Kördorf (Rheinland-Pfalz)

Kartenausschnitt mit dem ehemaligen Unterlahnkreis von 1905Datei:Verbandsgemeinden in EMS.svg  Die kleine Ortschaft Kördorf im Osten des Rhein-Lahn-Kreises mit derzeit ca. 550 Einwohnern gehört heute zur Verbandsgemeinde Aar-Einrich (mit Sitz in Katzenelnbogen) - knapp 30 Kilometer südwestlich von Limburg/Lahn gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte 'Unterlahnkreis', aus: wikiwand.com  und  Kartenskizze 'Rhein-Lahn-Kreis', Hagar 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Im Dorfe Kördorf, das von den Grafen von Nassau und den Grafen von Katzenelnbogen gemeinschaftlich beherrscht wurde, lassen sich jüdische Bewohner seit 1700 nachweisen. Die allermeisten jüdischen Familien waren recht arme Leute und bestritten ihren kargen Lebensunterhalt als ‚Handelsleute’ im Viehgeschäft.

Anfang der 1840er Jahre wurden die Juden aus Seelbach und Attenhausen mit Kördorf zu einem Gemeindeverband zusammengeschlossen. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise - in Verbindung mit anderen Gemeinden der Umgebung - ein jüdischer Lehrer angestellt.

   Stellenangebote aus den Jahren 1889 und 1894

An Stelle einer recht maroden Synagoge wollte die kleine Gemeinde 1844/1845 ein neues Synagogengebäude errichten; dies erregte aber das Missfallen der katholischen Ortsgeistlichkeit, weil der Bau zu nahe an der Kirche stehen würde. So blieb der jüdischen Gemeinde nichts anderes übrig, als die vorhandene Synagoge um- bzw. auszubauen.

Zur Kultusgemeinde Kördorf gehörten zu diesem Zeitpunkt die Orte Attenhausen, Herold, Kalkofen und Seelbach.

In der Gemarkung Kördorf und in der von Seelbach gab es je einen jüdischen Friedhof.

Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Ems (später Bad Ems-Weilburg).

Juden in Kördorf:

         --- 1843 ......................... 39 Juden,

             ..................... ca. 75 Juden,*      * gesamte Gemeinde

    --- 1895 ......................... 33   “  ,

    --- 1905 ......................... 22   “  ,

             ..................... ca. 45   “  ,*

    --- 1925 ......................... 28   “  ,

    --- um 1930/32 ................... 19   “  ,

    --- 1933 (Dez.) ..................  6   “  ,

    --- 1942 ......................... ein  “ ().  

Angaben aus: P. Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 459

und                 S. Fischbach/I. Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels”, S. 219

 

Anfang der 1930er Jahre war die Kördorfer Gemeinde auf wenige Angehörige zusammengeschrumpft. Da das Synagogengebäude bereits vor 1938 profanisiert worden war, blieb es vor Schäden während des Novemberpogroms verschont.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ wurden elf aus Kördorf stammende Juden Opfer der NS-Gewaltherrschaft; acht in Attenhausen und drei in Herold gebürtige Juden wurden ebenfalls Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/koerdorf_synagoge.htm).

Bis zu seinem Abriss in den 1960er Jahren diente das ehemalige Kördorfer Bethaus als Lagerraum.

                                           Ehem. Synagogengebäude (Aufn. kurz vor dem Abriss)  

Südwestlich der Ortschaft liegt in einem Waldgelände der relativ großflächige jüdische Friedhof von Kördorf; auf dem ca. ein halbes Jahrhundert genutzten ca. 2.600 m² großen Gelände (ab 1880 bis 1935) findet man gegenwärtig noch etwa 50 Grabsteine.

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Jüdischer Friedhof von Kördorf (Aufn. LigaDue, 2022, aus: commons.wikimedia.org, CVC BY-SA 4.0) 

 

In Kördorf wurden an zwei Standorten (Lahn- u. Rupbachstraße) fünf sog. „Stolpersteine“ verlegt, die an verfolgte Personen jüdischen Glaubens erinnern.

