Holzappel (Rheinland-Pfalz)

Jüdische Gemeinde - Nievern (Rheinland-Pfalz)Bildergebnis für lahn Kreis ortsdienst karte Holzappel ist eine kleine Kommune mit derzeit ca. 1.100 Einwohnern westlich von Limburg/Lahn; sie gehört der Verbandsgemeinde Diez im Rhein-Lahn-Kreis an (Ausschnitt aus hist. Landkarte von 1905, aus: wikiwand.com  und  Kartenskizze 'Rhein-Lahn-Kreis', aus: ortsdienst.de/rheinland-pfalz/rhein-lahn-kreis).

 

Seit Mitte des 18.Jahrhunderts waren jüdische Familien in Holzappel ansässig; sie standen unter dem Schutz der nassauischen Herzöge.

                 In einem Schutzbrief aus dem Jahre 1815 hieß es:

WIR FRIEDRICH AUGUST

von Gottes Gnaden souveräner Herzog zu Nassau etc.

Bekennen in diesem Brief, daß Wir den Juden

Isaak Rosenthal von Holzappel, Herzogliches Amtes Nassau

in Unseren Landesherrlichen Schutz nach Holzappel angenommen haben.

Wir vergönnen ihm, daß er sich daselbst niederlasse, alle Nahrungs- und Erwerbsarten treibe, auch alle Rechte geniese, welche ihm die Judenordnung gestattet. Wir befehlen ihm aber zugleich, daß er allen Landesherrlichen Anordnungen und obrigkeitlichen Befehlen pflichtschuldigst nachkomme; im widrigen Falle aber gewärtige, daß ihm bei dem ersten Übertretungsfalle diese auf seine Lebenszeit, jedoch unter Voraussetzung des Wohlverhaltens, ertheilte Landesherrliche Gnade sogleich entzogen werde.

Wir gebieten demnach Unsern sämmtlichen Ober- und Ämtern, Schultheißen, Ortsvorständen und Unterthanen obgedachten Schutzjuden bei diesen ihm mit Gnaden ertheilten Freiheiten und Rechten gleich andern Unsern Unterthanen zu schützen und zu handhaben, ihn in seinem bürgerlichen Leben, und den ihm gestatteten Handlungs- oder Nahrungs-Gewerben weder mit Worten noch mit ihrer That zu stören, noch durch jemand anders stöhren zu lassen. ...

 

Zusammen mit den Juden aus Isselbach und Langenscheid bildeten die jüdischen Familien aus Holzappel eine Synagogengemeinde; später gehörten dieser auch Familien aus den Orten Dörnberg und Eppenrodan. Die Synagoge befand sich in einem Privathaus in der Hauptstraße.

Religiös-rituelle Aufgaben der Gemeinde besorgte zeitweise ein angestellter Lehrer; neben der religiösen Unterweisung der Kinder war er zugleich auch als Vorbeter und Schächter tätig. Die Besetzung der Lehrerstelle war einem starken Wechsel unterworfen, wie die zahlreichen Ausschreibungen derselben zeigen.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20135/Holzappel%20Israelit%2023031870.jpg (1870) http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20135/Holzappel%20Israelit%2008011872.jpg (1872)http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20135/Holzappel%20Israelit%2022061885.jpg (1885)  http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20135/Holzappel%20Israelit%2005031891.jpg (1891) http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20191/Holzappel%20Israelit%2010051900.jpg (1900)

Lange Jahre diente der alte jüdische Friedhof in Cramberg als Begräbnisstätte, ehe dann ab Mitte des 19.Jahrhunderts eine Fläche in der Holzappeler Gemarkung zur Verfügung stand. (Anm.: Der Ort Cramberg besaß keine eigene jüdische Gemeinde; die wenigen hier lebenden Familien waren der Kultusgemeinde Diez angeschlossen.)

Juden in Holzappel:

    --- 1843 ......................... 28 Juden,

    --- 1871 ......................... 42   “  ,

    --- 1885 ......................... 42   “  ,

    --- 1895 ......................... 30   “  ,

    --- 1905 ......................... 33   “  ,

    --- 1930/32 ...................... 24   “  (in 7 Familien),

    --- 1938 ......................... 15   “  .

