Heimerzheim (Nordrhein-Westfalen)

Datei:Kreis Euskirchen 1905.jpg – Wikipedia Datei:Swisttal in SU.svg Das ca. 20 Kilometer westlich von Bonn bzw. nordöstlich von Euskirchen gelegene Heimerzheim ist mit derzeit ca. 6.600 Einwohnern größte Ortschaft der Kommune Swisttal im Rhein-Sieg-Kreis (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905 ohne Eintrag von Heimerzheim, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Rhein-Sieg-Kreis', TUBS 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Angeblich soll Heimerzheim - neben Siegburg und Königswinter - zu den ältesten, im 13.Jahrhundert entstandenen "Judensiedlungen" im heutigen Rhein-Sieg-Kreis zählen. So sollen vermutlich im Jahre 1349 aus Köln vertriebene Juden hierher gekommen sein. Konkrete urkundliche Hinweise auf jüdisches Leben im Dorfe stammen allerdings erst aus der Zeit nach 1660; dabei handelte es sich stets um sehr wenige Familien. Ursprünglich wohnten sie im alten Ortszentrum: in der Kirchstraße, an der heutigen Kölner Straße und dem „Juddegässche“, dem späteren Petersdorfgässchen, seit dem beginnenden 19.Jahrhundert dann im ganzen Dorf verstreut. (Anmerkung: Die frühere „Judengasse“ wurde nach 1945 überbaut.)

Anfänglich gehörten die Juden aus Heimerzheim der Bornheimer Kultusgemeinde an; ab 1847 wurden sie der Spezialsynagogengemeinde Rheinbach zugewiesen; dort suchten sie auch die Synagoge auf. 1876 lösten sie sich von der Rheinbacher Gemeinde und bildeten in den nächsten Jahrzehnten eine autonome Gemeinde.

Ihren Betraum besaß die winzige Gemeinde in einem Privathaus in der Ballengasse, von 1908 bis 1924 in einem alten Fachwerkhaus in der Kirchstraße. Als dieses wegen Baufälligkeit abgerissen wurde, richtete man keinen neuen Betsaal mehr ein, da inzwischen die Zahl der jüdischen Bewohner in Heimerzheim zurückgegangen war. Zeitweilig gab es im Dorf auch eine jüdische Schule.

Anfang der 1820er Jahre erhielt die Heimerzheimer Judenschaft für die Anlage eines eigenen Friedhofs von der Ortsherrschaft ein Stück Land (am heutigen Dornbuschweg) geschenkt; fortan brauchte man Verstorbene nicht mehr über den schmalen „Judenpfad“ nach Bornheim zu bringen.

Juden in Heimerzheim:

          --- um 1800 .........................   ?

    --- 1852 ............................ 40 Juden,

    --- 1871 ............................ 36   “  ,

    --- um 1900 ..................... ca. 40   "  ,

    --- 1910 ............................  6 Familien,

    --- 1932 ............................ 12 Juden,

    --- 1938 ............................ 17   “  ,

    --- 1939 ............................ 12   "  ,

    --- 1942 (Dez.) .....................  keine.

Angaben aus: Die jüdische Glaubensgemeinschaft, in: 900 Jahre Heimerzheim 1074 – 1974. Festschrift 1974, S. 143

 

Zu Beginn des 20.Jahrhunderts lebten im Dorf noch sechs jüdische Familien, die ihren Unterhalt vom Vieh- und Einzelhandel bestritten. Sie sollen zu diesem Zeitpunkt in die dörfliche Gemeinschaft voll integriert gewesen sein.

In den Novembertagen 1938 blieben die ortansässigen Juden noch vor Belästigung und Plünderung verschont. Im Jahre 1942 wurden die im Dorf verbliebenen Juden - zwei Familien war die Emigration in die USU bzw. nach Argentinien gelungen – nach Bonn-Endenich verbracht, wo sie im geräumten Kloster „Zur Ewigen Anbetung“ bis zu ihrer Deportation interniert blieben. Zwölf jüdische Bewohner Heimerzheims wurden Opfer der „Endlösung“.

 

Nur ein einziger jüdischer Bewohner kehrte in den Nachkriegsjahren zurück und lebte bis zu seinem Tode als Viehhändler in Dünstekoven.

