Ilvesheim/Neckar (Baden-Württemberg)

Bildergebnis für landkreis Heidelberg ortsdienst karte Ilvesheim ist eine Kommune im Nordwesten des Rhein-Neckar-Kreises mit derzeit etwa 9.200 Einwohnern – ca. zehn Kilometer östlich von Mannheim gelegen (Kartenskizze 'Rhein-Neckar-Kreis', aus: ortsdienst.de/baden-wuerttemberg/rhein-neckar-kreis).

Ilvesheim-1780.png

Blick vom Seckenheimer Schloss auf Ilvesheim, um 1780 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

 

Im bis 1803 zur Kurpfalz gehörenden Dorfe Ilvesheim bildete sich im Laufe des 18.Jahrhunderts eine zahlenmäßig relativ starke jüdische Gemeinde heraus, die bis um 1850 noch weiter anwuchs. Wie überall in den Landgemeinden setzte danach eine Abwanderung - vor allem in größere Städte - ein.

Bereits um 1700 verfügten die Ilvesheimer Juden über einen Betsaal; um 1810 wurde dann eine neue Synagoge in der Hauptstraße eingeweiht. Das Synagogengebäude lag unmittelbar hinter einem Hochwasserdamm („Juddedamm“); dieser Standort war verantwortlich für Bauschäden, da die Neckar-Fluten bei Hochwasser nicht schnell genug abfließen konnten und die Fundamente und Mauern stark durchfeuchteten. Dies führte zu einem Konflikt zwischen jüdischer Gemeinde und Kommune, weil sich letztere weigerte, für die entstandenen Schäden aufzukommen. 1851 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen jüdischer Gemeinde und dem Mannheimer Rabbiner Löb Ettlinger; dabei ging es um ein den Männer- vom Frauenraum trennendes Holzgitter, das ohne Genehmigung des Rabbinats entfernt worden war. Schließlich konnte sich die Gemeinde gegen den Rabbiner, der meinte, das Gitter sei „nach israelitischen Dogmen erforderlich“, durchsetzen. Von 1835 bis 1870 befand sich im Synagogengebäude auch die jüdische Schule.

              Ausschreibung einer Lehrerstelle von 1836

                  aus der Zeitschrift "Der Israelit"  vom 10.6.1897https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20459/Ilvesheim%20Israelit%2018970610.jpg

Zur Ilvesheimer Gemeinde zählten auch die wenigen Juden aus Seckenheim; in den 1920er Jahren wohnten im Ort 13 Personen mosaischen Glaubens

Ein Beerdigungsgelände an der Ecke Scheffelstraße/Hebelstraße diente seit 1860 verstorbenen Gemeindeangehörigen als letzte Ruhestätte; bis zu diesem Zeitpunkt wurden Verstorbene auf dem jüdischen Verbandsfriedhof in Hemsbach beerdigt.

Zuständiger Rabbinatssitz für die Ilvesheimer Juden war Ladenburg.

Juden in Ilvesheim:

    --- um 1785 ........................   9 jüdische Familien,

    --- 1825 ........................... 150 Juden (ca. 15% d. Bevölk.),

    --- 1842 ........................... 150   “  ,

    --- 1864 ........................... 156   “  ,

    --- 1875 ........................... 107   “  ,

    --- 1900 ...........................  53   “   (ca. 3% d. Bevölk.),

    --- 1910 ...........................  38   “  ,

    --- 1925 ...........................  23   “  ,

    --- 1933 ...........................  28   “  ,

    --- 1940 (Sept.) ...................   7   “  ,

             (Nov.) ....................  keine.

Angaben aus: F.Hundsnurscher/G.Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden - Denkmale, ..., S. 140                                                                  

 

Die Ilvesheimer Juden verdienten im 19. Jahrhundert oft als Hausierer und Makler ihren Lebensunterhalt. Zu Beginn der NS-Zeit waren im Ort noch drei Geschäfte in jüdischem Besitz. Auf Grund des Wirtschaftsboykotts mussten diese wenige Jahre später schließen; ihre Eigentümer wanderten aus Ilvesheim ab: ein Teil emigrierte in die USA, andere verzogen nach Mannheim.

In der Pogromnacht demolierten SA-Angehörige das Synagogeninnere; auch der jüdische Friedhof wurde geschändet. Sechs jüdische Männer wurden „in Schutzhaft“ genommen und ins KZ Dachau überführt. Im Rahmen der sog. „Bürckel-Aktion“ wurden im Oktober 1940 fünf der insgesamt sieben noch in Ilvesheim lebenden jüdischen Bewohner ins französische Gurs deportiert; nur ein einziger von ihnen hat die Shoa überlebt. Nachweislich verloren insgesamt mindestens 24 gebürtige bzw. längere Zeit hier ansässig gewesene Ilvesheimer Juden während der NS-Verfolgungen ihr Leben (namentliche Nennung der Opfer in: alemannia-judaica.de/ilvesheim_synagoge.htm).

