Höchberg (Unterfranken/Bayern)

Bildergebnis für landkreis würzburg ortsdienst karte Höchberg ist ein Markt im unterfränkischen Landkreis Würzburg mit derzeit ca. 9.500 Einwohnern - unmittelbar im Westen an das Würzburger Stadtgebiet angrenzend (Kartenskizze 'Landkreis Würzburg', aus: ortsdienst.de/bayern/wuerzburg).

 

Anfang des 19.Jahrhunderts war die jüdische Gemeinde in Höchberg die zahlenmäßig größte im Landkreis Würzburg.

Die jüdische Gemeinde zu Höchberg wurde um 1660 von Jehuda Löb, einem „Förderer des Thorastudiums“, gegründet. Seit Ende des 16.Jahrhunderts lebten in Höchberg bereits einige aus Würzburg vertriebene jüdische Familien, die hier gegen Zahlung von Schutzgeld von reichsritterschaftlichen Geschlechtern aufgenommen wurden. Durch weiteren Zuzug vergrößerte sich in der Mitte des 18.Jahrhunderts die jüdische Gemeinde in Höchberg schnell. Ihre Angehörigen lebten damals vom Kleinhandel; als „Sackjuden“ begaben sie sich täglich zu Fuß mit ihrer Handelsware ins nahe Würzburg, um dort ihre Geschäfte zu tätigen. Sie handelten mit Textilien und mit Wein. Später gestattete man den Juden im Würzburger Stadtgebiet „Kammern“ anzumieten, wo sie ihre Waren zwischenlagern konnten. Diese schrittweise Öffnung von Würzburg für den von Juden betriebenen Handel ließ Höchberg – wegen seiner unmittelbaren geografischen Nähe zur Stadt - zu einem attraktiven Wohnstandort für die jüdischen Familien werden (vgl. dazu Statistik); der größte Teil von ihnen soll um 1800 in relativ gesicherten ökonomischen Verhältnissen gelebt haben.

In den 1690er Jahren wurde eine erste Synagoge in Höchberg eingerichtet, die sich im Privathause des Jehuda Löw befand. Beschwerden der christlichen Nachbarn wegen des aus der Synagoge nach außen dringenden „täglich- undt nächtlichen habenden gedönss und Schreyens“ führten nach 1720 zu einer Verlegung des Betraums. Das Gebäude dafür hatte ein gewisser Abraham Fromb zur Verfügung gestellt und - mit Einverständnis des Ritterstifts St. Burkhard – hier auf eigene Kosten eine „Schuel“ eingerichtet. Das Haus befand sich inmitten der von Juden bewohnten Häuser im Oberdorf. Etwa drei Jahrzehnte später ging es dann mit allem Inventar in die Hände der Höchberger Judenschaft über.

Anm.: Das Synagogengebäude wurde im Laufe seines fast 200 Jahre langen Bestehens mehrfach renoviert, so z.B. grundlegend im Jahre 1855 und dann kurz nach der Jahrhundertwende; die finanziellen Kosten wurden auch von Glaubensgenossen Bayerns - mittels einer landesweiten Kollekte - aufgebracht.

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 Aron HaKodesch (Thoraschrein) und Almemor in der Höchberger Synagoge (hist. Aufn. um 1930, Sammlung Th. Harburger)

Hinweis: Jüngst tauchte die Abbildung eines Gemäldes des Höchberger Malers/Zeichenlehreres Naftali Ehrenreich (aus den 1920er Jahren) auf, das das Innere der Höchberger Synagoge zeigt.

In zwei Räumen war die jüdische Elementarschule untergebracht, die bis Ende der 1860er Jahre bestand.

Im Jahre 1828 richtete die Gemeinde die Stelle eines besoldeten Ortsrabbiners ein, die mit Lazarus Ottensoser besetzt wurde. Er war der Gründer einer Talmud-Thora-Schule, der späteren Präparandenschule. Nach dem Ableben von Ottensoser (1876) war sein Amtsnachfolger Jakob Ehrenreich (aus Autenhausen), der das Ortsrabbinat von 1876 bis 1886 inne hatte. Ihm folgte dann - nach kurzer Vakanz - Pinchas Mosche Elchanan Wechsler (1887 bis 1894); nach dessen Tod wurde die Rabbinerstelle wegen des drastischen Rückgangs der Mitgliederzahl der Gemeinde aber nicht mehr besetzt. Als Kantoren waren fortan Lehrer oder Schüler der Präparandenschule tätig.