Den im Krieg verwahrlosten Friedhof mussten 1946 acht ortsbekannte ehemalige NSDAP-Angehörige wieder herrichten. Dabei wurden einige bereits abgeräumte und an einen Steinmetz in Bad Godesberg verkaufte Grabsteine wieder hierher gebracht und aufgestellt.

Jüd. Friedhof Heimerzheim (Aufn. H. Schneider, 2013, aus: wikipedia.org, CC BY 3.0)

Auf dem jüdischen Friedhof - auf dem Areal am Dornbuschweg sind noch zwölf Grabstellen mit zehn Epitaphen vorhanden - trägt ein 1981 aufgestellter schlichter Gedenkstein in deutscher und hebräischer Sprache die folgenden Worte:

„ ... Sie sagten: Kommt lasst uns sie vernichten,

ihr Volk ausmerzen und der Name Israel soll nie wieder erwähnt werden.“

(Psalmen, Kap. 83, Vers 5

Zum Gedenken an unsere jüdischen Bürger

                                                                                             errichtet von der Gemeinde Swisttal am 9.November 1981

Heimerzheim Jüdischer Friedhof (02).png Gedenkstein (Aufn. Hans Schneider, 2013, aus: commons.wikimedia.org, CC BY 3.0)

Mit einer 2019 aufgestellten Info-Tafel auf dem Jüdischen Friedhof wollen die privaten Initiatoren ein Zeichen setzen, dass die Verbrechen der NS-Zeit und ihre Opfer nicht vergessen sind. Bereits Ende 2015 wurden in der Heimerzheimer Kirchstraße sieben sog. „Stolpersteine“ verlegt, die an Angehörige zweier ermordeter jüdischer Familien (Moses und Steinhardt) erinnern sollen. 2020 wurde mit dem ins Gehwegpflaster eingelassenen Stein für Helena Münch geb. Meyer und mit der Verlegung weiterer sieben Steinquader (2024) die Aktion abgeschlossen.

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in der Kirchstraße (Aufn. Chr. Michelides, 2024, aus: wikipedia.org CC BY-SA 4.0)

Erinnerung an Helena Meyer: Letzter Stolperstein in Heimerzheim verlegt(Abb. aus: "General-Anzeiger")

 

 

 

Weitere Informationen:

Adolf Kober, Jüdische Siedlungen im Rheinland, hrg. vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz, Heft 1, Köln 1931

Die jüdische Glaubensgemeinschaft, in: 900 Jahre Heimerzheim 1074 – 1974. Festschrift 1974, S. 143/144

Norbert Zerlett, Juden in Heimerzheim, in: Heinrich Linn (Hrg.), Juden an Rhein und Sieg, Siegburg 1983, S. 346/347

Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein – Westfalen, Teil I: Regierungsbezirk Köln, Köln 1997, S. 562

Matthias Gerkum, Juden in Heimerzheim, Maschinenmanuskript, Heimerzheim 1999

Georg Schmidberger/Matthias Gerkum/u.a., Heimerzheim 1933 – 1945, hrg. vom Arbeitskreis Heimat, Heimerzheim 2005

Gerda Saxler-Schmidt (Red.), Gedenken an die acht NS-Opfer in Heimerzheim: Stolpersteine werden Im Dezember verlegt, in: „General-Anzeiger“ vom 22.7.2015

Gabriele von Törne (Red.), Stolpersteine für zwei jüdische Familien in Heimerzheim, in: „Bonner Rundschau“ vom 20.12.2015

Gerda Saxler-Schmidt (Red.), Friedhof Heimerzheim. Gedenktafel erinnert an jüdische Mitbürger, in: „General-Anzeiger“ vom 28.5.2019

Hans-Peter Fuss (Red.), Letzter Stolperstein in Heimerzheim verlegt - Erinnerung an Helena Meyer, in: „General-Anzeiger“ vom 11.12.2020

Auflistung der in Heimerzheim verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Swisttal

TT (Red.), Neue Stolpersteine in Heimerzheim – Wie die rheinische Frohnatur Jakob Schmitz den Nazi-Mördern entkam, in: „General-Anzeiger“ vom 25.4.2024