Heilsberg/Ermland (Ostpreußen)

 Kreis Heilsberg - Wikiwand Die an der Nordgrenze des Ermlandes gelegene Stadt Heilsberg besaß Stadtrechte seit 1308 und war über mehrere Jahrhunderte der Sitz des Fürstbischofs von Ermland. Beim Einmarsch der Roten Armee (Jan. 1945) blieb die Stadt unzerstört, ging aber wenige Tage später in Flammen auf, wobei fast die Hälfte der Bausubstanz vernichtet wurde. Das heutige Lidzbark Warmínski mit derzeit ca. 16.000 Einwohnern gehört der Woiwodschaft Olsztyn/Allenstein an (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: wikiwand.com/de/Kreis_Heilsber  und  Kartenskizze 'Polen' mit Lidzbark Warmínski rot markiert, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/05/Lidzbark_panorama1.gifHeilsberg im 18.Jahrhundert (aus: commons.wikimedia.org, CCO)

 

Allererste Hinweise auf jüdisches Leben in bzw. um Heilberg stammen bereits aus der Zeit um 1500.

Seit Beginn des 18.Jahrhunderts standen wenige jüdische Familien unter dem Schutz des Fürstbischofs und durften in Heilsberg dauerhaft leben. Als das Fürstbistum im Rahmen der 1.Teilung Polens (1772) an Preußen fiel, wohnten in Heilsberg nur noch zwei Schutzjuden. Doch durch jüdische Zuwanderung vor allem aus Westpreußen entstand hier die erste jüdische Gemeinde des Ermlandes überhaupt. Gottesdienstliche Zusammenkünfte fanden anfänglich in einem angemieteten Raume statt; später richtete die größer gewordene Gemeinde ihre Synagoge in der Fleischerstraße ein.

Zu Beginn des 19.Jahrhunderts nahm die kleine jüdische Gemeinschaft ihren (ersten) Friedhof in Nutzung, der bereits Jahrzehnte später durch ein anderes Areal ersetzt wurde: Der neue Friedhof der Heilsberger Juden lag in einem Wäldchen am östlichen Ortsrand; die verstorbenen Gemeindeangehörigen wurden von der Chewra Kadischa zur letzten Ruhe begleitet.

Juden in Heilsberg:

    --- 1812 .........................  21 Juden,

    --- 1825 .........................  87   “  ,

    --- 1840 ......................... 120   “  ,

    --- 1849 ......................... 137   “  ,

    --- 1858 ......................... 149   "  ,

    --- 1871 ......................... 164   “  ,

    --- 1885 ......................... 135   “  ,

    --- 1890 ......................... 112   "  ,

    --- 1895 ......................... 109   “  (ca. 2% d. Bevölk.)

    --- 1905 .........................  88   “  ,

    --- 1925 .........................  45   “  ,

    --- 1933 (Juni) ..................  34   “  ,

    --- 1935 .........................  28   “  ,

    --- 1939 .........................  10   “  .

Angaben aus: Aloys Sommerfeld, Juden im Ermland - Ihr Schicksal nach 1933, S. 94

 

In der Mehrzahl waren die Juden Heilsbergs gut situiert; einige können als sehr wohlhabend bezeichnet werden. Über das Zusammenleben in der Stadt schrieb Curt Rosenberg: ... Das Leben in dieser Kleinstadt war fast wie in einer großen Familie. Es bestand wahre Toleranz zwischen den drei Religionen. Gewiß, es gab zwischen den beiden christlichen Konfessionen zuweilen Spannungen, aber niemals Feindschaft. Die Juden wurden von beiden Seiten als völlig gleichberechtigt behandelt.” (aus: Bilder aus einem Leben - Erinnerungen eines ostpreußischen Juden, Würzburg 1962)

  Lange Straße (hist. Postkarte um 1900, aus: wikipedia.org, CCO) Heilsberg, Ostpreußen - Lange Straße (Zeno Ansichtskarten).jpg 

Heilsberg Hussarendenkmal.jpg Marktplatz um 1925 (hist. Aufn., aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei)

 

Gegen Ende des 19.Jahrhunderts wanderten zunehmend Juden ab, und die Zahl der Gemeindeangehörigen ging innerhalb weniger Jahrzehnte auf ein Drittel zurück; zu Beginn der NS-Zeit lebten nur noch wenige Familien in Heilsberg.

In der Pogromnacht wurde die Inneneinrichtung der Synagoge geplündert, anschließend das Gebäude in Brand gesetzt. Ein jüdisches Ehepaar wurde angeschossen und kam in den Flammen ums Leben. NSDAP-Schlägertrupps drangen in Wohnungen und Geschäfte ein und demolierten deren Inneneinrichtungen; jüdische Bewohner wurden gedemütigt, einige verschleppt.

Bis Ende der 1930er Jahre hatten fast alle jüdischen Bewohner die Stadt verlassen; die meisten waren in die Emigration gegangen.

 

 

 

Weitere Informationen:

A. Peter, Die Stadt Heilsberg, o.O. 1900

G. Wolf, Führer durch die Stadt Heilsberg, Heilsberg 1929

Curt Rosenberg, Bilder aus einem Leben - Erinnerungen eines ostpreußischen Juden*, Würzburg 1962  (* Im Mittelpunkt der Darstellung stehen dessen Kinder- und Jugendjahre in Heilsberg)

Aloys Sommerfeld, Juden im Ermland - Ihr Schicksal nach 1933, in: "Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands", Beiheft 10/1991, Münster 1991, S. 93 - 99

Aloys Sommerfeld, Juden im Ermland, in: M.Brocke/M.Heitmann/H.Lordick (Hrg.), Zur Geschichte und Kultur der Juden in Ost- und Westpreußen, Georg Olms Verlag, Hildesheim/u.a. 2000, S. 87 ff.

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 507 

Robert Kolatzek, Heilsberg, online abrufbar unter: heilsberg.org (darin: Geschichte von Heilsberg)

Julius Seelig – eine Hörbiographie aus dem Raum der Namen, in: holocaust-denkmal-berlin.de

Agnieszka Pędrak (Red./Übersetzung), Lidzbark Warmínski, in: sztetl.org.pl

Jews in East Prussia – History and Culture Society (Hrg.), Friedhof Lidzbark Warminski – Heilsberg, online abrufbar unter: jewsineastprussia.de/de/cemetery-lidzbark-warminski-heilsberg/