Igersheim/Tauber (Baden-Württemberg)
Igersheim ist eine Kommune mit derzeit ca. 5.500 Einwohnern im Main-Tauber-Kreis im Nordosten Baden-Württembergs – nur wenige Kilometer östlich von Bad Mergentheim gelegen (Kartenskizze 'Main-Tauber-Kreis', F. Paul 2009, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).
Jüdische Ansiedlung in Igersheim können erst im 16.Jahrhundert urkundlich nachgewiesen werden; es ist allerdings sehr wahrscheinlich, dass bereits im Hochmittelalter Juden hier lebten, da das Taubertal damals zu den Gebieten mit einer relativ hohen Anzahl jüdischer Bewohner zählte. Die wenigen Juden Igersheims standen unter dem Schutz des Deutschen Ordens und lebten vor allem vom Viehhandel und Geldgeschäft. Während des Dreißigjährigen Krieges förderte der Hochmeister des Deutschen Ordens weitere schutzgeldpflichtige Ansiedlungen in Igersheim, in der Hoffnung, mit ihrer Hilfe die Kriegsschäden beheben zu können. Dieser Judenpolitik des Landesherrn widersetzten sich aber die christlichen Igersheimer, die ihre wirtschaftlichen Interessen bedroht sahen. So kam es z.B. 1674 in Igersheim zu gewaltsamen Ausschreitungen gegen Juden, wobei jüdischer Besitz zerstört und geplündert wurde; auch die Inneneinrichtung des Betraums wurde zerstört, Ritualgegenstände verbrannt. Offenbar hatten in Igersheim einquartierte Soldaten diese Gewalttaten initiiert. Nach dem Pogrom wurde der Betraum offenbar wiederhergestellt.
Im 18.Jahrhundert blieb die Zahl der in Igersheim lebenden jüdischen Familien nahezu konstant; als Igersheim 1809 an das Königreich Württemberg fiel, lebten am Ort etwa 50 Juden. Zu Beginn des 19.Jahrhunderts war die wirtschaftliche Situation der Igersheimer Juden schlecht; mit Ausnahme von drei Viehhändlern lebten die meisten am Rande des Existenzminimums.
Die jüdische Gemeinde Igersheim - zu ihr zählten auch die Juden aus Markelsheim - gehörte seit 1828 zum neugebildeten Rabbinat Mergentheim; die religiöse Ausrichtung der Gemeindemitglieder war konservativ; sie beachteten streng die althergebrachten rituellen Gesetze und widerstanden weitgehend einer Assimilierung.
Die 1832/1833 errichtete Synagoge befand sich in der Burgstraße. Als um 1900 die Zahl der Igersheimer Juden für einen Minjan nicht mehr ausreichte, verlegte man den Sitz der Kultusgemeinde nach Markelsheim, da hier die Zahl der Gemeindeangehörigen noch etwas größer war.
Ihre Verstorbenen beerdigten die Igersheimer Juden „seit frühesten Zeiten“ auf dem Friedhof in Unterbalbach.
Die kleine Kultusgemeinde war dem Rabbinat Mergentheim zugeordnet.
Juden in Igersheim:
--- um 1670 ....................... 2 jüdische Familien,
--- 1605 .......................... 3 “ “ ,
--- 1638 .......................... 8 “ “ (37 Pers.),
--- 1795 .......................... 10 “ “ ,
--- 1812 .......................... 53 Juden,
--- 1840 .......................... 51 “ ,
--- 1854 .......................... 45 “ ,
--- 1869 .......................... 25 “ ,
--- 1880 .......................... 26 “ ,
--- 1910 .......................... 11 “ ,
--- 1933 .......................... 11 “ ,
--- 1941 (Okt.) ................... 5 “ ,
(Dez.) ................... keine.
Angaben aus: Elmar Weiß, Die Juden in Igersheim
und Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern, S. 124
Für die NS-Zeit liegen nur wenige Informationen über die wenigen noch hier lebenden jüdischen Ortsbewohner vor. Zu gewalttätigen Übergriffen auf einzelne jüdische Männer soll es aber schon Anfang April 1933 durch NSDAP-Angehörige gekommen sein. Bis Ende 1939 gelang einigen jüdischen Bewohnern noch die Emigration. Die letzten fünf Juden mussten Ende November 1941 ihren Heimatort verlassen; über Stuttgart wurden sie ins Ghetto von Riga deportiert und wenig später ermordet.
Mindestens sechs gebürtige Igersheimer mosaischen Glaubens wurden nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/synagoge_igersheim.htm).
In Igersheim erinnert heute nichts mehr an die frühere jüdische Gemeinde; nur auf dem jüdischen Friedhof in Unterbalbach sind noch einige Grabsteine verstorbener Igersheimer Juden zu finden.
An Angehörige der beiden jüdischen Familien Hartheimer und Rosenheimer erinnern seit 2009 in der Goldbachstraße bzw. der Bad Mergentheimer Straße fünf sog. „Stolpersteine“.
[vgl. Markelsheim (Baden-Württemberg)]
Weitere Informationen:
Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale - Geschichte - Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1966, S. 124/125
Utz Jeggle, Judendörfer in Württemberg, in: "Untersuchungen des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen", Bd. 23, Tübingen 1969
Elmar Weiß, Jüdisches Schicksal im Gebiet zwischen Neckar und Tauber, in: Veröffentlichungen der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Stuttgart 1979
Elmar Weiß, Die Juden in Igersheim, Hrg. Gemeindeverwaltung Igersheim, 1984
Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, S. 343/344
Igersheim, in: alemannia-judaica.de
Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 221 – 223
Thomas Weller (Red.), Geplante Stolpersteinaktion in Igersheim, in: "Tauber-Zeitung“ vom 22.1.2009
Auflistung der in Igersheim verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Igersheim
Gerald Mechsner, Igersheimer Familien im Königreich Württemberg (1806-1920), Band 1, Igersheim 2012