Hochberg (Baden-Württemberg)

Datei:Remseck im Landkreis Ludwigsburg.png Hochberg ist seit 1975 ein Ortsteil von Remseck im Landkreis Ludwigsburg mit derzeit ca. 3.500 Einwohnern – nur wenige Kilometer nördlich der Landeshauptstadt Stuttgart gelegen (Karte der Region nördlich von Stuttgart, kj. 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0 und Kartenskizze 'Landkreis Ludwigsburg', F. Paul 2009, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

Hochberg - Kieser'sche Forstlagerbuch um 1690 (aus: wikipedia.org, CCO)

 

Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts stellten die jüdischen Familien mehr als ein Drittel der Dorfbevölkerung.

Im Dorfe Hochberg durften sich die ersten wohlhabenden jüdischen Familien um die Mitte des 18.Jahrhunderts ansiedeln. Dafür hatten sie den Freiherren von Gemmingen eine Aufnahmegebühr zu zahlen und jährlich Schutzgeldzahlungen zu leisten. Die vor allem aus Nordstetten stammenden Juden begründeten dann in Hochberg eine jüdische Gemeinde. 1772 war die Voraussetzung zur Bildung einer israelitischen Kultusgemeinde erfüllt, nämlich das Vorhandensein eines Minjan. Mit Genehmigung der Ortsherrschaft kauften Abraham Gideon und Samuel Isaak 1779 im Auftrag der israelitischen Gemeinde einen Platz in der Vorderen Gasse zum Bau einer Synagoge („Alte Synagoge“). Der später nur wenige Jahre in Hochberg herrschende Herzog Friedrich Eugen von Württemberg erneuerte den Judenschutz für die Hochberger Familien; gleichzeitig erließ er 1780 die sog. „Hochberger Judenordnung“, die in 28 Paragraphen Rechte und Pflichten der hiesigen Gemeindemitglieder festlegte. Auch unter seinem Nachfolger, dem Herzog Karl Eugen, wurde die genannte Judenordnung beibehalten.

„ ... Und gleichwie Wir aus gänzlicher Überzeugung die Juden in unsern herzoglichen Landen für höchst schädlich halten, und deßwegen auf die Verminderung derselben in der Herrschaft Hochberg allen Bedacht nehmen werden, so wollen wir gleichwol diejenigen, welche bereits den Schutz daselbst genießen, noch fernerhin auf ihr Wohlergehen dorten dulden.”

Um einen weiteren Zuzug jüdischer Familien nach Hochberg zu unterbinden, folgte der Herzog dem Ansinnen der christlichen Bewohner und untersagte für die Zukunft jeglichen Grundstücks- und Hauserwerb von jüdischen Familien. Anstoß bei der Bevölkerung erregten die „Betteljuden“, die in relativ großer Zahl am Freitagsabend nach Hochberg kamen, um den Sabbat mit den hiesigen Glaubensgenossen zu verbringen. Um dieses „Übel“ zu unterbinden, wandte man sich 1798 in einem Schreiben an die herzogliche Regierung:

„ Seit 1 Jahr geschiehet aber der allwöchentliche Zulauf von gedachter Bettel-Juden-Familien zu 20, 30 biß 40 Persohnen in solchen Mengen, das selbige in dem von der Schuzjudenschafft gemiethet bürgerliche Hauß fast nicht mehr untergebracht werden können, der Schuzjudenschafft selbsten zur größten Last gereichen, und wegen ohnbeschreiblichen Unreinlichkeit, mancherley sichtbaren Kranckheiten und bey dem lumppichten oder nackenden äußerlichen Zustand, indeme sie den ganzen Orth durchlaufen, und ohnverschämt betteln, bey der Bürgerschafft ein nicht geringes Grausen erregen ...”

Ärger vor allem beim Pfarrer rief die Tatsache hervor, dass Hochberger Juden an Sonn- und Feiertagen Geschäfte abwickelten. Sie waren hauptsächlich im Pferde-, Vieh- sowie im Kleinhandel tätig.

1827/1828 wurde ein neues Synagogengebäude auf dem bereits 1779 erworbenen Grundstück errichtet, da der bisherige Bau „bey ihrer Beschränktheit noch mehr aber bey ihrer Baufälligkeit nicht mehr zu benuzen war”.

