Jamnitz (Mähren)

 DatschitzMap Czech Jemnice.PNG Jamnitz (auch Jemnitz), nahe der niederösterreichischen Landesgrenze im mährischen Hochland gelegen, war 1327 zur „freien königlichen Stadt“ erhoben worden; es ist die heutige tschechische Kleinstadt Jemnice mit derzeit ca. 4.000 Einwohnern (Ausschnitt aus hist. Landkarte, aus: europe1900.eu  und  Kartenskizze 'Tschechien' mit Jemnice rot markiert).

 

Angeblich soll die jüdische Gemeinde Jamnitz die älteste in Mähren gewesen sein.

Nachweislich wohnten jüdische Familien in Jamnitz bereits in der ersten Hälfte des 14.Jahrhunderts. Ende der 1330er Jahre sollen auch die Jamnitzer Juden - wie viele andere Judengemeinden - verfolgt worden sein; danach lassen sich erneut jüdische Bewohner nach 1362 nachweisen. Ob im 15.Jahrhundert die Juden auch aus Jamnitz vertrieben wurden, lässt sich nicht eindeutig nachweisen. Erst im 16. Jahrhundert finden sich wieder zahlreiche Belege für jüdische Ansässigkeit in Jamnitz. In der Folgezeit gestand die protestantische Gutsherrschaft den Juden der Stadt - anders als in anderen mährischen Orten - Privilegien zu.

Unter der Regierungszeit Karls VI. setzte sich eine judenfeindliche Politik durch; so mussten von nun an die jüdischen Bewohner - streng separiert von der übrigen Bevölkerung - ghettoartig in der „Judengasse“ leben. Eine im Jahre 1752 datierte Brandkatastrophe zerstörte weitgehend die "Judengasse" und die Synagoge; dies führte zu einer weiteren Verarmung der jüdischen Familien. Ein Großbrand 1832 zerstörte innerhalb weniger Stunden ganze Stadtteile, darunter auch den jüdischen Wohnbezirk. 1849 wurde das Ghetto offiziell aufgehoben.

Trotz der judenfeindlichen Politik der Regierung unter Maria Theresia kam es in Jamnitz zu keinen Ausweisungen, da sich die damalige gräfliche Grundherrin für ein Verbleiben der jüdischen Familien in der Stadt einsetzte. Die Judengemeinde musste das Bleiben allerdings mit hohen Kontributionen erkaufen.

Um 1650 erbaute die hiesige Judenschaft ihre Synagoge.

  

Synagoge - hist. Aufn. von 1929 (aus: zanikleobce.cz)  und  Gemeindesiegel

Seit 1812 verfügte die Gemeinde über eine eigene Schule, die zunächst als reine Religions-, ab 1869 als Elementarschule geführt wurde; die Schule hatte bis in die Zeit kurz nach dem Ersten Weltkrieg Bestand.

Zur Kultusgemeinde Jamnitz gehörte nach 1890 der gesamte Gerichtsbezirk Jamnitz und darüber hinaus auch der von Datschitz.

[vgl. Pullitz (Mähren)]

Die ältesten Grabsteine des vermutlich aus dem 14.Jahrhundert stammenden Judenfriedhofs von Jamnitz datieren aus den 1670er Jahren.

Juden in Jamnitz:

         --- 1627 .........................  23 jüdische Familien,

--- um 1665 ......................  24     “       “    ,

    --- 1715 .........................  30     “       “    ,

    --- um 1790 ......................  58     “       “    (ca. 260 Pers.),

    --- 1821 ......................... 187 Juden,

    --- um 1830/35 ............... ca. 320   “  ,

    --- 1848 ......................... 275   “  ,

    --- 1857 ......................... 305   “  ,

    --- 1869 ......................... 195   “  , (andere Angabe: 143 Pers.)

    --- 1880 ......................... 149   “  ,

    --- 1890 ......................... 140   “  ,

    --- 1900 .........................  95   “  ,

    --- 1921 .........................  84   “  ,

    --- 1930 .........................  52   “  .