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 378

 

Viehhandel und Metzgerei waren die Haupterwerbszweige der jüdischen Familien in und um Holzappel; Landwirtschaft wurde oft im Nebenerwerb betrieben.

Mit Beginn der NS-Diktatur verließen einige jüdische Familien Holzappel und emigrierten; Anfang 1938 lebten gerade noch 15 Juden im Ort. Sie mussten mitansehen, wie SA-Angehörige im November d. J. in die Synagoge drangen und die Inneneinrichtung demolierten; Ritualien wurden aus dem Fenster in den Schmutz geworfen. Einige Kultgegenstände konnten aber in Sicherheit gebracht werden. Über das Schicksal der in Holzappel verbliebenen jüdischen Bewohner liegen kaum Unterlagen vor; einigen Familien war es noch gelungen, nach Übersee auszuwandern.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind neun gebürtige Juden Holzappels der „Endlösung" zum Opfer gefallen (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/holzappel_synagoge.htm).

 

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20238/Holzappel%20Synagoge%20120.jpg Am Gebäude, in dem sich der einstige Betraum befand, ist eine Gedenktafel angebracht (Aufn. Gölzenleuchter), die den ff. Text trägt:

Ich habe lieb die Stätte Deines Hauses und den Ort, da Deine Ehre wohnt. Psalm 26,8

In diesem Haus befand sich die Synagoge der jüdischen Gemeinde bis zu ihrem gewaltsamen Ende 1938.

Das Geheimnis der Erlösung heisst Erinnerung.

                   Friedhof in Holzappel (Aufn. P.Kaminsky, 2017, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

                   Auf dem jüdischen Friedhof in Holzappel - auf dem Gelände befinden sich ca. 20 Grabsteine - erinnert eine Bronzetafel mit den Worten:

Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf das wir selig werden.

Friedhof der ehemaligen jüdischen Gemeinde in Holzappel

FRIEDEN DEN LEBENDEN UND DEN TOTEN

 

 

 

In Isselbach - heute ein Stadtteil von Diez - sollen sich bereits zu Beginn des 14.Jahrhunderts Juden aufgehalten haben. Während der Zeit des 19.Jahrhunderts bestand hier zeitweilig eine winzige jüdische Gemeinde mit einem Betraum. Ab den 1840er Jahren gehörte dann Isselbach – gemeinsam mit anderen Orten - zur Synagogengemeinde Holzappel.

Über die Einweihung einer neuen Thora-Rolle berichtete die Zeitschrift „Der Israelit“:

         http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20191/Holzappel%20Israelit%2029081904.jpg Zeitungsnotiz vom 29.August 1904

Um 1900 lebten in Isselbach ca. 35 jüdische Bewohner; zu Beginn der 1930er Jahre waren es noch ca. 25 Personen.

Ein Teil der jüdischen Familien verließ in den folgenden Jahren das Dorf. Im November 1938 wurden die Häuser der jüdischen Familien von SA-Angehörigen überfallen, deren Bewohner teilweise schwer misshandelt und die Wohnungen demoliert bzw. geplündert. Vier ältere Ehepaare wurden im Februar 1941 in „Judenhäuser" nach Frankfurt/M. eingewiesen und danach von dort deportiert. 

Nachweislich sind 17 gebürtige bzw. länger im Ort lebende Personen mosaischen Glaubens dem Holocaust zum Opfer gefallen (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/isselbach_synagoge.htm).

Zum 80.Jahrestag des Novemberpogrom wurde seitens der Evang. Kirchengemeinde und der Ortsgemeinde Isselbachs eine Gedenktafel enthüllt, die namentlich die ehemaligen jüdischen Einwohner aufführt, die der NS-Herrschaft zum Opfer gefallen sind.

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 384/385

Franz Gölzenleuchter, Sie verbrennen alle Gotteshäuser im Land. Jüdische Spuren im Rhein-Lahn-Kreis. Jahrzehnte danach, Limburg 1998, S. 86 - 90

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 189

Holzappel mit Langenscheid und Dörnberg, in: alemannia-judaica.de (mit zahlreichen Textdokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Isselbach, in: alemannia-judaica.de

Klaus Flick (Bearb.), Die Familien Hermnann Isselbächer und Joseph Strauß, online abrufbar unter: moebus-flick.de (von 2020)