Herxheim/Weinstraße (Rheinland-Pfalz)
Herxheim ist Hauptort der gleichnamigen Verbandsgemeinde mit derzeit ca. 10.500 Einwohnern an der Südlichen Weinstraße in der Nähe von Landau/Pfalz (Kartenskizze 'Landkreis Südliche Weinstraße' mit Herxheim farbig markiert, Lencer 2008, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).
Die ersten jüdischen Familien siedelten sich im Ort Herxheim gegen Ende des 17.Jahrhunderts an; ab Mitte des 18. Jahrhunderts nahm die Zahl der Angehörigen der jüdischen Gemeinde stark zu und erreichte um 1840/1850 mit mehr als 160 Personen ihren Höchststand.
Zunächst befand sich die Betstube im Hause einer jüdischen Familie, vermutlich in der Holzgasse; ab ca. 1800 stand eine Räumlichkeit in der Oberen Hohl, der heutigen Judengasse, für gottesdienstliche Zwecke zur Verfügung; daneben lag die kleine Schule. Mit dem starken Anwachsen der Zahl der Gemeindemitglieder wurde auch der länger geplante Synagogenneubau realisiert; Spenden, Kollekten und Darlehen sicherten die Finanzierung; Ende des Jahres 1842 konnte die neue Herxheimer Synagoge an der Oberen Hauptstraße eingeweiht werden. Bereits ein Jahr zuvor war das Schulhaus mit Lehrerwohnung fertig gestellt worden.
Aus einem Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. November 1859: "Herxheim (bei Sandau), 27. October (Privatmitth.). Hier, in Herxheim, einer großen Dorfgemeinde mit nahe an 4.000 katholischen Einwohnern, leben an 30 Familien Israeliten in bester Eintracht, wovon folgende Thatsachen den schlagendsten Beweis geben können. Seit dem Jahre 1836 besitzt diese kleine Cultusgemeinde eine öffentliche Schule, deren Lehrer von Seiten der oberen Schulbehörde geprüft und von der Königl. Kreisregierung angestellt wurde, unter der Bedingung, daß auch für ein anständiges Schul-Local gesorgt werde.
Im Jahre 1842 wurde endlich der Plan zu einer prachtvollen Synagoge nebst zwei symmetrisch schönen Vorgebäuden als Lehrsaal und Lehrerwohnung entworfen und ausgeführt; und zu letztern verwilligte man aus der Kasse der politischen Gemeinde 2.000 Gulden Zuschuß, nebst dem permanenten Bedarf der Heizungsmittel für den Schulsaal. Nachdem aber durch das Wegziehen der bemitteltsten Familien das Aufbringen der nötigen Cultusausgaben den übrigen Gemeindegliedern schwere Opfer auflegte, giebt unsere human gesinnte christliche Gemeinde alljährlich einen Zuschuß von 150 Fl. (=Gulden) zu dem Gehalte des israelitischen Lehrers. … S. Baer“
Religiös-rituelle Aufgaben verrichtete ein seitens der Gemeinde angestellter Lehrer.
Seit Ende der 1860er Jahre besaß die Gemeinde einen eigenen Friedhof; zuvor waren verstorbene Gemeindeangehörige in Essingen bzw. in Rülzheim begraben worden.
Die Herxheimer Gemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat Landau.
Juden in Herxheim:
--- um 1720 ...................... 2 jüdische Familien,
--- 1747 ......................... 10 “ “ ,
--- 1808 ......................... 21 “ “ ,
--- 1825 ..................... ca. 100 Juden (ca. 3% d. Bevölk.),
--- 1848 ......................... 162 “ (in 36 Familien),
--- 1875 ......................... 74 “ ,
--- 1900 ......................... 25 “ ,
--- 1910 ......................... 16 “ ,
--- 1932 ......................... 15 “ ,
--- 1936 ......................... 19 “ ,
--- 1938 ......................... 16 “ ,
--- 1940 ......................... keine.
Angaben aus: Karl Fücks/Michael Jäger, Synagogen der Pfälzer Juden, S 98
und Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff, Synagogen. Rheinland-Pfalz und Saarland, S. 183
Hauptstraße, um 1915 (aus: nailizakon.com)
Aus- und Abwanderung führten in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts zu einer deutlichen Reduzierung der Kultusgemeinde; bereits 1875 hatte sich die Zahl der Gemeindeangehörigen mehr als halbiert. Zu Beginn der 1930er Jahre lebten nur noch einzelne jüdische Familien am Ort.
Während des Novemberpogroms demolierten vier NSDAP-Angehörige zunächst die Inneneinrichtung der Synagoge; anschließend verbrannte man - unter den Augen einiger Ortsbewohner - ein Teil des Inventars und setzte dann den Synagogenbau in Brand; die Feuerwehr verhinderte nur ein Übergreifen der Flammen auf die Nachbarhäuser. Die Reste der zerstörten Synagoge wurden um die Jahreswende 1938/1939 abgebrochen und die Fläche planiert; die Kosten dafür sah die Kommune mit der Erwerb des Grundstücks als beglichen an.
