Hintersteinau (Hessen)

Jüdische Gemeinde - Schlüchtern (Hessen)Main-Kinzig-Kreis Karte Hintersteinau ist mit derzeit ca. 900 Einwohnern heute ein Stadtteil von Steinau a. d. Straße im osthessischen Main-Kinzig-Kreis nahe von Schlüchtern - etwa 25 Kilometer südwestlich von Fulda gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Main-Kinzig-Kreis', aus: ortsdienst.de/hessen/main-kinzig-kreis).

 

Gegen Mitte des 18.Jahrhunderts wurde erstmals die Existenz von Juden in Hintersteinau erwähnt; es bildete sich bald eine kleine jüdische Gemeinde, die allerdings zu keiner Zeit mehr als 80 Angehörige umfasste. Der Betraum der Hintersteinauer Juden befand sich in einem Wohnhaus.

Zur Besorgung religiös-ritueller Aufgaben war zeitweise ein Lehrer angestellt; seit Ende des 19.Jahrhunderts wurde die Lehrerstelle von den Synagogengemeinden Hintersteinach und Ulmach gemeinsam bestritten.

Stellenangebote von 1879 und 1900 

Verstorbene Gemeindeangehörige wurden auf dem jüdischen Friedhof in Flieden beerdigt.

Die winzige Gemeinde - sie bestand vor allem aus Angehörigen der Familien Adler, Heß und Stern - unterstand dem Rabbinat in Hanau.

Juden in Hintersteinau:

         --- um 1755 .......................   13 Juden (oder jüd. Familien ?),

    --- 1835 ..........................   38   “  ,

    --- 1861 ..........................   72   “    (ca. 9% d. Bevölk.),

    --- 1871 ..........................   90   “  ,

    --- 1885 ..........................   89   “    (ca. 12% d. Bevölk.),

    --- 1905 ...................... ca.   50   “  ,

    --- 1925 ...................... ca.   20   "  ,

    --- 1933 ...................... ca.   10   “  ,

    --- 1942 (Dez.) ...................   keine.

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 369

 

Die jüdischen Familienvorstände bestritten ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familien zumeist von der Landwirtschaft und vom Viehhandel.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20156/Hintersteinau%20Israelit%2028081890.jpg Kleinanzeige aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Aug. 1890

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20156/Hintersteinau%20Israelit%2010121879.jpg

Spendenaufruf des Lehrers Schwarzschild für einen in Not geratenen „jüdischen Handelsmann“ (von 1879)

Nach 1900 ging die Zahl der Gemeindemitglieder deutlich zurück; als kein Minjan mehr zustande kam, wurden auch keine Gottesdienste mehr in Hintersteinau abgehalten; der Betraum wurde vermutlich in den 1920er Jahren aufgegeben, die Ritualien nach Schlüchtern gebracht.

Zu Beginn der NS-Herrschaft lebten in Hintersteinau noch etwa zehn jüdische Bewohner. Die allermeisten verließen in den folgenden Jahren ihr Heimatdorf und verzogen vor allem nach Frankfurt/Main; der letzte jüdische Bewohner verließ 1942 das Dorf.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..."  wurden nachweislich 26 gebürtige bzw. länger in Hintersteinau wohnhaft gewesene jüdische Bewohner Opfer des Holocaust (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/hintersteinau_synagoge.htm).

 

 

 

In Ulmbach - heute ebenfalls ein Ortsteil von Steinau an der Straße - sind nach 1750 erstmals jüdische Familien nachweisbar; die Gemeinde bestand stets nur aus wenigen Angehörigen, die zumeist in ärmlichen Verhältnissen lebten. In der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts erreichte die Zahl der Gemeindemitglieder ca. 60 Personen; diese machten ca. 5% der Dorfbevölkerung aus.

Synagoge mit angeschlossener Mikwe und eine Religionsschule (in der Rabensteiner Straße) gehörten zu den gemeindlichen Einrichtungen. Verstorbene Juden aus Ulmbach wurden auf dem Friedhof in Eckardroth begraben.

Um 1930 waren in Ulmbach neun jüdische Familien ansässig; drei Jahre später löste sich die Gemeinde auf Grund von Abwanderung völlig auf.

        http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20156/Ulmbach%20CV%2001101936.jpg Kurznotiz vom 1.Okt. 1936

Im gleichen Jahre wurde das Synagogengebäude verkauft und zu Wohnzwecken umgebaut.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..."  wurden zehn aus Ulmbach stammende jüdische Bewohner Opfer des Holocaust (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/ulmbach_synagoge.htm).

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 369

Thea Altaras, Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945? 1988, S. 160/161 (Ulmbach)

Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 - 1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt, hrg. vom Studienkreis Deutscher Widerstand, 1995, S. 227

Hintersteinau, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Ulmbach, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Text- u. Bilddokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Benedikt Mario Röder (Red.), Jüdisches Leben in Ulmbach. Erinnerung an eine fast vergessene bzw. verdrängte Geschichte, Teil 1, in: „Bergwinkel-Bote“, 2018, Schlüchtern 2017, S. 63 – 70

Benedikt Mario Röder (Red.), Jüdisches Leben in Ulmbach. Erinnerung an eine fast vergessene bzw. verdrängte Geschichte, Teil 2, in: „Bergwinkel-Bote“, 2019, Schlüchtern 2018, S. 51 - 62