 

Nach Kriegsende ging das ehemalige Synagogengebäude in Privatbesitz über und wird bis heute zu Wohnzwecken genutzt.

Ehem. Synagogengebäude (Aufn. Swetasch, 1965, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Der Ecke Scheffelstraße/Hebelstraße liegende jüdische Friedhof weist auf einer Fläche von ca. 700 m²  etwa 60 Grabmale auf; der älteste Grabstein datiert von 1860.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2020/Ilvesheim%20Friedhof%20152.jpg Teilansicht des Friedhofs (Aufn. J. Hahn, 2003)

2010 weihte man in Ilvesheim ein Denkmal ein, das an die Deportation von 1940 und die jüdischen NS-Opfer erinnern soll; die 13 Stelen stehen symbolisch für die Anzahl der aus Ilvesheim umgekommenen Personen mosaischen Glaubens.

         Mahnmal (Aufn. M. Ohmsen, 2010, aus: alemannia-judaica.de)

http://www.konradsblatt-online.de/im/img/_KrGYSQLbSrXmS-LWn6dWs-dWp6LYIDg5FrEaKjDJ8WLmSlK5fOc5SDtf8JDYVjq_F_/s,x,500,y,283/f,j/ilvesheim_web.jpg Im Rahmen des ökumenischen Jugendprojektes zur Erinnerung an die Deportationen der badischen Juden nach Gurs erstellte der Steinmetz Detlef Kleineidam einen Memorialstein (Abb. aus: konradsblatt-online.de), der – wie viele andere auch – einen Platz in der zentralen Gedenkstätte von Neckarzimmern gefunden hat. Schüler/innen der Schloss-Schule Ilvesheim (Schule für Blinde und Sehbehinderte) waren bei der Gestaltung des Ilvesheimer Gedenksteines eingebunden.

Die Verlegung von sog. „Stolpersteinen“ wurde in der Vergangenheit seitens des Gemeinderates zunächst abschlägig beschieden; doch 2019 wurde der nochmals eingebrachte Antrag für die Teilnahme Ilvesheims am "Stolperstein"-Projekt dann positiv beschieden. Die ersten beiden Steine zum Gedenken an Fanny und Hilda Löb fanden dann ein Jahr später in der Hauptstraße ihren Platz in der Gehwegpflasterung. Die Verlegung weiterer Stolpersteine folgte.

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20459/Ilvesheim%20Sto%2020210430%20013.jpghttps://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20459/Ilvesheim%20Sto%2020210430%20014.jpg Aufn. Torsten Gertkemper, 2020  und  gruene-ilvesheim.de, 2021

 

 

 

Weitere Informationen:

Karl Kollnig, Ilvesheim in Vergangenheit und Gegenwart, o.O. 1931

Hans Huth, Die Kunstdenkmäler des Landkreises Mannheim, in: "Die Kunstdenkmäler Badens", X,3 /1967, S. 125

F.Hundsnurscher/G.Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden - Denkmale, Geschichte, Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1968, S. 140/141

Hansjörg Probst, Ilvesheim im Wandel der Zeit, o.O. 1983

Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, S. 468/469

Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 225 f. 

Ilvesheim mit Seckenheim, in: alemannia-judaica.de

Regina Weibel (Red.), 13 Stelen bilden Fragezeichen, in: „Mannheimer Morgen“ vom 31.7.2010

Axel Sturm (Red.), Ilvesheim stellt sich seiner Vergangenheit, in: “Rhein-Neckar-Zeitung“ vom 18.2.2015

Peter Jaschke (Red.), Ilvesheim – Gemeinderat lehnt „Stolpersteine“ ab - Ein Mahnmal reicht, in: „Mannheimer Morgen“ vom 27.10.2018

Hartwig Trinkaus (Red.), Fritz und Julius Bär nahmen sich das Leben, in: „Mannheimer Morgen“ vom 12.6.2019 (betr. Seckenheim)

Neu (Red.), Ilvesheim. Erneuter Anlauf für Stolpersteine, in: „Mannheimer Morgen“ vom 29.10.2019

Torsten Gertkemper (Red.), Ilvesheim: Stolpersteine kommen doch, in: „Mannheimer Morgen“ vom 23.11.2019

Peter Jaschke (Red.), Ilvesheim. Steine gegen das Vergessen, in: „Mannheimer Morgen“ vom 21.9.2020

Torsten Gertkemper (Red.), Beschädigte Stolpersteine in Ilvesheim: Ermittlingen eingestellt, in: „Mannheimer Morgen“ vom 20.11.2020

Torsten Gertkemper (Red.), Weitere Stolpersteine erinnern an Juden aus Ilvesheim, in: „Mannheimer Morgen“ vom 22.10.2021

Markus Enzenauer schreibt derzeit an einer Ortschronik