Angaben aus: Theodor Haas, Juden in Mähren - Darstellung der Rechtsgeschichte und Statistik ...,                       

und                 Hugo Gold, Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden Mährens

 

Ausschreitungen gegen die Jamnitzer Juden sind aus dem Jahre 1866 bekannt; aus nichtigem Anlass drang eine fanatisierte Menschenmenge in von jüdischen Familien bewohnte Häuser ein und attackierte die Bewohner. Erst das Eingreifen der Jamnitzer Bürgergarde machte den Gewaltakten ein Ende.

Um 1830 hatte die Zahl der Gemeindeangehörigen ihren Zenit erreicht; knapp 100 Jahre später zählte die Jamnitzer Judenschaft nur noch ca. 50 Personen. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges besaß Jamnitz keinen eigenen Rabbiner mehr; deshalb schloss es sich dem Rabbinat von Znaim an. Anfang der 1930er Jahre wohnten dann nur noch sehr wenige jüdische Familien in Jamnitz.

 

Teile des ehemaligen jüdischen Viertels sind bis heute erhalten; das Synagogengebäude hingegen wurde während der NS-Zeit zerstört.

                    Blick ins ehem. jüdische Viertel (Aufn. aus: dedictvivysociny.cz)

Am ehemaligen Standort der Synagoge erinnert ein Gedenkstein mit einer dort angebrachten Relieftafel an die alte Jamnitzer Synagoge und an die vom Holocaust ausgelöschte Gemeinde.

Jemnice Gedenktafel 671.jpg Gedenktafel (Aufn. GFreihalter, 2017, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

Vom jüdischen Friedhof, einem der ältesten Begräbnisstätten Mährens, zeugen heute noch eine Reihe von Grabsteinen.

Jemnice Jüdischer Friedhof 678.jpg

 Ansicht des jüdischen Friedhofs in Jemnice (Aufn. GFreihalter, 2017, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

  Aufn. Jitka Erbenová, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0

 

 

 

Im nordwestlich gelegenen Datschitz (tsch. Dacice, derzeit ca. 7.600 Einw.) lebten seit dem 16.Jahrhundert vereinzelt jüdische Familien. Erst nach 1848 zogen wenige Juden zu; 1890 lebten 75 jüdische Einwohner im Städtchen, 1921 waren es nur noch 44 Personen. Die jüdischen Familien waren zuletzt der Kultusgemeinde von Jamnitz angeschlossen.

 

 

 

Nahe der kleinen Ortschaft Police u Jemnice – wenige Kilometer südöstlich von Jamnitz gelegen – gibt es einen jüdischen Friedhof, der vermutlich im Laufe des 17.Jahrhunderts angelegt worden ist. Das seit 1988 als „geschütztes Kulturdenkmal“ ausgewiesene Areal besitzt heute noch ca. 300 Grabsteine auf, von denen die ältesten aus dem ausgehenden 17.Jahrhundert datieren.

Police (okres Třebíč) - židovský hřbitov (3).JPGPolice (okres Třebíč) - židovský hřbitov (17).JPG

Jüdischer Friedhof bei Police (Aufn. Martin Veselka, 2014, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

 

Weitere Informationen:

Theodor Haas, Juden in Mähren - Darstellung der Rechtsgeschichte und Statistik unter besonderer Berücksichtigung des 19.Jahrhunderts, Brünn 1908

Arthur Marmorstein, Zur Geschichte der Juden in Jamnitz, Jamnitz 1910

Rudolf Hruschka (Bearb.), Geschichte der Juden in Jamnitz, in: Hugo Gold (Hrg.), Die Juden und Judengemeinden Mährens in Vergangenheit und Gegenwart, Jüdischer Buch- und Kunstverlag Brünn, Brünn 1929, S. 251 - 266

Hugo Gold, Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden Mährens, Olamenu-Verlag, Tel Aviv 1974, S. 44/45 und S. 66/67

Germania Judaica, Band III/1, Tübingen 1987, S. 586/587

Jaroslav Klenovský, Židovská ctvr v Jemnici [Das jüdische Viertel in Jamnitz], Jemnice 1994

Michael Stehlík, Židovská komunita v Dacicích, Praha 1997

Pavlina Honzíková, Die jüdische Gemeinde in Jemnice, Schülerarbeit des Gymnasiums MORAVSKÉ Budejovice (online abrufbar)