Um den Ablauf der gottesdienstlichen Handlungen ohne Störungen und in geregelten Bahnen zu gewährleisten, hatte Rabbiner Lazarus Ottensoser 1833 eine Synagogenordnung eingeführt. Diese muss aber wenig Beachtung gefunden haben, denn bereits fünf Jahre später erließ Oberrabbiner Abraham Bing für die Höchberger Kultusgemeinde eine neue detaillierte Synagogenordnung, deren Nichtbeachtung mit empfindlichen Geldstrafen geahndet wurde.

Neben der bis in die NS-Zeit genutzten Synagoge befand sich eine Mikwe.

Die Kultusgemeinde Höchberg unterhielt auch ein Schulhaus mit Internat, das von 1865 bis Anfang der 1930er Jahre als „Israelitische Präparanden- und Bürgerschule“ geführt wurde und Jugendliche aus ganz Deutschland auf den Besuch der Israelitischen Bildungsanstalt (ILBA) vorbereiten sollte: So erhielten hier die Jugendlichen Unterricht in den Fächern Deutsch, Rechnen und Geschichte, aber auch in hebräischer Sprachlehre.

Anzeige aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Okt. 1866

 

Anzeigen aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Aug. 1890 und vom 5. Aug. 1909

Wie in einer Kurznotiz in der „Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 8. März 1927 zu lesen war, hatte die Einrichtung in den 1920er Jahren unter den gegebenen wirtschaftlichen Bedingungen um ihre Existenz zu kämpfen. Im Jahre 1931 wurde die Präparandenanstalt in Höchberg aufgegeben und nach Würzburg verlegt.

(1927)

1822 hatte die jüdische Gemeinde am südlichen Ortsrand auf zwei angekauften Ackergrundstücken einen eigenen Friedhof angelegt; die erste Beerdigung fand drei Jahre später hier statt. In den Zeiten zuvor waren Verstorbene auf dem jüdischen Verbandsfriedhof in Allersheim bzw. Schwanfeld beerdigt worden. Auf dem Höchberger Friedhof wurden im 19.Jahrhundert bevorzugt Würzburger Rabbiner, Lehrer an jüdischen Schulen sowie die nach streng religiösen Vorschriften lebenden Juden begraben. 

                                                     Grabmal von R. Elchanan ben Israel (gest. 1832

Juden in Höchberg:

         --- 1709 ........................   10 jüdische Familien,

    --- 1740 ........................   21     "        "   ,

    --- 1798 ........................   35     "        "   ,

    --- 1802 ........................  222 Juden,

    --- 1814 ........................  218   “  (ca. 22% d. Bevölk.),

    --- 1822 ........................  208   "  ,

    --- 1837 ........................  205   “  (ca. 18% d. Bevölk.),

    --- 1848 ........................  138   "  ,

    --- 1867 ........................  102   “  (ca. 8% d. Bevölk.),

    --- 1871 ........................   79   “  (ca. 6% d. Bevölk.),

    --- 1880 ........................   65   "  ,

    --- 1890 ........................   75   “  (ca. 5% d. Bevölk.),

    --- 1910 ........................   69   “  ,

    --- 1925 ........................   85   “  ,

    --- 1933 ........................   22   “  ,

    --- 1937 ........................   11   “  ,

    --- 1939 ........................    9   “  ,

    --- 1942 (Okt.) .................    keine.

Angaben aus: Jutta Sporck-Pfitzer, Die ehemaligen jüdischen Gemeinden im Landkreis Würzburg, S. 67

und                 Synagogen-Gedenkband Bayern (Unterfranken), Band III/1, Mehr als Steine ..., S. 742

 

Bei der Erstellung der Matrikel (1817) waren für Höchberg ca. 35 Familienvorstände aufgelistet; jeder 5.Bewohner des Marktes war damals mosaischen Glaubens. Von den 1819 in Würzburg ausgebrochenen antijüdischen „Hepp-Hepp-Krawallen“ wurde Höchberg nicht tangiert. Allerdings fand Anfang der 1830er Jahre in Höchberg eine Versammlung statt, auf der die Höchberger Jugend aufgefordert wurde, gewaltsam gegen hiesige Juden vorzugehen. Fünf Jahre später kam es im Ort zu einem Tumult, als christliche Bewohner hiesige Juden für einen Unglücksfall verantwortlich machten.

