Hünfeld (Hessen)

  KarteBildergebnis für landkreis Fulda ortsdienst karte Hünfeld ist eine Kleinstadt mit derzeit ca. 16.000 Einwohnern im osthessischen Kreis Fulda nordöstlich der Kreisstadt gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Landkreis Fulda', aus: ortsdienst.de/hessen/landkreis-fulda).

 

In der Region um Hünfeld/Burghaun lebten Juden bereits ab Mitte des 14.Jahrhunderts unter dem Schutz der Ritterschaft; die wenigen Juden in der Stadt Hünfeld unterstanden auf Grund einer königlichen Verpfändung bzw. späteren Schenkung dem Kloster Fulda. Sog. „Judenordnungen“ reglementierten den Lebensalltag der hier ansässigen jüdischen Familien. Zwischenzeitlich lassen sich keine gesicherten Hinweise auf jüdisches Leben in Hünfeld finden; erst ab Mitte des 16.Jahrhunderts sind jüdische Bewohner wieder in Hünfeld urkundlich nachweisbar.

                       Ansicht Hünfeld vor dem Brand, vor 1888hist. Zeichnung von Hünfeld (vor 1888)

Gottesdienste fanden zunächst in Privaträumen statt; nur unter schwierigsten Bedingungen konnte um 1870/1875 ein eigenes Synagogengebäude sowie ein Gemeindeschulhaus errichtet werden. Ein Großbrand vernichtete 1886 beide Gebäude. Der Gemeindevorstand rief landesweit dazu auf, für den Neubau der Synagoge zu spenden.

aus: „Der Israelit“ vom 24.März 1887

                 http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20110/Huenfeld%20Israelit%2010021887.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20110/Huenfeld%20Israelit%2005051887.jpg Spendeneingänge

Wenige Jahre später konnte der Neubau in der Bahnhofsstraße eingeweiht werden.

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20132/Huenfeld%20Israelit%2018021884.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20110/Huenfeld%20Israelit%2030091889.jpg

Stellenausschreibungen:  links: Religionslehrerstelle (1884)   -   rechts: Elementarlehrerstelle (1889)

Ab 1888 gab es am Ort eine einklassige jüdische Elementarschule, die aber kurz nach der Jahrhundertwende nur noch von sehr wenigen Schüler besucht und schließlich Anfang der 1920er Jahre ganz aufgegeben wurde; ansonsten gingen die jüdischen Kinder auf christliche Stadtschulen; nur den Religionsunterricht erteilte ein von der Gemeinde besoldeter Lehrer.

Verstorbene Juden Hünfelds fanden seit ca. 1700 auf dem Verbandsfriedhof in Burghaun ihre letzte Ruhe; begraben wurden auf diesem Sammelfriedhof alle verstorbenen Juden des Hünfelder Landes (außer Mansbach); erst ab Mitte des 19.Jahrhunderts legten dann die meisten jüdischen Landgemeinden eigene Begräbnisstätten an.

Friedhof Burghaun (Aufn. G., 2017, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Fulda.

Juden in Hünfeld:

         --- 1822 ...........................  31 Juden,

--- 1830/32 ........................  38   “  ,

    --- um 1845 .................... ca. 800   “  ,*   * gesamter Kreis Hünfeld

    --- 1852 ..........................  47   “  ,

    --- 1858 ..........................  44   “  ,

    --- 1861 ..........................  32   “  (ca. 2% d. Bevölk.),

    --- 1875 ..........................  90   “  ,

    --- 1885 .......................... 126   “  (ca. 7% d. Bevölk.),

    --- 1890 ...................... ca.  70   “  (in 12 Familien),

    --- 1905 ..........................  65   “  ,

    --- 1925 ..........................  63   “  ,

    --- 1933 ..........................  55   “  ,

    --- 1937 ..........................  37   “  (in 10 Familien),

    --- 1939 (Nov.) ...................  12   “  ,

    --- 1942 ..........................   2   “  .

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 403

und                 Elisabeth Sternberg-Siebert, Jüdisches Leben im Hünfelder Land: Juden in Burghaun, S.23

 

Die wirtschaftliche Lage der wenigen in Hünfeld lebenden jüdischen Familien war recht bescheiden; ihren Lebensunterhalt verdienten sie sich zumeist als Kleinhändler und Hausierer, aber auch als Viehhändler. Mit der zunehmenden Industrialisierung gegen Ende des 19.Jahrhunderts etablierten sich auch kleine Ladengeschäfte in Hünfeld.