 

 

 

Die wenigen in Flacht lebenden jüdischen Familien - die Ortschaft gehört heute zur Verbandsgemeinde Aar-Einrich - waren der Kultusgemeinde Diez angeschlossen, besaßen aber trotzdem ein eigenes „Betlocal“, in dem sie regelmäßig Gottesdienste abhielten. Der mehrfach gestellte Antrag, ein eigenes Synagogengebäude zu errichten, wurde seitens der Behörden abschlägig beschieden.

Wohl um 1890 - anderen Angaben zufolge erst um 1920 - richtete man auch einen eigenen Begräbnisplatz auf der Flur „Auf dem Glockenstein“ ein; zuvor waren Verstorbene auf dem jüdischen Friedhof in Diez begraben worden.

Juden in Flacht:

--- 1714 .......................  2 jüdische Familien,

--- 1821 .......................  4     “        “   ,

--- 1843 ....................... 29 Juden,

--- 1871 ....................... 34   “  ,

--- 1885 ....................... 29   “  ,

--- 1895 ....................... 34   “  ,

--- 1905 ....................... 34   “  ,

--- 1910 ....................... 32   “  ,

--- 1925 ....................... 35   “  ,

--- um 1933 ................ ca. 30   “  .*   * mit Niederneisen

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die Jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 177

und                  Wilhelm Kuhmann, Die Juden in Flacht und Niederneisen

Anfang der 1930er Jahre lebten in Flacht und in Niederneisen noch ca. 30 jüdische Bewohner; bis 1939 verließen fast alle das Dorf. Von ihren neuen Wohnorten (zumeist war es Frankfurt/M.) wurde der Großteil später deportiert und kam in den Vernichtungslagern ums Leben. Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem sind 20 aus Flacht stammende bzw. längere Zeit hier ansässig gewesene jüdische Bürger Opfer der "Endlösung" geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/flacht_synagoge.htm)

Beim Novemberpogrom 1938 war der Innenraum der Synagoge und der Friedhof völlig verwüstet worden.

 Jüdischer Friedhof in Flacht (Aufn. K., 2011, aus: wikipedia.org, CCO)

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20246/Flacht%20Gedenkstein%20150.jpgSeit 1962 erinnert auf dem lange Zeit in Vergessenheit geratenen jüdischen Friedhof, der neun Gräber aufweist, eine Gedenktafel - umrahmt von zwei Namenstafeln - mit der Inschrift (Aufn. Abraham Frank, Jerusalem):

Zum Gedenken an die in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern

umgekommenen jüdischen Mitbürger von Flacht und Niederneisen

Zudem sind namentlich 21 Personen aus Flacht und Niederneisen aufgeführt, die Opfer der NS-Verfolgung geworden sind.

Auf dem Kommunalfriedhof ist ebenfalls eine fast wortgleiche Gedenktafel zu finden:

               Gedenktafel (Aufn. K., 2011, aus: wikipedia.org, CCO)

In Flacht erinnern derzeit an fünf Standorten insgesamt 13 sog. "Stolpersteine" an Opfer der NS-Herrschaft (Stand 2020).

    Gedenken an jüdische Familie aus Flacht: Stolpersteine stehen für  persönliche Schicksale - Rhein-Lahn-Zeitung Diez - Rhein-Zeitung2018 verlegte Steine in der Hauptstraße

 

 

In Seelbach – einer zur Verbandsgemeinde Bad Ems-Nassau zugehörigen Ortsgemeide im Rhein-Lahn-Kreis – erinnert heute noch ein gegen Ende des 19.Jahrhunderts angelegten Friedhof mit vier Grabsteinen an Verstorbene jüdische Bewohner von Seelbach.Im 18.Jahrhundert lebten wenige jüdische Familien im Ort; sie gehörten der jüdischen Gemeinde in Kördorf (Rabbinatsbezirk Ems) an.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20190/Seelbach%20Israelit%2028071869.jpgAnzeige aus: "Der Israelit" vom 28.7.1869

Zu Beginn der NS-Zeit lebten im Dorf zwei jüdische Familien.

Der "Endlösung" sollen elf gebürtige Seelbacher Juden zum Opfer gefallen sein (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/seelbach_synagoge.htm).

Auf dem gegen Ende des 19.Jahrhunderts angelegten jüdischen Friedhof in Seelbach – am Ortsausgang Richtung Obernhof gelegen – findet man vier Grabstellen.