Ab den 1840er Jahren zogen zunehmend junge Juden aus Höchberg weg; sie emigrierten zumeist in die USA. „Um die Mitte der dreißiger Jahre erklang unter den bayrischen Israeliten überall der laute Ruf: Nach Amerika! Namentlich das jüngere Geschlecht war des geistigen und materiellen Drucks, welcher ... auf der israelitischen Bevölkerung lag, unendlich müde geworden und fing an auszuwandern. ... Aus der kleinen Gemeinde Höchberg reisten an einem Tag acht oder neun junge Leute ab, wahrscheinlich die tüchtigsten und kräftigsten Elemente der Bevölkerung. ...” (aus: Heinrich Simon, Leopold Sonnemann. Seine Jugendgeschichte bis zur Entstehung der Frankfurter Zeitung, S. 15)

Im Gefolge der Entwicklung Höchbergs vom Bauern- zum „Handwerkerdorf“ verlegten die Juden ab ca. 1840 ihre Tätigkeit auf das Handwerk und die Landwirtschaft; so gab es um 1845 neun Meisterbetriebe in jüdischer Hand (darunter allein drei Metzgereien).

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20279/Hoechberg%20Israelit%2008011903.jpg Geschäftsanzeige von 1903

Zu Beginn der NS-Zeit lebten noch etwa 20 Juden in Höchberg. Die Synagogengemeinde wurde aufgelöst; der Anschluss an die Würzburger Kultusgemeinde wurde im September 1938 zwar beurkundet, aber nicht vollzogen.

In der Nacht vom 10./11.November 1938 drangen ortsfremde SA-Männer – in Gegenwart einer Menschenmenge - in die Synagoge ein, demolierten die Inneneinrichtung und zerstörten die Kultgegenstände; auch zwei Privathäuser waren Ziel gewalttätiger Ausschreitungen, wobei hier ortsansässige NSDAP-Angehörige wüteten. Aus einem Augenzeugenbericht: „ ... (Sie) zerrissen die Thorarollen und ließen dann die leeren runden Hölzer den Hügel hinabrollen, auf dem die Synagoge gebaut war. ... Die anliegenden Bauern hatten gegen eine Brandstiftung protestiert. Die alten, wertvollen Messingleuchter sowohl als auch ein Teppich aus dem Tauchbad wurden gestohlen. Eine Thorarolle, das Thorasilber und wohl auch das Memorbuch ... sind damals gerettet worden. Der schöne, 1721 gebaute Almemor in der Synagoge wurde, wie auch das Gestühl, zusammengeschlagen, Gebetsmäntel und Thoramäntel zerrissen. ...” (aus: Herbert Schultheis, Die Reichskristallnacht in Deutschland nach Augenzeugenberichten, S. 69/70)

Das Synagogengebäude blieb äußerlich unbeschädigt. Wenige Jahre nach Kriegsende wurde es von der evangelischen Kirche erworben und dient bis heute als christliches Gotteshaus.

Am Tage nach dem Pogrom wurden Schulkinder von ihrem Lehrer zur geschändeten Synagoge geführt! In der Chronik des Marktes Höchberg ist für die Novembertage 1938 vermerkt: „ Auch in Höchberg hat man den Juden gezeigt, daß man nicht straflos Deutsche morden darf, wie dies in Paris geschehen ist. An der Synagoge und den übrigen Judenhäusern wurden die Fensterscheiben eingeschlagen, den Juden ist nichts geschehen.

Im Herbst 1941 lebten nur noch zwei jüdische Ehepaare in Höchberg; ein Jahr später war der Ort „judenfrei“

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ sind 27 gebürtige bzw. längere Zeit hier ansässig gewesene Juden aus Höchberg Opfer der „Endlösung“ geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/hoechberg_synagoge.htm).

Im Herbst 1948 standen Männer aus Höchberg vor Gericht; wegen Landfriedensbruch sowie schweren Hausfriedensbruch wurden zwei von ihnen zu vier (!) Monaten Gefängnis verurteilt; die anderen wurden freigesprochen.

 

Der Anfang der 1820er Jahre angelegte jüdische Friedhof in Höchberg war in den Folgejahrzehnten der bevorzugte Begräbnisplatz der Würzburger Rabbiner und jüdischen Lehrer sowie der nach streng- religiösen Vorschriften lebenden Juden. Heute befinden sich auf dem ca. 2.300 m² großen Begräbnisgelände noch ca. 300 Grabsteine.