     Synagoge in Hochberg (Aufn. um 1955, Stadtarchiv Remseck)

1829 - unmittelbar nach Fertigstellung der neuen Synagoge - gab sich die Gemeinde eine neue Synagogenordnung; hierin war auch der Kauf von Sitzplätzen geregelt. Bis 1828 wurden die jüdischen Kinder vom Vorsänger der Gemeinde oder von Privatlehrern unterrichtet, wobei die Fähigkeiten der Lehrer oftmals einiges zu wünschen übrig ließen. Erst als eine jüdische Schule mit einem staatlich geprüften Lehrer entstand, besserten sich die Verhältnisse; um 1845 gab es in Hochberg knapp 50 Schüler. Das 1841 durch einen Brand zerstörte Schulhaus wurde bald durch ein größeres zweigeschossiges Gebäude ersetzt, in dem sich auch die Lehrerwohnung und eine Mikwe befanden. 1872 wurde die jüdische Schule aufgegeben; danach besuchten die Kinder die evangelische Volksschule.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20182/Hochberg%20Israelit%2013061877.jpg  https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20182/Hochberg%20Israelit%2029021892.jpg

Anzeigen aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13.Juni 1877, vom 24.Aug. 1891 und vom 29.Febr. 1892

Verstorbene Juden aus Hochberg wurden zunächst auf dem jüdischen Friedhof in Freudental bestattet. Als die Gemeinde anwuchs, wollte sie einen eigenen Begräbnisplatz am Ort anlegen; 1795 genehmigte die herzogliche Regierung den Ankauf eines Friedhofsgeländes (in Hanglage oberhalb des Neckars); es erfuhr bereits 1812 bzw. 1826 eine Erweiterung. Auf dem Hochberger Friedhof wurden auch verstorbene Juden aus Aldingen und Ludwigsburg, zeitweise aus Cannstatt und Stuttgart begraben.

   Jüdischer Friedhof (Aufn. R. Klotz, um 1970)

Die Hochberger Judengemeinde war anfangs dem Rabbinat Freudental zugeordnet, ab 1828 gehörte sie dem Stuttgarter Rabbinat an und war hier mit ca. 240 Angehörigen die größte im Rabbinat Stuttgart; etwa drei Jahrzehnte später war sie wieder dem Freudentaler Rabbinat angeschlossen.

Juden in Hochberg:

         --- um 1795 .........................  15 jüdische Haushalte,

    --- 1807 ............................  25     “         “   ,

    --- 1828 ........................ ca. 250 Juden,

    --- 1832 ............................ 234   “  ,

    --- 1852 ............................ 305   “   (ca. 35% d. Dorfbev.),

    --- 1855 ............................ 269   “  ,

    --- 1869 ............................ 186   “  ,

    --- 1888 ............................  40   “  ,

    --- 1910 ............................  10   “  ,

    --- 1933 ............................   2   “  .

Angaben aus: N.Bickhoff-Böttcher/G.Bolay/E.Theiner, 200 Jahre jüdisches Leben in Hochberg und Aldingen, S. 28 f.

 

Bis um 1850 verdienten die Hochberger Juden ihren Lebensunterhalt vorwiegend im ambulanten Vieh- und Schacherhandel. Mitte des 19.Jahrhunderts erreichte die Gemeinde von Hochberg mit etwa 300 Mitgliedern ihren numerischen Höchststand. In den folgenden Jahren ging deren Anzahl rapide zurück; viele Juden verzogen aus dem verkehrsmäßig abgelegenen Hochberg in Städte wie Stuttgart und Bad Cannstatt; vor allem jüngere Menschen wanderten nach Nordamerika aus. Die nur noch sehr kleine Restgemeinde von Hochberg wurde im Juni 1914 offiziell aufgelöst; die noch verbliebenen Juden wurden der Kultusgemeinde Ludwigsburg zugewiesen. Der letzte in Hochberg wohnende Jude war der hochbetagte Viehhändler/Metzger Adolf Falk, der noch vor Kriegsbeginn nach England emigrieren konnte.

Während des Novemberpogroms wollte ein wütender Mob das Synagogengebäude in Brand setzen; dem Wirt eines nahen Gasthauses gelang es durch sein beherztes Eingreifen, die Menge von der Zerstörung des Gebäudes abzuhalten. Das Synagogengebäude war bereits 1907 verkauft worden war und diente seitdem einer Methodistengemeinde als Versammlungsort.

Zwei aus Hochberg stammende jüdische Bewohner wurden nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem Opfer der Shoa (namentliche Nennung siehe: alemannia-judaica.de/hochberg_synagoge.htm).

links: ehem. Synagogengebäude (Aufn. aus: Gertrud Bolay, um 1965)   -   rechts: restauriertes Gebäude (Aufn. J. Hahn, 2003)

An der Außenwand ist eine Tafel mit folgender Inschrift angebracht:

Dieses Gebäude wurde im Jahre 1828

als SYNAGOGE der jüdischen Gemeinde in Hochberg erbaut.

