Langenlois/Waldviertel (Niederösterreich)

Datei:Karte A Noe KR 2017.svg Langenlois ist heute eine Kleinstadt mit derzeit ca. 7.500 Einwohnern im niederösterreichischen Bezirk Krems-Land. Langenlois war Anfang des 17. Jahrhunderts mit ca. 500 Häusern nach Klosterneuburg und Krems der drittgrößte Ort in Niederösterreich (Kartenskizze 'Niederösterreich' mit Bez. Krems-Land dunkel markiert, A. 2016, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Die Geschichte der Langenloiser Judengemeinde ist sehr kurz und beschränkt sich auf die Zeit von 1623 bis 1670. Was diese zudem von anderen niederösterreichischen Gemeinden unterschied, war die Tatsache, dass die Gemeindegründer äußerst prominente Wiener Hofjuden (Finanziers) waren und dass die jüdische Gemeinde von Langenlois die bei weitem wohlhabendste in Niederösterreich war. Zudem war die Marktgemeinde Langenlois die einzige landesfürstliche Kommune, der es erlaubt war, Juden in ihren Mauern wohnen zu lassen.

 

Die Vertreibungen von 1420/1421 bedeuteten für lange Zeit das Ende aller jüdischer Gemeinden in Niederösterreich; bis gegen Ende des 16.Jahrhunderts lebten nur vereinzelt Juden in der Region. Erst in den beiden ersten Jahrzehnten des 17.Jahrhunderts zogen wieder vermehrt Juden in niederösterreichische Ortschaften, was zur Bildung einzelner Gemeinden führte. Langenlois war einer von mehr als 50 Siedlungsorten.

Im landesfürstlichen Markt Langenlois durften sich zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges jüdische Familien ansiedeln. Der Langenloiser Marktrat hatten dem entsprechenden Ansinnen der in Wien lebenden kaiserlichen Schutzjudenfamilie Ries stattgegeben; 1623 sollen acht Familien in Langenlois gewohnt haben.

Die Gebrüder Abraham und Isak Ries, die sich aber nie über einen längeren Zeitraum hinweg in Langenlois niedergelassen hatten, betätigten sich vor allem im Handel mit Münzen und Münzmetall, aber auch im Handel mit Tuchen und Luxuswaren.  Auch einige andere in Langenlois ansässige jüdische Familien lebten vermutlich vom Geldverleih und Warenhandel; dieser war ihnen in einer Urkunde von 1623 ausdrücklich erlaubt worden. Andere Langenloiser Juden betrieben - im Auftrag der vermögenderen Familien - als Hausierer den Verkauf von Einzelwaren in der Region.

Anm.: Weiteren Angaben zufolge zählten Tuchwaren zu den bevorzugten Handelsgütern von Langenloiser Juden; daneben spielten auch Handelsprodukte wie Wolle, Weinstein, Zinn, Federn, Juchtenleder, Pfeffer und Tabak eine Rolle. Konflikte mit den bürgerlichen Kaufleuten in Langenlois gab es hinsichtlich des Handels mit Leinwand, Holz oder Alteisen, der den Juden 1656 - zumindest vorübergehend - verboten wurde. Ob Juden am hiesigen Weinhandel beteiligt waren, kann nicht nachgewiesen werden.

Aus Ratsprotokollen sind häufige Konflikte zwischen jüdischen und christlichen Bewohnern belegt, die vor allem ökonomische Ursachen hatten; so wurde z.B. den Langenloiser Schächtern wiederholt vorgeworfen, Christen während der Fastenzeit mit Fleisch beliefert zu haben.

Seit 1638 durften in Langenlois Christen und Juden nicht unter einem Dach wohnen. Zu dieser Zeit haben vermutlich ca. 15 jüdische Familien im Ort gelebt, die zumeist als recht wohlhabend galten. Gottesdienstliche Zusammenkünfte fanden seit ca. 1625 in einem Betraum eines größeren, Wohnhauses statt.

Nach einer Erlass von Kaiser Leopold I. wurden 1670/1671 alle Juden aus Wien und ihren niederösterreichischen Wohnorten ausgewiesen; auch in Langenlois musste die gesamte Judenschaft 1671 ihre Wohnsitze räumen. Der Rat der Marktgemeinde Langenlois begrüßte den Abzug der hiesigen „judenschaft, welche seith ao. 1623 alhier eingerissen und mit der burgerschaft grösten verderbnuß sehr über handt genommen“ und sprach dafür „dem allerhöchsten grundtguetigen getreuen Gott und dem allergnedigsten römischen kayßer ... lob, ehr und ewiger dankh” aus. Allerdings verlief die Vertreibung in relativ friedlicher Weise; kaiserliche „Passbriefe” sicherten Leben und Gut der abziehenden jüdischen Familien; es soll sich dabei um 17 Familien gehandelt haben. Ein Teil von ihnen wandte sich nach Mähren, wo Adelsgüter bereit waren, Familien aufzunehmen, so beispielsweise in Nikolsburg. Andere Langenloiser Exulanten gelangten nach Franken, Polen und auch nach Brandenburg; hier erhielt Abraham Ries im Mai 1671 vom brandenburgischen Kurfürsten ein Generalprivileg für die Ansiedlung von 50 Familien; so ließen sich Juden nun in Frankfurt/O. und Berlin nieder. Der erste jüdische Friedhof in Berlin wurde 1672 von Model Ries angelegt.

Der Fortbestand des jüdischen Friedhofs in Langenlois wurde gegen Entrichtung einer jährlichen Gebühr, die offenbar bis 1695 von Juden aus dem mährischen Nikolsburg geleistet wurde, garantiert. Erst etwa ein Jahrhundert später (!) beschloss der Rat, den alten „Juden-Freydhof" zu versteigern.


Heute gibt es in Langenlois keinerlei Spuren mehr, die auf die frühere Anwesenheit jüdischer Familien hinweisen; nicht einmal Reste des Friedhofs sind erhaltengeblieben.

 

 

 

Weitere Informationen:

Friedrich B. Polleroß, 100 Jahre Antisemitismus im Waldviertel, in: "Schriftenreihe des Waldviertler Heimatbundes", Band 25/1983, Krems 1983

Friedrich B. Polleroß (Hrg.), “Die Erinnerung tut zu weh” - Jüdisches Leben und Antisemitismus im Waldviertel, aus: "Schriftenreihe des Waldviertler Heimatbundes", Band 37/1995, Horn/Waidhofen 1996

Sabine Hödl, Zur Geschichte der Juden in Österreich unter der Enns 1550 - 1625, (unveröffentlichte) Dissertation, Wien 1998

Peter Rauscher, Eine jüdische Landgemeinde in Niederösterreich im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges, in: "Schriftenreihe des Waldviertler Heimatbundes", Band 44, Horn-Waidhofen/Thaya 2004

Gabriela Schlick-Bamberger (Red.), Peter Rauscher – Langenlois (Rezension), in: „Sehepunkte“, Ausg. 7/2007

Barbara Staudinger, ‘Gantze Dörffer voll Juden’. Juden in Niederösterreich 1496 - 1670, Mandelbaum-Verlag, Wien 2005, S. 107 – 110

Langenlois, in: Österreichischer Städteatlas (online abrufbar unter: mapire.eu)