 Höchberg Am Trieb Jüdischer Friedhof 05.jpgHöchberg Am Trieb Jüdischer Friedhof 03.jpg

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20222/Hoechberg%20Friedhof%20266a.jpghttp://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20222/Hoechberg%20Friedhof%20281a.jpghttp://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20222/Hoechberg%20Friedhof%20289.jpg

Teilansichten des jüdischen Friedhofs in Höchberg (Aufn. B. Sothmann, 2016, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0) und Rabbinergräber (alle Aufn. J. Hahn, 2009)

Datei:Höchberg Sonnemannstraße 36 Ehemals Synagoge.jpgehem. Synagogengebäude, heute Kirche (Aufn. Björn Sothmann, 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Heute erinnert eine Gedenktafel am Eingang der evangelisch-lutherischen Kirche (St. Matthäus-Gemeinde) an die einstige Nutzung des Gebäudes; neben einer Menora trägt diese die folgende Inschrift:

Dieses Haus wurde 1721 als Synagoge der Jüdischen Kultusgemeinde Höchberg errichtet,

1938 ausgeraubt und ist seit 1951 Gotteshaus der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Höchberg.

Im Innern befindet sich der ursprünglich an der Außenfront angebrachte Chuppastein der ehemaligen Synagoge sowie eine Darstellung des früheren Synagogenraumes; Der Stein trägt die Jahreszahl 1721 und das hebräische Zitat: „Stimme der Freude, Stimme des Jubels, Stimme des Bräutigams, Stimme der Braut"

  http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20222/Hoechberg%20Ort%20260.jpg Ein Gedenkstein für die in Höchberg während der NS-Zeit verfolgten jüdischen Bewohner (Aufn. J. Hahn, 2009) trägt die Worte:

Zum Gedenken an die jüdischen Bürger des Marktes Höchberg,

die während der nationalsozialistischen Herrschaft verfolgt wurden und im Jahre 1942 in die Vernichtungslager deportiert wurden.

Den Toten zur Ehre, den Lebenden zur Mahnung

 

Das Gebäude (Sonnemannstraße), in dem ehemals die jüdische Präparanden- und Bürgerschule Höchbergs untergebracht war, ist in einem sehr guten baulichen Zustand.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20222/Hoechberg%20Ort%20262.jpg

Gebäude der ehemaligen Präparandenschule und die Hinweistafel (Aufn. J. Hahn, 2009)

2008 wurden vor zwei Häusern in Höchberg (im Karwinkel und in der Sonnemannstraße) sechs sog. „Stolpersteine“ verlegt, die Angehörigen zweier jüdischer Familien gewidmet sind.

Höchberg - Stolpersteine Familie Bravmann.jpg Höchberg - Stolperstein Eldod, Emanuel.jpgHöchberg - Stolperstein Eldod, Miriam.jpgHöchberg - Stolperstein Eldod, Recha.jpgHöchberg - Stolperstein Eldod, Rifka.jpg

verlegt im Karwinkel u. Sonnemannstraße (Aufn. bcr, 2018, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)

Auch Höchberg beteiligt sich mit einer schlichten Holzkoffer-Skulptur am zentralen Deportations-Mahnmal für die unterfränkischen Juden in Würzburg; die Doublette des Koffers befindet sich auf dem Höchberger Marktplatz.

Für jeden der sechs jüdischen Mitbürger, die von Höchberg aus deportiert wurden, stellte man eine Kerze des Erinnerns neben dem Koffer auf.Kofferskulptur in Höchberg (Aufn. Daniela Hartlieb, 2022)

 

    Leopold (Saul) Sonnemann, der Begründer und Herausgeber der „Frankfurter Zeitung“, wurde 1831 als Sohn einer religiös-orthodoxen Kaufmannsfamilie in Höchberg geboren. Neben seiner verlegerischen Tätigkeit war Sonnemann auch politisch sehr aktiv; er wirkte maßgeblich bei der Gründung der Deutschen Volkspartei 1868 mit; er war 1871 ihr einziger Vertreter im Reichstags; sein Mandat besaß er - mit kurzer Unterbrechung - bis 1884. Auch mit seinem kommunalen Engagement machte er sich einen Namen. Leopold Sonnemann verstarb 1909 in Frankfurt/Main. In Anerkennung seiner Verdienste um seinen Geburtsort hatte ihn drei Jahre vor seinem Tode die Kommunalverwaltung zum Ehrenbürgerschaft verliehen.

