Königshütte (Oberschlesien)

Jüdische Gemeinde - Hindenburg - Zabrze (Oberschlesien) File:POL Chorzów map.svg - Wikimedia Commons Durch Zusammenschluss mehrerer Siedlungen entstand 1868 die neue Industriesiedlung Königshütte (Królewska Huta) im Kreis Beuthen, die zum Zeitpunkt ihrer Gründung ca. 14.000 Einwohner besaß; es ist die heutige polnische Großstadt Chorzow mit derzeit ca. 110.000 Einwohnern - etwa sieben Kilometer nordwestlich von Katowice/Kattowitz gelegen (topografische Karte 'Oberschlesisches Industrierevier', aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei  und  Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Polen' mit Chorzów rot markiert, Y. 2006, aus: commons.wikimedia.org CC BY-SA 3.0).

 

Spätestens mit der Stadtgründung fanden sich jüdische Bewohner zu einer eigenständigen Gemeinde zusammen; bereits im ausgehenden 18.Jahrhundert soll eine begrenzte Zahl jüdischer Familien im späteren Stadtbereich gelebt haben; aber erst mit der industriellen Entwicklung der Region und den sich daraus bietenden Erwerbsmöglichkeiten zogen Juden in größerer Zahl nach Königshütte.

1874/1875 wurde die neue Synagoge an der Kaiserstraße erbaut und im September 1875 vom Rabbiner aus Beuthen eingeweiht; das im neoromanischen Stile gestaltete Gebäude war vollends in die innerstädtische Bebauung der Hauptgeschäftsstraße integriert. Im Gotteshaus fanden mehr als 400 Männer Platz; auf den umlaufenden Galerien saßen die Frauen.

Königshütte synagoge.jpg

Synagoge Königshütte O.S.(jeweils rechts im Vordergrund, hist. Postkarten, aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Seit den 1870er Jahren existierte in Königshütte auch eine jüdische Schule.

Eine Begräbnisstätte wurde im Jahre 1862 am Südrand der Stadt (Ziegelerstraße, später Zietenstr.) angelegt und im Laufe der Folgejahrzehnte stetig erweitert bis zu einer Gesamtgröße von ca. 8.000 m². Am Eingangstor wurde 1898 das Taharahaus errichtet.

Juden in Königshütte:

    --- um 1860 .......................    wenige jüdische Familien,

--- 1871 ....................... ca.   250 Juden,

--- 1885 ....................... ca.   950   "  (ca. 3% d. Bevölk.),

    --- 1900 ..........................    925   "  ,

    --- 1924/25 ........................ 1.200   “ (?),

    --- 1926/27 .................... ca.   600   “ (?),

    --- 1931 ....................... ca. 2.800   “  ,

    --- 1940 ....................... ca.   500   “  .      *Hinweis: Die demografischen Daten differieren z.T. in den Publikationen

Angaben aus: P.Maser/A.Weiser, Juden in Oberschlesien, S. 124

 

Obwohl in einer Volksabstimmung 1921 mehrheitlich für den Verbleib beim Deutschen Reich votiert wurde, gehörte die Stadt Königshütte ab 1922 zum polnischen Staatsgebiet. Eine Folge war die Abwanderung zahlreicher deutsch-jüdischer Familien nach Deutschland – vor allem in die Metropole Berlin.

Mitte der 1920er Jahre kam es innerhalb der jüdischen Gemeinde zu heftigen Differenzen zwischen deutschen und polnischen Juden, die schließlich zu einer Teilung der Königshütter Gemeinde in eine polnische und eine deutsche Kultusgemeinde führten; letztgenannte wurde von dem langjährigen Rabbiner Dr. Goldschmidt geleitet. Ihren Höhepunkt erreichten die national motivierten Auseinandersetzungen zwischen den beiden Gemeinden im Sommer 1933, als die polnische Judenschaft behauptete, dass der Vorstand der deutsch-jüdischen Gemeinde „zum Schaden des polnischen Staates“ agieren würde. Starke Differenzen bestimmten auch die nächsten Jahre; doch mit Beginn der Judenverfolgung wurde der Konflikt gegenstandslos.

Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht wurde die Synagoge niedergebrannt. 1940 mussten dann die Trümmer von jüdischen Zwangsarbeitern weggeräumt werden.

1940-Destruction of the Synagogue of Chorzow - Königshütte.jpg Abbruch der Synagogenruine (hist. Aufn., aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges begann für die jüdischen Bewohner die „Umsiedlung ins Generalgouvernement“; bis Mitte 1940 waren fast alle Juden aus Königshütte in die Region um Olkusz (dt. Ilkenau) verschleppt worden.