Jüdischer Friedhof (Aufn. P. Kaminsky, 2016, in: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0

 

 

 

In Katzenelnbogen – heute eine Kleinstadt mit derzeit ca. 2.200 Einwohnern, wenige Kilometer südöstlich von Kördorf bzw. ca. 15 Kilometer nordöstlich von Nastätten (Abb. Merian-Stich von 1655, aus: wikipedia.org, gemeinfrei) – existierte im hohen Mittelalter (mit Unterbrechungen) eine jüdische Gemeinde (Anm. jüdische Familien hatten sich auch im übrigen Herrschaftsbereich der Grafen von Katzenelnbogen – so in Braubach, Reinheim, Groß-Gerau – niedergelassen.)

Das Judenregal für die Juden Katzenelnbogens wechselte im Laufe des 14.Jahrhunderts mehrfach. Gegen Ende des 15.Jahrhunderts wurden die Juden aus der Stadt ausgewiesen. Unter ihnen war auch Meir ben Isaac Katzenellenbogen (geb. 1482), der sich später als Gelehrter und Rabbiner (von Padua/Venedig) einen Namen machte. (vgl. dazu: Michael Bittner, Besuch bei Rabbi K. Rabbi Meir ben Isaak Katzenellenbogen war der Maharan von Padua, in: „DAVID – Jüdische Kulturzeitschrift“, Heft 141/Juli 2024)

Von ehemals aus Katzenelnbogen stammenden jüdischen Familien ging eine Reihe berühmten Rabbiner hervor, die vor allem in Osteuropa wirkten und dort hohes Ansehen besaßen (vgl. dazu: jewishencyclopedia.com/articles/9238-katzenellenbogen#395)

Eine neuzeitliche jüdische Gemeinde hat es in Katzenelnbogen nicht gegeben. Zu Beginn des 20.Jahrhunderts waren nur vereinzelt Familien mosaischen Glaubens im Orte wohnhaft.

Laut „Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ sind vier jüdische Bewohner aus Katzenelnbogen Opfer der NS-Verfolgung geworden (namentliche Nennung der betreffenden Personen siehe: alemannia-judaica.de/katzenelnbogen_juedgeschichte.htm).

                 Ein "Stolperstein" erinnert heute in der Lahnstraße an Lina Thorn.

Hinweise: Die Herrschaft Katzenelnbogen wurde im Laufe der Jahrhunderte von verschiedenen Geschlechtern ausgeübt: So fiel die Grafschaft Mitte des 16.Jahrhunderts an die Landgrafschaft Hessen; nach deren Teilung ging der kurhessische Teil 1815 an das Herzogtum Nassau; 1866 fiel die Provinz-Hessen Nassau an Preußen. Der niederländische König trägt neben anderer Titel heute noch auch den eines „Grafen von Katzenelnbogen“.

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 459/460

Franz Gölzenleuchter, Sie verbrennen alle Gotteshäuser im Lande (Psalm 74,8). Jüdische Spuren im Rhein-Lahn-Kreis - Jahrzehnte danach, Limburg 1998, S. 91/92

Bernhard Meyer (Bearb.), Die Juden im „Kirchspiel Katzenelnbogen“, in: „Heimatbuch Rhein-Lahn-Kreis“, Band 15/2000, S. 75 - 83

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels”. Synagogen. Rheinland-Pfalz und Saarland, Mainz 2005, S. 219/220

Kördorf mit Herold und Attenhausen, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Jewish Encyclopedia (Hrg.), Katzenellenbogen, online abrufbar unter: jewishencyclopedia.com/articles/9238-katzenellenbogen#395

Katzenelnbogen, in: alemannia-judaica.de

Bernhard Meyer, 700 Jahre Stadt Katzenelnbogen: eine Heimatgeschichte zur 700. Wiederkehr der Verleihung der Stadt- u. Marktrechte für Katzenelnbogen, Hrg. Stadt Katzenelnbogen 2012

Seelbach mit jüdischem Friedhof, in: alemannia-judaica.de

Uschi Weidner (Red.), Mahnmale: Erste Stolpersteine im Einrich verlegt, in: „Rhein-Lahn-Zeitung“ vom 28.10.2020

Auflistung der in Kördorf verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_der_Verbandsgemeinde_Aar-Einrich