Kaisersesch (Rheinland-Pfalz)

Bildergebnis für Mayen historische KartenBildergebnis für landkreis cochem zell karte Kaisersesch ist heute eine ca. 3.300 Einwohner zählende Kleinstadt im Landkreis Cochem-Zell – südwestlich von Koblenz bzw. ca. zehn Kilometer nördlich von Cochem gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Landkreis Cochem-Zell', Hagar 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Vermutlich lebten bereits seit der Stadtwerdung (1341) jüdische Bewohner in Kaisersesch; zumindest hielten sich Juden zeitweilig zu Handelszwecken am Marktort auf. Nachweisbare schriftliche Belege über jüdisches Leben in und um Kaisersesch setzen aber erst Anfang des 19.Jahrhunderts ein. Ihren Lebensunterhalt verdienten die zunächst nur wenigen Juden im Viehhandel und Metzgerhandwerk, später vermehrt auch im Klein- und Einzelhandel. Ihre Behausungen lagen anfänglich im Bereich des Oberen Stadttors. Erst gegen Mitte des 19.Jahrhunderts entwickelte sich eine jüdische Gemeinde.

Gottesdienstlicher Mittelpunkt der Judenschaft von Kaisersesch war ihr Gebetssaal in einem Gebäude (im Volksmund "Judenschule" genannt) an der Ecke Koblenzer Straße/Balduinstraße. Zur Besorgung religiös-ritueller Aufgaben war seitens der Gemeinde vermutlich zeitweilig ein Lehrer angestellt.

Gebäude, in dem sich der Betsaal befand (Aufn. Harald Wagener, um 1990)

Mit Ausnahme des Faches Religion erhielten die jüdischen Kinder in der hiesigen Volksschule ihren Elementarunterricht.

Bis 1920 begrub die jüdische Gemeinde ihre verstorbenen Angehörigen auf dem zentralen Friedhof in Binningen, auf dem auch die Toten der umliegenden Ortschaften Düngenheim, Hambuch, Masburg und Müllenbach ihre letzte Ruhe fanden. Danach besaß die Gemeinde einen eigenen Begräbnisplatz an einem Hang südlich der Ortschaft („Auf der Klopp“).

Ab 1895 war Kaisersesch die zweitgrößte jüdische Gemeinde im Kreis Cochem-Zell; nur die Kultusgemeinde in der Stadt Cochem hatte mehr Mitglieder. In den 1930er Jahren gehörten zur Synagogengemeinde Kaisersesch auch Düngenheim, Hambuch, Illerich und Müllenbach.

Juden in Kaisersesch:

    --- 1856 ..........................  13 Juden,

    --- um 1880 ................... ca.  30   “  ,

    --- 1890 ..........................  44   “  ,

    --- 1895 ..........................  52   “  ,

    --- 1910 ..........................  44   “   (ca. 3% d. Bevölk.),

    --- um 1920 ................... ca. 150   “  ,*   * gesamte Bürgermeisterei K.

    --- 1925 ..........................  37   “  ,

    --- 1936 ..........................  41   “  ,

    --- 1938/39 .......................  27   “  ,

    --- 1942 (Mai) ....................  keine.

Angaben aus: Angelika Schleindl, Spuren der Vergangenheit - Jüdisches Leben im Landkreis Cochem-Zell, S. 220

 

Zu Beginn der NS-Zeit lebten in Kaisersesch noch knapp 40 jüdische Bewohner.

Während des Novemberpogroms demolierten einheimische und aus Cochem stammende SA-Angehörige das hiesige Gebetshaus; auch in einige Wohnungen jüdischer Einwohner drangen die Täter ein, zerschlugen Mobiliar und drangsalierten deren Bewohner.

Anm.: Nach 1945 wurde das Gebäude an einen Privatmann verkauft, der es zu einem Wohnhaus umbaute.

1942 wurden 16 jüdische Bewohner von Kaisersesch - zusammen mit etwa 20 anderen Personen aus umliegenden Ortschaften - in das „Judenhaus“ an der Hambucher Straße eingewiesen; von nun an wurde jede Bewegung seiner Bewohner streng kontrolliert. Ende April 1942 wurden diese Menschen zum Bahnhof Cochem gebracht und von hier - via Koblenz-Lützel - deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden nachweislich 43 gebürtige bzw . länger am Ort ansässig gewesene jüdische Bewohner aus Kaisersesch Opfer des Holocaust (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/kaisersesch_synagoge.htm).