 

 

 

Ca. 15 Kilometer westlich Höchbergs liegt die Ortschaft Remlingen, die bis ca. 1870 auch eine winzige jüdische Kultusgemeinde besaß. Allererste Hinweise auf Anwesenheit von einzelnen Juden im Dorf reichen bis ins ausgehende 16.Jahrhundert zurück. In den Akten des Fürstlich Castell‘schen Archivs sind ab dem 17.Jahrhundert wiederholt Belege für die Ansiedlung jüdischer Familien in Remlingen aufzufinden. Eine Kultusgemeinde entstand wohl aber erst im 18.Jahrhundert. Bei der Erstellung der Matrikellisten (1817) waren für Remlingen sechs Familienvorstände aufgeführt, die zumeist vom Kleinwarenhandel (Hausiererei) und Vierhhandel ihren Lebenserwerb bestritten. Die nur aus wenigen Familien bestehende Gemeinschaft – um 1840 waren es noch vier - verfügte über eine „Schule“ und eine Mikwe; beide Gebäude wurden nach Auflösung der Gemeinde (um 1870) verkauft und bald abgerissen. Verstorbene wurden auf dem jüdischen Friedhof in Kleinsteinach begraben. Die letzten jüdischen Bewohner verließen vermutlich noch vor 1900 das Dorf.

 

 

 

Nur wenige Kilometer von Remlingen entfernt findet man das Dörfchen Greußenheim (heute der Verwaltungsgemeinschaft Hettstadt zugehörig). Hier lebten jüdische Familien vermutlich schon seit der Zeit des 18.Jahrhunderts. In der 1820 erstellten Matrikelliste waren neun Familien erfasst. Um 1860 verfügte die kleine Gemeinde – damals aus zehn Familien sich zusammensetzend - über ein Gemeindehaus, in dem sich ein Bet- und ein Schulraum befanden. Zur Besorgung religiös-ritueller Aufgaben der Gemeinde war zumindest zeitweise ein Lehrer angestellt. Verstorbene wurden auf dem israelitischen Friedhof in Laudenbach beerdigt. In den 1920er Jahren wurde die dem Distriktrabbinat Würzburg zugewiesene kleine Gemeinde aufgelöst, das Synagogengebäude verkauft; der letzte jüdische Bewohner verließ 1936 das Dorf.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ sind acht aus Greußenheim stammende Juden Opfer der „Endlösung“ geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/greussenheim_synagoge.htm).

Das ehemalige Synagogengebäude diente mehrere Jahrzehnte als Lagerhalle der Fa. Raiffeisen; danach erfolgte ein Umbau zu einem Wohn- u. Geschäftshaus.

Seit 2023 beteiligt sich auch die Kommune Greußenheim am unterfränkischen Deportationsprojekt, dem am Würzburger Hauptbahnhof befindlichen Mahnmal ‚DenkOrt Deportationen 1941-1944‘; die Koffer- bzw. Deckenskulptur soll an die deportierten jüdischen Ortsbewohner erinnern. In Greußenheim befindet sich die Skulptur unmittelbar vor dem Rathaus.

   Datei:Greussenheim Wuerzburger Strasse DenkOrt Deportationen 04 20231006.jpgAufn. Wolfgang Keller 2023, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0.

 

 

 

Weitere Informationen:

Heinrich Simon, Leopold Sonnemann. Seine Jugendgeschichte bis zur Entstehung der Frankfurter Zeitung, Frankfurt/M. 1931

Abraham Mannheimer, Rabbiner Lazarus Ottensoser, in: "Würzburger Nachrichtenblatt. Würzburger Beiblatt der Bayrischen Israelitischen Gemeindezeitung", No.13 vom 1.7.1936.