Nachdem die jüdischen Familien nach Erlangung der vollen Bürgerrechte im 19.Jahrhundert weggezogen waren,

wurde es 1914 von der Bischöflichen Methodistenkirche erworben.

Stolperstein Adolf Falk Re-Hochberg 20190707 154023.jpg 2019 wurde für den letzten in Hochberg lebenden Juden, den Metzger und Viehhändler Adolf Falk, ein sog. „Stolperstein“ verlegt. Der hochbetagte Adolf Falk hatte im Sommer 1939 seinen Heimatort verlassen und war nach England emigriert.

Auf dem ca. 2.200 m² großen jüdischen Friedhofsareal, auf dem die letzte Beerdigung in den 1920er Jahren stattgefunden hatte, befinden sich insgesamt etwa 250 Grabstätten. Die ältesten Steine sind mit hebräischen Inschriften, die jüngeren mit deutschen Texten versehen. Neben repräsentativen Grabmonumenten, wie denen des Bankiers-Clans der Kaullas, gibt es unscheinbare Grabmale, die verwaist an der Friedhofsmauer aufgereiht sind.

                        Alte Grabsteine auf einem Friedhof

Teilansicht des jüdischen Friedhofs (Aufn. aus: stadt-remseck.de/de/Die-Stadt/Friedhoefe/Juedischer-Friedhof)

   In Hochberg wurde im Jahre 1827 Samson Falk geboren; er wanderte in die USA aus und übte von 1866 bis zu seinem Tode 1886 das Amt eines Rabbiners in Buffalo aus.

 

 

Im Remsecker Ortsteil Aldingen existierte eine kleine jüdische Gemeinde, die sich in den 1860er Jahren auflöste.

[vgl. Aldingen (Baden-Württemberg)]

 

 

 

Weitere Informationen:

Wilhelm Streng, 490 Christen und 305 Juden anno 1852 in Hochberg, in: "Heimatkundliche Beilage zur Ludwigsburger Kreiszeitung", No. 8/1957, S. 23

Wilhelm Streng, Bilder aus Hochbergs Vergangenheit - Ortschronik, Maschinenmanuskript, 1959 (Gemeindearchiv Remseck)

Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale - Geschichte - Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1966, S. 105 - 107

B. Reinhardt/S.Weyrauch, Bauten jüdischer Dorfgemeinschaften im Kreis Ludwigsburg, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, Jg.8, 2/1975, S. 70 f.

Arnd Breuning, Materialien zum Hochberger Judenfriedhof, Maschinenmanuskript, 1977 (Gemeindearchiv Remseck)

Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, S. 326/327

N.Bickhoff-Böttcher/G.Bolay/E.Theiner, 200 Jahre jüdisches Leben in Hochberg und Aldingen 1730 - 1930, in: "Heimatkundliche Schriftenreihe der Gemeinde Remseck am Neckar", Heft 10, Gemeinde Remseck a. Neckar 1990

Ulrike Sill (Bearb.), Der jüdische Friedhof Remseck-Hochberg, Unveröffentlichte Grunddokumentation des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg, 1992

Joachim Hahn, Jüdisches Leben in Ludwigsburg - Geschichte, Quellen und Dokumentation, Hrg. Stadtarchiv Ludwigsburg/Historischer Verein für Stadt u. Kreis Ludwigsburg e.V., Karlsruhe 1998, S. 203 - 205

Gertrud Bolay, Jüdischer Alltag in Hochberg, Remseck/Neckar 2001

U.Sill/G.Hüttenmeister/G.Bolay/E.Theiner (Bearb.), Der jüdische Friedhof in Remseck-Hochberg. Eine Dokumentation, Remseck/Neckar 2003

Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 392 – 394

Hochberg, in: alemannia-judaica.de (mit zahlreichen Text- u. Bilddokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Remseck am Neckar – Große Kreisstadt (Hrg.), Jüdischer Friedhof in Hochberg, online abrufbar unter: stadt-remseck.de/de/Die-Stadt/Friedhoefe/Juedischer-Friedhof

Jüdischer Friedhof in Hochberg, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Bildbeiträgen älteren und jüngeren Datums)

Julian Illi, Zuflucht vor den Herren von Württemberg - 1914 wird die jüdische Gemeinde aufgelöst, in: "Stuttgarter Zeitung" vom April 2015 (zwei Zeitungsberichte)

Thomas Krazeisen (Red.), Rundwanderweg „Jüdische Spuren in Remseck“, in: „Eßlinger Zeitung“ vom 6.6.2019

David Mairle (Red.), Ein Stolperstein für den letzten Juden von Hochberg, in: „Stuttgarter Zeitung“ vom 10.7.2019