Auch der jüdische Friedhof wurde während der Kriegsjahre eingeebnet, die Grabsteine zum Wegebau benutzt. Der letzte jüdische Einwohner Herxheims hatte im September 1939 den Ort verlassen.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden elf aus Herxheim stammende Juden Opfer der „Endlösung“ (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/herxheim_synagoge.htm).
Vier Jahre nach Kriegsende fand vor dem Landgericht Landau ein Prozess wegen der Zerstörung der Synagoge und des jüdischen Friedhofs statt; die sieben angeklagten Männer erhielten teils geringe Freiheitsstrafen, teils wurden sie freigesprochen.
Am Platz der zerstörten Synagoge erinnert eine Gedenktafel an fünf ‚Stationen’ jüdischen Lebens in Herxheim:
Juden in Herxheim
1681 Die ersten Juden kommen nach Herxheim
1797 Errichtung eines Bethauses in der Judengasse
1841/42 Bau der Synagoge mit Schule und Lehrerwohnung für über 160 jüdische Mitbürger 1874 Anlage des jüdischen Friedhofs östlich von Herxheim
1935 - 1945 Judenverfolgungen durch den Nationalsozialismus
10.November 1938 Zerstörung der Synagoge nach der “Reichskristallnacht”
Als einziges Relikt der Synagoge ist ein Ornamentstein erhaltengeblieben; dieser wurde 1974 gefunden und ist heute unterhalb der Gedenktafel angebracht.
Ornamentstein aus der ehem. Synagoge (Aufn. R.Wild, 2005, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)
Nach 1945 wurde das Areal des jüdischen Friedhofs - nun eine Parkanlage - in einen vorzeigbaren Zustand versetzt, doch fehlen die Grabsteine. Seit dem Jahre 1963 erinnert eine Gedenkstele an die verstorbenen und in der NS-Zeit ermordeten Herxheimer Juden.
Gedenkstele (Aufn. J. Hahn, 2004)
Hinweis: Im gleichnamigen Herxheim am Berg, einer kleinen Kommune mit derzeit ca. 800 Einwohnern im Landkreis Bad Dürkheim, findet man unweit der christlichen Kirche im Keller eines Privathauses (Speyerer Straße) eine ehemalige Mikwe, die vom Grundwasser gespeist wurde und als einzige Dorf-Mikwe in Rheinland-Pfalz noch heute Wasser führt; das Tauchbad soll aus der Mitte des 18.Jahrhunderts stammen.
Bundesweit in die Schlagzeilen geriet die kleine Kommune Herxheim am Berg aufgrund der Verwendung einer 1934 geweihten, mit einem Hakenkreuz und der Inschrift „Alles für‘s Vaterland – Adolf Hitler“ versehenen Glocke.
Weitere Informationen:
Eduard Rieder, Juden und Synagoge in Herxheim, in: "Mitteilungen der Verbandsgemeinde Herxheim", Mai 1985
Karl Fücks/Michael Jäger, Synagogen der Pfälzer Juden. Vom Untergang ihrer Gotteshäuser und Gemeinden, Hrg. Jüdische Kultusgemeinde der Rheinpfalz, Neustadt/Weinstraße 1988, S. 97 - 99
Egon Ehmer, Die jüdische Gemeinde in Herxheim vom Ende des 17. bis zum Beginn des 20.Jahrhunderts, in: 1225 Jahre Herxheim. Streifzüge durch die Geschichte des südpfälzischen Großdorfes Herxheim 1989, S. 122 - 141
Franz Schmitt, Die Steine reden. Zeugnisse jüdischen Lebens im Landkreis Südliche Weinstraße, Rhodt 1989
Egon Ehmer, Wo die Juden einst beteten und in der Schule lernten: eine Ergänzung der Festschrift zur Dorferneuerung in Herxheim, in: "Mitteilungsblatt der Verbandsgemeinde Herxheim bei Landau", 21/1995, S. 18 f.
Heimatverein Herxheim (Hrg.), !225 Jahre Herxheim – Streifzüge durch die Geschichtre des südpfälzischen Großdorfs, Herxheim 1996
Alois Dümler, Der Synagogenstein von Herxheim, in: "Herxheimer Heimatbrief", No. 5/1995, S. 33 - 35
Herxheim bei Landau, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 183/184
Otmar Weber, Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute. Unter besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südwestpfalz, Hrg. Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz (Landau), Dahn 2005, S. 85/86
Andreas Imhoff, Herxheims Synagoge und ihre Zerstörung (Referat 2008), in: Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit der Pfalz (Web-Seite: juden-und-christen.de)
Andrea Döring/Alexander Sperk (Red.), Jüdisches Ritualbad in Herxheim am Berg: Zeugnis jüdischer Geschichte, in: „Die Rheinpfalz“ vom 27.4.2019