Im Rahmen der „Organisation Schmelt“ mussten Tausende - darunter auch Juden aus Königshütte - Zwangsarbeit leisten.

ORGANISATION SCHMELT" war die Bezeichnung für die organisierte Zwangsarbeit der jüdischen Bevölkerung im Ostteil Oberschlesiens. Zehntausende von Juden wurden zu diesem Zwecke aus den Ghettos herausgeholt und in Arbeitslager gesteckt. 1940 begann die „Organisation Schmelt", kleine Arbeitslager bzw. Werkstätten für Juden in Ostoberschlesien einzurichten; diese lagen meist in unmittelbarer Nähe kriegswichtiger Produktionsstätten. Anfangs wurden die jüdischen Lagerinsassen nur bei Außenarbeiten eingesetzt, etwa beim Ausheben von Panzergräben bei Kanalisations- und Flussregulierungsarbeiten, beim Straßen- und Schienenbau. Später richteten einige Industrieunternehmen Zweigbetriebe in den Lagern ein, oder es wurden eigens Lager in unmittelbarer Nachbarschaft großer Industrieanlagen errichtet. Bald dehnte die "Organisation Schmelt" ihren Einflussbereich auch nach Niederschlesien und ins Sudetenland aus. Nach dem Vernichtungsbefehl vom Sommer 1941 war die „Organisation Schmelt“ gezwungen, die Lager aufzulösen und die jüdischen Arbeitskräfte nach Auschwitz abzutransportieren. Einsprüche seitens der Wehrmacht zögerten die Durchführung dieses Beschlusses bis 1943 hinaus.

 

An das ehemalige, 1940 abgerissene Synagogengebäude erinnert heute nichts mehr; an seiner Stelle steht ein Kaufhaus. Auch vom jüdischen Friedhof sind keinerlei Reste mehr vorhanden.

Obwohl in den Jahren nach Kriegsende noch etliche Begräbnisse hier stattgefunden hatten, wurde auf Beschluss der kommunalen Behörden der Friedhof geschlossen und der jüdischen Gemeinde die Eigentumsrechte zugunsten des Staates entzogen. Versuche, das Begräbnisgelände mitsamt dem Taharahaus zu erhalten, blieben erfolglos. Eine Entscheidung der Stadtverwaltung aus dem Jahre 1973 führte dann zur endgültigen Liquidierung des Friedhofs; einzelne exhumierte Grabüberreste wurden auf den Friedhof nach Bytom (Beuthen) überführt. Das großflächige Gelände mit den noch verbliebenen Grabsteinen wurde abgeräumt und planiert. Planungen zur Bebaung des Geländes wurden nie realisiert.

Seit 2006 erinnert ein granitenes Mahnmal - geschaffen vom Künstler Gerard Grywaczyk - an die einstige jüdische Bevölkerung der Stadt; seinen Standort hat es in dem Parkgelände, auf dem sich früher die jüdische Begräbnisstätte befand. Auf einer der beiden granitenen Tafeln befindet sich die Inschrift: Gott voller Barmherzigkeit]. Gott segne … Zur Erinnerung an die jüdische Gemeinschaft in Chorzów. Die Einwohner der Stadt 2006“ .

Plik:Klimzowiec Pomnik.jpgGedenksteine auf dem jüdischen Friedhof (Aufn. A. 2009, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

Weitere Informationen:

Peter Maser/Adelheid Weiser, Juden in Oberschlesien, Teil I: Historischer Überblick, in: "Schriften der Stiftung Haus Oberschlesien, Landeskundliche Reihe", No. 3.1, Gebr. Mann Verlag, Berlin 1992, S. 122 - 125

Adelheid Weiser, Juden in Oberschlesien, in: Zur Geschichte der deutschen Juden. Ostdeutschland - Böhmen - Bukowina, Kulturpolitische Korrespondenz 61/1993, S. 17 – 23

Paul Rother, Chronik der Stadt Königshütte Oberschlesien, Dülmen 1994

Marian Gałuszka, Chorzów wczoraj - Königshütte gestern, Gliwice 1996

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 2), New York University Press, Washington Square, New York 2001, Vol. 1, S. 257

Chorzow, in: sztetl.org.pl

Jüdischer Friedhof in Chorzów, online abrufbar unter: sztetl.org.pl/de/stadte/c/420-chorzow-koenigshuette/114-friedhofe/9503-juedischer-friedhof-chorzow

K. Bielawski (Bearb.), Chorzow (Jüdischer Friedhof), in: kirkuty.xip.pl

Beata Pomykalska/Pawl Pomykalski, Auf den Spuren der Juden Oberschlesiens, Hrg. Haus der Erinnerung an die Juden Oberschlesiens – Zweigstelle des Museums in Gleiwitz, Gliwice 2019