Kleineicholzheim (Baden-Württemberg)

Datei:Schefflenz in MOS.svg Kleineicholzheim mit derzeit ca. 250 Einwohnern gehört seit der Eingemeindung (1972) als einer von vier Ortsteilen zur Kommune Schefflenz im Neckar-Odenwald-Kreis - knapp 40 Kilometer nördlich von Heilbronn gelegen (Kartenskizze 'Neckar-Odenwald-Kreis', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Eine kleine jüdische Gemeinde muss sich in Kleineicholzheim im Laufe des 18.Jahrhunderts gebildet haben. Die dörfliche Judenschaft zählte gegen Mitte des 19.Jahrhunderts fast 120 Personen und machte damit etwa ein Drittel der Dorfbevölkerung aus. In der Region wurde Kleineicholzheim wegen des relativ hohen jüdischen Bevölkerungsanteils auch „Klein-Frankfurt“ genannt. Die gemeindlichen Einrichtungen befanden sich in dem von einem wohlhabenden Frankfurter erworbenen ehemaligen Schloss der Grafen von Waldkirch; neben einer Synagoge war hier auch die kleine Schule untergebracht. Eine Mikwe stand den jüdischen Ortsbewohnern am Ortsrand am Eberbach zur Verfügung.

Für die religiöse Unterweisung der Kinder hatte die Gemeinde - in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dann gemeinsam mit Großeicholzheim - einen Lehrer verpflichtet, der zugleich auch als Vorsänger und Schochet tätig war. Nach 1885 übernahm die Vorbeterdienste ein Gemeindemitglied.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20178/Grosseicholzheim%20Israelit%2027091876.jpg  

Stellenangebote aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 27.Sept. 1876 und vom 27.April 1885

Verstorbene Gemeindeangehörige wurden auf dem jüdischen Bezirksfriedhof in Bödigheim beerdigt, der für weitere ca. 30 Ortschaften des Umlandes als zentrale Beerdigungsstätte diente.

Jüdischer Friedhof in Bödigheim (Aufn. Thomas Scherer, 2017, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Kleineicholzheim wurde 1827 dem Rabbinatsbezirk Mosbach zugeteilt.

Juden in Kleineicholzheim:

         --- 1825 ..........................  35 Juden (ca. 15% d. Bevölk.),

    --- 1855 .......................... 119   “  ,

    --- 1864 .......................... 107   “   (ca. 30% d. Bevölk.),

    --- 1875 ..........................  93   "  ,

    --- 1880 ..........................  98   “  ,

    --- 1900 ..........................  74   “   (ca. 33% d. Bevölk.),

    --- 1910 ..........................  51   "   (ca. 24% d. Bevölk.),

    --- 1925 ..........................  38   “  ,

    --- 1933 ..........................  28   “  ,

    --- 1940 (Sept.) ..................  15   “  ,

             (Nov.) ...................  keine.

Angaben aus: Die Juden in Tauberfranken 1933 - 1945, Quellen und didaktische Hinweise ..., S. 19

 

Vieh- und Textilwarenhandel waren die Haupterwerbsquellen der Kleineicholzheimer Juden. Gegen Ende des 19.Jahrhunderts war die Zahl der jüdischen Ortsbewohner stark rückläufig. Um die Jahrhundertwende und danach gab es im Dorf die folgenden, im Besitz jüdischer Familien stehenden Handels- und Gewerbebetriebe: Textilgeschäft Max Bär (Seckacher Straße), Vieh- u. Pferdehandlung Moses Böttigheimer mit Gastwirtschaft "Krone" (Odenwaldstraße), Metzgerei Samuel Böttigheimer (Odenwaldstraße), Vieh- u. Pferdehandlung Theodor Böttigheimer (Odenwaldstraße), Gemischtwarenhandlung Malchen Lißberger (Odenwaldstraße), Eisenwarenhandlung Heinrich Kaufmann (?), Gastwirtschaft "Engel", Inh. Manuel Kahn (Seckacher Straße) und Textilgeschäft Rosenstock (Seckacher Straße).

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20194/Kleineicholzheim%20Israelit%2021031901.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20258/Kleineicholzheim%20Israelit%2022081901.jpg  Lehrstellenangebote von 1901

Zu Beginn der 1930er Jahre lag die Zahl der Gemeindemitglieder bei ca. 30 Personen; sie reduzierte sich in der Folgezeit durch Abwanderung - vor allem in die USA und nach Argentinien - noch weiter.

Während der Novembertage 1938 kam es auch in Kleineicholzheim zu Übergriffen der SA; der Synagogenraum und einige Wohnungen wurden demoliert. Während der Kriegsjahre wohnten im Synagogengebäude Mannheimer Familien, nach 1945 dann Flüchtlingsfamilien. 15 jüdische Einwohner wurden Ende Oktober 1940 nach Gurs/Südfrankreich deportiert; nur vier von ihnen überlebten.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden insgesamt 25 aus Kleinerdlingen stammende bzw. hier länger ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer der „Endlösung(namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/kleineicholzheim_synagoge.htm).

 

Das ehemalige, als Synagoge genutzte Gebäude wurde während des Krieges von ausgebombten Familien aus Karlsruhe, nach Kriegsende dann von Flüchtlingsfamilien bewohnt. An dessen einstige Nutzung lassen sich keine äußeren Spuren mehr finden. 

Das kleine Mikwen-Häuschen am Eberbach (am Ortsrand) ist baulich erhalten geblieben.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2040/Kleineicholzheim%20Mikwe%20010.jpg Ehem. Mikwe (Aufn. W.Schumacher, aus: alemannia-judaica.de)

Seit 1993 erinnert eine bronzene Gedenktafel am Rathaus an die einstige jüdische Gemeinde des Dorfes.     

            Gedenktafel (Aufn. J. Hahn, 2004) http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2041/Kleineicholzheim%20Synagoge%20171.jpg

Auf dem jüdischen Friedhöf in Bödigheim befindet sich eine Gedenktafel für acht in der NS-Zeit ermordete Juden aus Kleineicholzheim.

                         Gedenkstein in Kleineicholzheim Für das zentrale Mahnmal für die verschleppten Juden Badens in Neckarzimmern gestaltete eine Schülergruppe der Grund-, Haupt- und Werkrealschule Schefflenz einen Gedenkstein für die deportierten Juden aus ihrem Ort (Abb. aus: mahnmal-neckarzimmern.de).

vgl.  Neckarzimmern (Baden-Württemberg)

 

 

 

Weitere Informationen:

F. Hundsnurscher/G.Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden - Denkmale, Geschichte, Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1968, S. 156/157

S. Großkopf, Schefflenz in den vergangenen 50 Jahren, in: E.Roedder (Hrg.), 774 - 1974 Gemeinde Schefflenz, Schefflenz 1974, S. 280 f.

Die Juden in Tauberfranken 1933 - 1945. Quellen und didaktische Hinweise für die Hand des Lehrers, Hrg. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, 1984

Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, S. 394/395

Artikel zur Einweihung der Gedenktafel, in: "Scheffelenzer Bote" vom 19.11.1993

Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 415/416

Rudolf Landauer/Reinhart Lochmannn Spuren jüdischen Lebens im Neckar-Odenwald-Kreis, hrg. vom Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis NOK, 2008 

Kleineicholzheim, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Peter Lahr (Red.), In Kleineicholzheim gab es nicht nur ein Wasserschloss, in: „Rhein-Neckar-Zeitung“ vom 11.6.2021