 

  Gewerbliche Anzeigen um 1880 und 1925/1930

Anfang der 1930er Jahre lebten in Hünfeld etwa zwölf Familien jüdischen Glaubens. Der auch in Hünfeld am 1. April 1933 durchgeführte Boykott lief ins Leere, da die betroffenen Geschäfte an diesem Tage geschlossen hatten.

Im Frühjahr 1935 wurden auf zwei jüdische Geschäfte jüdischer Besitzer Anschläge verübt; als Anstifter galt der hiesige NS-Kreisbauernführer. Noch vor dem Novemberpogrom hatte ein Großteil der Hünfelder Juden Hünfeld verlassen.

In den Morgenstunden des 10.November 1938 brannte die Hünfelder Synagoge nieder. Darüber berichtete das „Hünfelder Kreisblatt” vom 11.11.1938 wie folgt:

Eine flammende Warnung !

Die Synagogen im Hünfelder Land eingeäschert.  Ein flammender Protest auf den feigen jüdischen Meuchelmord ... hat den Juden die Augen darüber geöffnet, daß das national- sozialistische Deutschland nicht mehr gewillt ist, länger mit sich spaßen zu lassen. ... Gestern morgen gegen 8 Uhr brach in der hiesigen Synagoge ein Brand aus, der rasch um sich griff. ... Die Synagoge ... ist restlos ausgebrannt, lediglich die Hauswände stehen noch. ... Die Brandstätte wurde von vielen Volksgenossen am Tage besichtigt, und wir konnten schon feststellen, daß dem Judentempel keine Träne nachgeweint wurde; jedermann war froh, daß die anstoßenden Gebäude unbeschädigt geblieben sind.  Aehnlich wie in Hünfeld erging es den Juden und ihren Synagogen in Burghaun, Rhina, Eiterfeld und Mansbach. ...

 

Die letzten acht noch in Hünfeld lebenden Juden wurden am 8.Dezember 1941 - via Kassel - nach Riga bzw. Anfang September 1942 nach Theresienstadt deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind 30 gebürtige bzw. länger in Hünfeld wohnhaft gewesene Juden Opfer der Shoa geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/huenfeld_synagoge.htm).

 

In der Rathausgasse erinnert seit 1985 eine Gedenktafel an die ehemaligen jüdischen Bewohner Hünfelds:

In Erinnerung an die ehemaligen jüdischen Mitbürger von Hünfeld,

die Opfer der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus 1933-1945 geworden sind.

Hünfeld im Jahre 1985.    Der Magistrat der Stadt Hünfeld.

Am Gebäude der ehem. Synagoge in der Gartenstraße wird wie folgt informiert:

 http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20408/Huenfeld%20Synagoge%20091.jpg Infotafel (Aufn. Hartmut Zimmermann)

Auf private Initiative hin nahm die Kommune das Jubiläumsjahr „700 Jahre Stadtrecht“ (2010) zum Anlass, um in der Stadt sog. „Stolpersteine“ zu verlegen; derzeit findet man an fünf Standorten 14 dieser messingfarbener Steinquader (Stand 2023).

Stolperstein Hünfeld Brunnenstraße 4 Isaak WürzburgerStolperstein Hünfeld Brunnenstraße 4 Klara Würzburger Stolperstein Hünfeld Brunnenstraße 4 Manfred Weinberg Stolperstein Hünfeld Fuldaer Berg 9 Isak Steinberger  Stolperstein Hünfeld Gartenstraße 1 Isaak Wertheim Stolperstein Hünfeld Gartenstraße 1 Frieda Wertheim Stolperstein Hünfeld Gartenstraße 1 Emilie Strauss alle Aufn. Gmbo, 2013, aus: wikipedia.org, CCO

 

 

 

Im Altkreis Hünfeld besaßen im Laufe der Geschichte zwölf Orte jüdische Bewohner und spätestens zu Beginn des 19.Jahrhunderts autonome Synagogengemeinden, dazu gehörten: Buchenau, Burghaun, Eiterfeld, Erdmannrode, Langenschwarz, Mackenzell, Mansbach, Rhina, Rothenkirchen, Steinbach und Wehrda.