 

Seit dem Frühjahr 1992 erinnert eine Gedenktafel an der alten Molkerei daran, dass vor 50 Jahren von hier aus die letzten Juden Kaiserseschs in die Vernichtungslager abtransportiert wurden. Eine zweite, an der Alten Schule angebrachte Tafel trägt den folgenden Text:

Zum Gedenken an die jüdischen Mitbürger der Ortsgemeinde Kaisersesch,

die durch nationalsozialistischen Terror eines gewaltsamen Todes sterben mußten oder vertrieben wurden.

Den Lebenden zur Mahnung

30.04.1992 Ortsgemeinde Kaisersesch

 

Planungen, auch in den Gehwegen von Kaisersesch sog. „Stolpersteine“ zu verlegen, laufen seit 2015.

2012 wurden die wenigen Grabanlagen des jüdischen Friedhofs saniert, nachdem die meisten Grabsteine umfallen und z.T. nur noch in Relikten vorhanden waren.

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Eingangstor zum jüdischen Friedhof von Kaisersesch und 'einsame' Grabstätten (Reinhard Hauke, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0) 

 

 

In Düngenheim - heute größte Ortsgemeinde der Verbandsgemeinde Kaisersesch – wurden 2015 zwei sog. „Stolpersteine“ in der Urmersbacher Straße verlegt, die an die beiden Jüdinnen Berta und Edith David erinnern.

   Ein Stein, der Mahnmal sein sollverlegt in der Urmersbacher Straße (Aufn. aus: blick.aktuell.de vom 10.2.2015)

 

 

In Brohl – einer heute zur Verbandsgemeinde Kaisersesch gehörende Ortschaft – wurden 2014 in der Hohlstraße für Angehörige der beiden jüdischen Familien Gärtner und Marx sog. „Stolpersteine“ verlegt; acht von neun Familienmitgliedern waren 1942 bzw. 1944 deportiert und ermordet worden. .

 

 

 

Weitere Informationen:

Wolfgang Wendling, Die jüdische Bevölkerung im 19.Jahrhundert, in: "Jahrbuch Kreis Cochem-Zell 1986"

Harald Wagener, Jüdische Familien in Kaisersesch, Facharbeit am Thomas-Morus-Gymnasium, Daun 1992

Harald Wagener, Die Geschichte der Juden in Kaisersesch. Megina-Gymnasium Mayen 1992 (online abrufbar)

Daniela Lutz, Auf den Spuren der Juden in Kaisersesch. Facharbeit am Thomas-Morus-Gymnasium, Daun 1992 (verausgabt in: Ortsgemeinde Kaisersesch (Hrg.), Kaisersesch - erlebte Geschichte, Kaisersesch 1996, S. 113 - 130

Angelika Schleindl, Spuren der Vergangenheit - Jüdisches Leben im Landkreis Cochem-Zell, Hrg. Landkreis Cochem-Zell, Rhein-Mosel-Verlag, 1996, S. 74 - 76 und S. 220 ff.

Daniela Lutz/Harald Wagner, Auf den Spuren der Juden in Kaisersesch, in: Kaisersesch - erlebte Geschichte, Kaisersesch 1996, S. 116 - 126

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 196/197

Kaisersesch mit Düngenheim, Hambuch, Illerich und Müllenbach, in: alemannia-judaica.de

Ursula Reuter,  Jüdische Gemeinden vom frühen 19. bis zum Beginn des 21.Jahrhunderts, in: "Geschichtlicher Atlas der Rheinlande", Band 8, Bonn 2007, S. 53

Franz-Josef Knöchel (Bearb.), Synagoge Kaiseresch. Bethaus „Judenschule“, heute Wohnhaus, online abrufbar unter: kuladig.de (2012)

Franz-Josef Knöchel (Bearb.), Jüdischer Friedhof „Auf der Klopp“ in Kaisersesch, online abrufbar unter: kuladig.de (2012)

Stefan Pauly (Red.), „Stolpersteine“ sollen an Edith und Berta David erinnern, in: „Wochenspiegel“ vom 5.3.2014 (betr. Düngenheim)

Torsten Uerz (Red.), „Stolpersteine“ - Zur Geschichte der Juden in Brohl, Gemeindeverwaltung Brohl Aug. 2014

Harald Thon (Red.), Mathilde Gärtner – die einzige Brohler Jüdinn, die den Holocaust überlebte, Gemeindeverwaltung Brohl

N.N. (Red.), Ein weiterer Schritt gegen das Vergessen - Verlegung von Stolpersteinen in Düngenheim, in: „Wochenspiegel“ vom 2.2.2015 (online unter: wochenspiegellive.de/mosel)

Verbandsgemeinde Kaisersesch (Hrg.), Ein Stein, der Mahnmal sein soll, in: „Blick aktuell“ vom 10.2.2015