Hermine Dietz/Euphebia Holzbauer, Auf den Spuren der jüdischen Gemeinde in Höchberg, in: F.Adam/H.Klein, 748 – 1973. Höchberg, ältester Marienwallfahrtort Frankens, einst ein Häcker- und Bauerndorf, heute eine bedeutende Vorort- u. Stadtrandgemeinde der Großstadt Würzburg, Höchberg 1973, S. 77 - 84

Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München/Wien 1979, S. 317/318

Hedwig Kleinhans, Entwicklung der jüdischen Gemeinde, ihren Mitgliedern und ihren Einrichtungen in Höchberg im 19. und 20.Jahrhundert, Zulassungsarbeit in Bayrische Landesgeschichte, Universität Würzburg 1979

Herbert Schultheis, Die Reichskristallnacht in Deutschland nach Augenzeugenberichten, in: "Bad Neustädter Beiträge zur Geschichte und Heimatkunde Frankens", Band 3, Neustadt/Saale 1985, S. 69/70

Gerhard Wilhelm Daniel Mühlinghaus, Der Synagogenbau des 17. u. 18.Jahrhunderts im aschkenasischen Raum, Dissertation, Philosophische Fakultät Marburg/Lahn, 1986, Band 2, S. 189 - 194

Gisela Krug, Die Juden in Mainfranken zu Beginn des 19.Jahrhunderts: Statistische Untersuchungen zu ihrer sozialen und wirtschaftlichen Situation, in: "Mittelfränkische Studien", Band 39/1987, Würzburg 1987, S. 19 ffJutta Sporck-Pfitzer, Die ehemaligen jüdischen Gemeinden im Landkreis Würzburg, Hrg. Landkreis Würzburg, Echter-Verlag, Würzburg 1988, S. 65 f.

Naftali Bar-Giora Bamberger, Der jüdische Friedhof in Höchberg. Memor-Buch, in: "Schriften des Stadtarchivs Würzburg", No. 8/1991

Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern - eine Dokumentation, Hrg. Bayr. Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 71/72 und S. 115

Richard Bauer, Markt Höchberg - Heimatbuch und Chronik. Eine jüdische Gemeinde entsteht, Markt Höchberg 1993, S. 103 ff.

Roland Flade, Lehrer, Sportler, Zeitungsgründer. Die Höchberger Juden und die Israelitische Präparandenschule, in: "Schriften des Stadtarchivs Würzburg", No.12, Würzburg 1998

Klaus Hinrich Stahmer, Die jüdischen Grabsteine von Höchberg, in: Markt Höchberg (Hrg.), Höchberger Lesebuch. Alltägliches, Historisches und Amüsantes aus einer Gemeinde, Höchberg 1998, S. 92 - 94

Theodor Harburger, Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, Band 2: Adelsdorf - Leutershausen, Hrg. Jüdisches Museum Franken - Fürth & Schnaiitach, Fürth 1998, S. 289 – 296

Dirk Rosenstock (Bearb.), Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle, in: "Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg", Band 13, Würzburg 2008, S. 265 - 269 (Höchberg), S. 167 (Remlingen) u. S. 193 (Greußenheim)

Sonja Laussmann (Red.), Über diese Steine soll man stolpern, in: „Mainpost“ vom 26.9.2008

Lothar Mayer, Jüdische Friedhöfe in Unterfranken, Petersberg, 2010, S. 70 - 73

Auflistung der in Höchberg verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Höchberg

Spuren jüdischer Geschichte in Stadt und Landkreis Würzburg. Ein Wegweiser für junge Leute, Hrg. Landkreis Würzburg in Zusammenarbeit mit dem Partnerlandkreis Mateh Jehuda (Israel), Würzburg 2013, S. 34 – 41

Höchberg, in: alemannia-judaica.de (u.a. mit ausführlicher Darstellung der Höchberger Präparandenschule)

Greußenheim, in: alemannia-judaica.de

Remlingen, in: alemannia-judaica.de

Cornelia Berger-Dittscheid/Hans-Christof Haas (Bearb.), Höchberg, in: W.Kraus/H.-Chr.Dittscheid/G.Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine ... Synagogen-Gedenkband Bayern, Band III/1 (Unterfranken), Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2015, S. 718 - 749

Judith Bar-Or (Red.), Der jüdische Friedhof von Höchberg, in: haGalil.com vom 14.7.2019

Roland Flade (Red.), Verschollenes Bild entdeckt: Das war die Höchberger Synagoge, in: "Main-Post" vom 4.10.2020

Matthias Ernst (Red.), 300 Jahre Synagoge in Höchberg, in: "Main-Post" vom 10.10.2021

Conny Puls (Red.), Ein Koffer erinnert in Höchberg an verschleppte jüdische Mitbürger, in: "Main-Post" vom 11.11.2021

Herbert Ehehalt (Red.), Greußenheim hat nun einen eigenen DenkOrt Deportationen, in: „Main-Post“ vom 19.11.2023