Heidelsheim, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Jürgen Stude, Geschichte der Juden in Bruchsal, in: "Veröffentlichungen zur Geschichte der Stadt Bruchsal", Band 23, Verlag Regionalkultur, 2007

Heike Schwitalla (Red.), Stolpersteine in Heidelsheim und Helmsheim verlegt – Gedenken an die Opfer des Faschismus, in: „Wochenblatt Bruchsal“ vom 11.2.2020

Stadtverwaltung Bruchsal (Hrg.), Gedenkschrift zur sechsten Stolpersteinverlegungen in Bruchsal - Stadtteil Heidelsheim am 11.2.2020, online abrufbar unter: yumpu.com/de/document/read/63077107/gedenkschrift-stolpersteine-heidelheim-und-heidelsheim (mit biografischen Daten)