         (Karte aus: E. Sternberg-Siebert, Auf den Spuren jüdischen Lebens im Hünfelder Land)

[vgl. Burghaun, Eiterfeld, Erdmannrode, Mansbach, Rhina und Wehrda (Hessen)]

 

In Mackenzell gab es seit dem 18.Jahrhundert eine kleine jüdische Gemeinde. Möglicherweise lebten die ersten Familien in der - noch 1934 - sog. „Judengasse“. In der Judenmatrikel des Hochstifts Fulda von 1801 sind für Mackenzell fünf jüdische Haushaltungen verzeichnet. Ihren zahlenmäßigen Höhepunkt erreichte die Gemeinde mit zehn Familien gegen Mitte des 19.Jahrhunderts. Der Betsaal war in einem Privathaus untergebracht. Einen eigenen Friedhof gab es nicht; Verstorbene wurden in Burghaun beerdigt. Antijüdische Ausschreitungen („Hungerkrawalle“), die in den 1840er Jahren durch das Hünfelder Land gingen, hatten im Frühjahr 1847 in Mackenzell begonnen. Bereits um 1880 hatten fast alle Juden ihr Heimatdorf verlassen; die Gemeinde wurde aufgelöst.

 

Der aus Mackenzell stammende Rudolf Plaut (geb. 1843), Sohn eines Viehhändlers, war nach seiner rabbinischen Ausbildung in verschiedenen Gemeinden (Schwersenz, Karlsbad, Frankfurt a.M.) tätig. Der der jüdischen Reformbewegung angehörige Rabbiner Plaut galt als hervorragender Prediger und engagierte sich als Seelsorger. Nach seiner Erblindung musste er seine Tätigkeit als Rabbiner aufgeben. Er verstarb 1914 in Frankfurt/Main.

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 403 - 405

Naftali Herbert Sonn/OttoBerge, Schicksalswege der Juden in Fulda und Umgebung, Fulda 1984, S. 78 f.

Hermann Josef Hohmann, Die Juden in der Ritterschaft. Versuch einer Beschreibung der jüdischen Gemeinden im ehemaligen Kreis Hünfeld von ihren Anfängen bis zum Beginn des 20.Jahrhunderts, Unveröffentlichte Hausarbeit, Cölbe 1984

Rudolf Summa, Jüdische Geschichte des Hünfelder Landes: Als die Synagogen brannten. 300 Jahre Geschichte der Juden in Hünfeld und Umgebung im Rückblick, in: "Hünfelder Zeitung" vom 14.4.1985

Rudolf Summa, Der Novemberpogrom 1938 in Hünfeld und Burghaun, in: "Buchenblätter - Heimatgeschichtliche Beilage der Fuldaer Zeitung", No. 26/1986

Elisabeth Sternberg-Siebert, Jüdisches Leben im Hünfelder Land: Juden in Burghaun, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2001

Hünfeld, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Mackenzell, in: alemannia-judaica.de

Elisabeth Sternberg-Siebert, Deportation der Hünfelder Juden nach Riga, in: "Buchenblätter - Heimatgeschichtliche Beilage der Fuldaer Zeitung", No. 06-08/2002

Elisabeth Sternberg-Siebert, Jüdisches Leben im Hünfelder Land: Die Familie Joseph Strauss in Hünfeld, Fulda 2006 (zweisprachige Ausgabe)

Claudia Köhler (Red.), Pflastersteine sollen an ermordete Juden erinnern, in: "Fuldaer Zeitung“ vom 19.10.2009

Michael Imhof (Hrg.), Juden in Deutschland und 1000 Jahre Judentum in Fulda, hrg. von Zukunft Bildung Region Fulda e.V., Michael Imhof Verlag, Petersberg 2011, S. 334 – 339 (Hünfeld) und S. 344/345 (Mackenzell)

Elisabeth Sternberg-Siebert, Auf den Spuren jüdischen Lebens im Hünfelder Land - Internet-Präsentation (mit zahlreichen Informationen), abrufbar unter: juedspurenhuenfelderland.de/die-jüdischen-gemeinden/huenfeld

Auflistung der in Hünfeld verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Hünfeld