Herschberg (Rheinland-Pfalz)
Herschberg ist heute mit seinen derzeit ca. 800 Einwohnern ein Ortsteil der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Wallhalben im Landkreis Südwestpfalz - ca. zehn Kilometer nördlich von Pirmasens gelegen (hist. Karte der Rheinpfalz mit Besitzungen der Leininger Grafen, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Landkreis Südwestpfalz', Hagar 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).
Unter der Herrschaft der Leininger Grafen siedelten sich im 18.Jahrhundert jüdische Familien in Herschberg an; in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts bildeten die jüdischen Bewohner eine relativ große Gemeinde, die bisweilen mehr als 20% der gesamten Einwohnerschaft des Dorfes ausmachte.
Ein um 1815 urkundlich genannter Betraum wurde in den 1830er Jahren durch einen anderen in einem Gebäude in der Eckergasse ersetzt; im gleichen Hause befand sich auch die jüdische Schule, die bis in die 1860er Jahre bestanden haben soll. Als die Zahl der jüdischen Dorfbewohner bereits stark rückgängig war, realisierte die Gemeinde einen Synagogenneubau, der im September 1892 durch den Bezirksrabbiner aus Zweibrücken eingeweiht wurde.
Die Zeitschrift „Der Israelit” berichtete in ihrer Ausgabe vom 29.9.1892 über die Einweihung:
Hirschberg Pfalz Heute fand die Einweihung der neuen Synagoge unter großer Betheiligung von Seiten der Protestanten und auswärtigen Israeliten statt. Im stattlichen Zug begab man sich an das alte Gotteshaus, aus welchem die Thorahrollen geholt wurden. Herr Rabb. Dr. Mayer - Zweibrücken nahm in ergreifenden Worten Abschied und nun zog man zur neuen Synagoge. An der Thüre übergab ein Mädchen dem Rabbiner den Schlüssel; derselbe erklärte hierauf die Bedeutung des Wortes "Gotteshaus" und öffnete die Hallen. Nachdem alle Anwesenden sich versammelt hatten, wurde ein feierlicher Gottesdienst gehalten.
Im Synagogengebäude war auch das rituelle Bad eingerichtet.
Vermutlich seit Mitte des 18.Jahrhunderts verfügte die Judenschaft abseits des Dorfes über einen Friedhof, der in den Folgezeiten auch von umliegenden Ortschaften wie Höheinöd, Landstuhl, Saalstadt, Thaleischweiler oder Wallhalben mitgenutzt wurde.
Aufn. Gerd Eichmann, 2017, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0
Mit der benachbarten jüdischen Gemeinde in Oberhausen bestanden zeitweilig enge Verflechtungen; so gab es einen gemeinsamen Religionslehrer und Kantor. Allerdings war diese Stelle einem häufigen Wechsel unterworfen.
gemeindliche Stellenangebote aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 15.4.1868, 26.2.1879 und 20.7.1891
Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Zweibrücken.
Juden in Herschberg:
--- 1802 .......................... 50 Juden (ca. 10% d. Dorfbev.),
--- 1823 .......................... 135 “ (ca. 21% d. Dorfbev.),
--- 1835 ...................... ca. 150 “ ,
--- 1848 .......................... 170 “ (in 32 Familien),
--- 1861 .......................... 132 “ ,
--- 1875 .......................... 101 “ ,
--- 1890 .......................... 52 “ ,
--- 1900 .......................... 18 “ ,
--- um 1925 ....................... 3 “ ,
--- 1939 .......................... 2 “ .
Angaben aus: Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff, Synagogen. Rheinland-Pfalz und Saarland, S. 183
Abwanderungen von jüdischen Familien führten schließlich zur Auflösung der vormals relativ großen Gemeinde. Vermutlich wurde bereits seit 1905/1910 die Synagoge nicht mehr benutzt, da zum Gottesdienst kaum noch die notwendige Zahl von zehn religionsmündigen Männern erreicht wurde; das Synagogengebäude wurde verkauft und zu einem Wohnhaus umgebaut. Die sehr wenigen im Dorf verbliebenen Juden wurden der Kultusgemeinde Oberhausen-Wallhalben zugewiesen.
Das einzige noch in Herschberg lebende jüdische Ehepaar wurde im Oktober 1940 nach Gurs deportiert.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem sind 16 gebürtige bzw. länger in Herschberg ansässig gewesene jüdische Bürger Opfer der Shoa geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/herschberg_synagoge.htm).
1999 wurde das inzwischen baufällig gewordene ehemalige Synagogengebäude abgerissen (Aufn. Otmar Weber, Die Synagogen in der Pfalz).
2012 wurden am Eingang der Bürgerhalle von Herschberg zwei sog. „Stolpersteine“ verlegt, die an das jüdische Ehepaar Hermann u. Emma Weiler erinnern.
Stolpersteine (Aufn. I., 2021, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
Einziges Zeugnis für die Existenz der ehemaligen jüdischen Gemeinde ist das erhaltengebliebene, ca. 3.000 m² große Begräbnisareal mit insgesamt mehr als 200 Grabsteinen; dieser jüdische Friedhof ist der älteste im Landkreis und zählt zu den größten in der gesamten Westpfalz.
Jüdischer Friedhof in Herschberg - markante Grabmale (alle Aufn. G. Eichmann, 2017, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
[vgl. Wallhalben (Rheinland-Pfalz)]
Weitere Informationen:
Günter Schwinn (Hrg.), Gemeinde Herschberg/Pfalz - Dorfchronik, Herschberg 1965
Klaus G. Juner, Herceberch: auf der Suche nach der Geschichte eines Ortes. Ein Streifzug durch die Vergangenheit der Sickingerhöhgemeinde Herschberg, Herschberg 1995, S. 277 - 289
Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff, Synagogen. Rheinland-Pfalz und Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Verlag Ph. von Zabern, Mainz 2005, S. 183
Otmar Weber, Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute. Unter besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südwestpfalz, hrg. von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz (Landau), Dahn 2005, S. 226
Herschberg, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Udo Wagner (Red.), Stilles Zeugnis einer großen jüdischen Gemeinde, in: „Die Rheinpfalz“ vom 8.4.2021