Heidenheim a.d. Brenz (Baden-Württemberg)

Free Imperial City of Giengen.jpgDatei:Heidenheim an der Brenz in HDH.svg Heidenheim an der Brenz – eine Stadt mit derzeit ca. 50.000 Einwohnern (incl. Eingemeindungen) an der Grenze zu Bayern - liegt etwa 35 Kilometer nördlich von Ulm (Ausschnitt aus hist. Karte von 1801, L., 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0 und Kartenskizze 'Landkreis Heidenheim', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Die kleine jüdische Gemeinschaft Heidenheims war der Kultusgemeinde Ulm angeschlossen.

Aus der Mitte des 17.Jahrhunderts liegen erste urkundliche Hinweise über die Existenz von Juden in Heidenheim vor; danach sollen sie im Wirtschaftsleben Heidenheims eine relativ große Rolle gespielt haben.

Heidenheim (Haydenheim) – Stich M. Merian, um 1655 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Doch in der Folgezeit schien es kaum mehr jüdische Ansässigkeit gegeben zu haben; erst gegen Mitte des 19.Jahrhunderts lebten wieder einige jüdische Familien am Ort.

Juden in Heidenheim:

         --- um 1850 ......................... wenige jüdische Familien,

    --- 1900 ............................   6 jüdische Familien,

    --- 1933 ............................   8     “       “    ,

    --- 1935 ............................   7     “       “    ,

    --- 1942 (Dez.) .....................  keine.

Angaben aus: Gerhard Schweier, Die Heidenheimer Juden

 

Die Juden Heidenheims verdienten ihren Lebensunterhalt zu Beginn der 1930er Jahren im Einzelhandel.

Der reichsweit durchgeführte Boykott jüdischer Geschäfte am 1.4.1933 verlief in Heidenheim wenig spektakulär ab. Zwei Jahre begann die Ausgrenzung der Juden durch die städtischen Behörden: so wurde kommunalen Beamten jeglicher Umgang mit Juden verboten und der Viehhandel mit Juden untersagt. Auch das Stadtbad blieb jüdischen Besuchern versperrt.

Im Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 6.10.1938 hieß es: „... Der Oberbürgermeister stellt fest, daß das Heidenheimer Geschäftsleben demnächst judenfrei sein wird.” Zu ersten Gewalttätigkeiten kam es in Heidenheim im Gefolge des Pogroms vom November 1938: Juden wurden tätlich angegriffen, mehrere Fensterscheiben eingeschlagen. Einige jüdische Männer wurden ins KZ Dachau überstellt; dort kamen sie nach einigen Wochen wieder frei.

Von den Heidenheimer Juden gelang 20 die Emigration, zehn wurden deportiert. Nur eine einzige der Deportierten überlebte und kehrte im Sommer 1945 aus Theresienstadt zurück.

Der Hauptverantwortlich für die Ausschreitungen während des Novemberpogroms, der ehem. Führer des SA-Sturms in Heidenheim, Hanns Burkhardt, musste sich 1947 einem Spruchkammerverfahren stellen; zunächst zu fünf Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurde seine Strafe dann erheblich reduziert; er war 1949 bereits wieder auf freiem Fuß.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in Heidenheim zwei DP-Lager eingerichtet, und zwar das eine in der ehemaligen Polizeischule (auf deren Gelände das ehem. KZ-Außenlagers) und das andere ab Oktober 1945 in der Voith-Siedlung, die von der deutschen Bevölkerung vollkommen geräumt werden musste; dabei mussten die Wohnhäuser komplett eingerichtet und benutzbar hinterlassen werden. Bei den Displaced Persons handelte es sich vor allem um polnische, ab 1946 dann fast nur noch um jüdische DPs. Die Lager, in denen zeitweise bis zu 2.600 Personen lebten, wurden im August 1949 geschlossen.

                 

  In der Nähe des Rathauses erinnert seit 1985 eine Gedenktafel mit folgendem Text an die Opfer des NS-Regimes:

Die Stadt Heidenheim gedenkt ihrer Bürger,

die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933 - 1945 ihr Leben lassen mußten.

 

2006 wurden die ersten sechs sog. „Stolpersteine“ in Heidenheim verlegt; 2009 bzw. 2013 folgten weitere, die an das Schicksal jüdischer Bewohner erinnern.

Stolperstein Arthur Jenny Wilhelm Metzger Hauptstr 36 89522 Heidenheim 2.jpg Stolperstein Hans Hugo Rosalie Jontofsohn Am Jagdschloessle 31 89520 Heidenheim 2.jpg

Stolpersteine“ in der Hauptstr. und am Jagdschlössle (Aufn. Thilo Barg, in: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

Seit Ende der 1990er Jahre leben wieder Juden aus Ländern der ehem. UdSSR in und um Heidenheim; sie werden von der Ulmer Gemeinde betreut.

 

 

In Giengen a.d.Brenz - wenige Kilometer südöstlich von Heidenheim - waren vom 14. bis 16.Jahrhundert Juden ansässig.

 

 

Weitere Informationen:

Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale - Geschichte - Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1966

Gerhard Schweier, Die Heidenheimer Juden, in: J.Bohnert/H.Kleinschmidt (Hrg.), Heidenheim zwischen Hakenkreuz und Heidenkopf. Eine lokale Dokumentation zur Nazi-Zeit, Heidenheim 1983, S. 79 ff.

Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988

A.Königseder/J.Wetzel, Lebensmut im Wartesaal - Die jüdischen DPs im Nachkriegsdeutschland, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M. 1994, S. 249

Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 190

Holger Köhn, Heidenheim. Das Lager Voithsiedlung, in: ders., Die Lage der Lager. „Displaced Persons“- Lager in der amerikanischen Besatzungszone Deutschlands, Klartext-Verlag, Essen 2012

Auflistung der in Heidenheim (und Kreis) verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_im_Landkreis_Heidenheim

Alfred Hoffmann (Red.), Pogromnacht in Heidenheim: als die Hilferufe verhallten, in: „Heidenheimer Zeitung“ vom 9.11.2018