Heßloch (Rheinland-Pfalz)

Bildergebnis für landkreis alzey worms ortsdienst karte Heßloch-Dittelsheim mit derzeit ca. 2.200 Einwohnern ist heute ein Teil der Verbandsgemeinde Wonnegau im Landkreis Alzey-Worms (Kartenskizze 'Landkreis Alzey-Worms', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Urkundlich nachgewiesen sind einzelne jüdische Familien in Heßloch bereits seit Ende des 15.Jahrhunderts; ob allerdings ihre Ansässigkeit von Dauer war, lässt sich nicht belegen. Möglicherweise stammten die ersten jüdischen Familien aus Worms, von wo sie vertrieben worden waren. Zu Beginn des 18.Jahrhunderts lebten zwei Judenfamilien im Dorf, die unter dem Schutz einer reichsritterlichen Familie, der Kämmerer von Worms, standen. Ihre Lebensgrundlage bildete der Vieh- und Kleinwarenhandel. Die jüdischen Familien lebten in eigenen Häusern, doch Äcker und Weinberge durften sie nicht erwerben.

Um 1740 errichteten die jüdischen Familien Heßlochs und Gabsheims gemeinsam eine „Judenschule“ (Synagoge), in der die Kinder in Hebräisch und Religion unterwiesen wurden; knapp 100 Jahre später gliederte man die jüdischen Schüler in das allgemeine Schulsystem ein.

Ihre neue Synagoge wurde 1836 eingeweiht; im Gebäude befand sich auch ein rituelles Bad. Das aus Bruchsteinen errichtete Synagogengebäude besaß zur Straßenseite zwei Eingänge, einen für Männer und einen für Frauen.

Ein seitens der Gemeinde angestellter Lehrer besorgte die religiös-rituellen Aufgaben; die Besetzung der Lehrerstelle war zeitweilig einem schnellen Wechsel unterworfen.

  http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20184/Hessloch%20Israelit%2022111900.jpg  http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20303/Hessloch%20Israelit%2020111902.jpg https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20271/Hessloch%20Israelit%2002041903.jpgStellenangebote aus: „Der Israelit” vom 28.3.1892, 22.11.1900, 20.11.1902 und 2.4.1903

Zur um 1800 offiziell gegründeten jüdischen Gemeinde gehörten auch die wenigen Juden von Monzernheim.

Schon frühzeitig, nämlich seit den 1720er Jahren, stand den Heßlocher Juden ein eigener Begräbnisplatz zur Verfügung; dieser konnte allerdings nur dann genutzt werden, wenn an die Schutzherrschaft eine Abgabe geleistet worden war. Neben Verstorbenen aus Monzernheim konnten hier auch auswärtige Juden begraben werden; dann waren aber doppelte Gebühren zu entrichten. 

Die Gemeinde Heßloch war dem Rabbinat Worms zugeordnet.

Juden in Heßloch:

         --- um 1720 .......................  3 jüdische Familien,

    --- um 1740 .......................  8     “       “    ,

    --- 1800/1805 ..................... 34 Juden,

    --- um 1830 ....................... 59   “  ,

    --- 1861 .......................... 67   “  (ca. 7% d. Bevölk.),

    --- 1871 .......................... 77   “  ,

    --- 1880 .......................... 55   “  ,

    --- 1900/05 ....................... 47   “  (ca. 5% d. Bevölk.),

    --- um 1920 ....................... 43   “  ,

    --- 1931 .......................... 38   “  .

Angaben aus: Kommune Dittelsheim-Heßloch (Hrg.), 150 Jahre Synagoge Heßloch 1836 - 1986, S. 9 f.

und                 Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 361

      Ansichtskarte von Heßloch (aus: abebooks.com)

 

Nach 1900 verdienten die Heßlocher Juden ihren Lebensunterhalt im Handel mit Manufakturwaren oder landwirtschaftlichen Produkten sowie im Weinanbau und -handel; größtes Handelsunternehmen für Wein und Getreide in der Region war die Fa. Herzog & Co, deren Inhaber Henry Herz war. Insgesamt war die ökonomische Lage der Juden Heßlochs gut. Innerhalb des Dorfes galten die wenigen jüdischen Bewohner zu diesem Zeitpunkt vollständig integriert; dies belegen auch Mitgliedschaften in zahlreichen lokalen Vereinen.

Während des Novemberpogroms wurde die Synagoge verwüstet, das Gebäude aber nicht zerstört; anschließend übernahm die Kommune das Gebäude mit der Verpflichtung, den jüdischen Friedhof zu pflegen. Während des Krieges ging es dann in Privathand über. Bereits vor dem Pogrom hatten die allermeisten Heßlocher Juden ihren Heimatort verlassen und waren emigriert, vor allem in die USA.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sollen der NS-Verfolgung 19 gebürtige bzw. längere Zeit in Heßloch lebende Juden zum Opfer gefallen sein; auch sechs aus dem nahen Monzernheim stammende jüdische Bürger wurden ermordet (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/hessloch_synagoge.htm).

  https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20387/Hassloch%20KK%20MZ%20Dreifuss%20Salomon.jpghttp://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20386/Monzernheim%20KK%20MZ%20Wolff%20Heinrich.jpg

J-Kennkarten von Salomon Dreifuß (geb. in Heßloch) und von Heinrich Wolff (geb. in Monzernheim), ausgestellt in Mainz 1939

          http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20184/Hessloch%20Synagoge%20171.jpgDatei:Hessloch-ehemalige-Synagoge.jpg

Ehem. Synagogengebäude (Aufn. Brendan Botheroyd, 2008  und  Ph. 2018, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

Anlässlich des 150jährigen Bestehens des Synagogengebäudes wurden im Rahmen einer Gedenkfeier 1986 zwei Gedenktafeln enthüllt; eine der Tafeln ist am ehemaligen jüdischen Gemeindehaus angebracht; sie trägt den folgenden Text:

Ehemaliges jüdisches Gemeindehaus und jüdische Schule - erbaut 1740

gegenüber steht die ehemalige Synagoge eingeweiht 1836,

geschändet und zerstört am 10.November 1938.

Die andere befindet sich an der Halle des kommunalen Friedhofs; auf ihr sind die 19 während der NS-Zeit umgekommenen jüdischen Bürger Heßlochs namentlich aufgeführt.

Gedenktafel mit den Namen der jüdischen Opfer (Aufn. M. Ohmsen) http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20347/Hessloch%20Gedenktafel%20200.jpg

An der ehemaligen alten Synagoge in der Sackgasse erinnert seit 2016 eine bronzene Tafel an die einstige Bestimmung der Gebäudes.

Auf dem am Ortsausgang in Richtung Hillesheim befindlichen jüdischen Friedhof - er wurde bis Anfang des 20.Jahrhunderts benutzt und besitzt eine Fläche von ca. 750 m² - sind nur wenige Grabsteine zu finden, die aber nicht auf ihrem ursprünglichen Platz stehen.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2056/Hessloch%20Friedhof%20203.jpgundefined

Eingang zum jüdischen Begräbnisgelände (Aufn. J. Hahn, 2003) und Gesamtansicht (Aufn. Ph. 2018, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 361 f.

Wilfried Menger/Guido Rotfuß, 150 Jahre Synagoge Heßloch 1836 - 1986, Hrg. Kommune Dittelsheim-Heßloch, Dittelsheim-Heßloch 1986

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 139/140

Heßloch, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Bronzeschild soll an Synagoge in Dittelsheim-Hessloch erinnern, in: „Allgemeine Zeitung – Rhein Main Presse“ vom 30.8.2016