Laun/Eger (Böhmen)

 Bildergebnis für aussig karte Die gegen Mitte des 13.Jahrhunderts gegründete und erbaute Königsstadt Laun lag an einem wichtigen Handelsweg von Prag nach Dresden/Sachsen und Nürnberg. Die an der Eger liegende Kleinstadt - südlich von Aussig bzw. östlich von Saaz - ist das tschechische Louny mit derzeit ca. 18.000 Einwohnern (Karte der Region Laun um 1720, Abb. aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei und Ausschnitt aus Landkarte um 1895, aus: wikipedia.org, PD-alt-100 und Kartenskizze 'Tschechien' mit Louny rot markiert, K. 2006, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

Blick auf Laun - Stich M. Merian, um 1650 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

 

Bereits unmittelbar nach dem Erhalt der Stadtrechte gegen Mitte des 13.Jahrhunderts fanden Juden hier Erwähnung. Erste dauerhafte Ansiedlungen jüdischer Familien in Laun lassen sich dann gegen Ende des 14.Jahrhunderts bzw. zu Beginn des 15.Jahrhunderts nachweisen; die jüdischen Stadtbewohner lebten damals in einem eigenen Viertel - mit ca. 15 Häusern - und besaßen ein Bethaus und einen eigenen Friedhof. Ihren Lebensunterhalt bestritten die Familien vom Geld- und Warenhandel, manche übten ein Handwerk aus. Im Jahre 1542 wurde die aus ca. 100 Personen bestehende jüdische Gemeinschaft aus der Stadt vertrieben und für "ewige Zeiten" verbannt, weil einer ihrer Angehörigen angeblich eine Monstranz gestohlen hatte. Über Jahrhunderte hinweg blieb ein allgemeines Ansiedlungsverbot bestehen. Nur ein oder zwei Familien mosaischen Glaubens lebten vom 17. bis Mitte des 19.Jahrhunderts in Laun.

Die Bildung der neuzeitlichen jüdischen Kultusgemeinde erfolgte Anfang der 1860er Jahre; während der folgenden drei Jahrzehnte war dann ein enormes Wachstum der jüdischen Bevölkerung zu verzeichnen. Anfang der 1870er Jahre ließ die Gemeinde - nach Plänen des Prager Architekten Johann Staniek - eine neue Synagoge im neoromanischen/orientalisierenden Baustil errichten.

  Synagoge in Laun/Louny, hist. Karte (Abb. Archiv, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)

Eine 1874 ins Leben gerufene deutsch-sprachige jüdische Elementarschule wurde aber bereits nach ca. 25 Jahren wieder aufgegeben.

In Laun bestanden im Laufe der Jahrhunderte drei jüdische Begräbnisstätten; der zuletzt benutzte Friedhof wurde um 1875 angelegt.

Juden in Laun:

    --- um 1540 ....................... ca.  100 Juden,

    --- von 1550-1800 .....................    ein/zwei Familien,*   *für diese Zeit liegen unterschiedliche Angaben vor

    --- 1849 ..............................    3 jüdische Familien,

    --- 1880 .......................... ca.  370 Juden (in 50 Familien),

    --- 1890 .............................   567   “  ,

    --- 1902 .......................... ca.  660   “  ,**     ** gesamte Gemeinde

    --- 1930 ..............................  205   “   (ca. 2% d. Bevölk.).

Angaben aus: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 2), S. 749

 

Kurz vor der Jahrhundertwende setzte eine starke Abwanderung in die größeren Städte ein; mehr als zwei Drittel der jüdischen Bewohner verließen innerhalb von 30 Jahren Laun. Die NS-Zeit bedeutete das Ende der jüdischen Gemeinde in Laun; die letzten jüdischen Einwohner wurden 1942 von den deutschen Besatzungsbehörden ins Ghetto Theresienstadt verschleppt; von hier aus wurden sie zumeist nach Auschwitz-Birkenau deportiert.

Das Gedenkbuch in Yad Vaschem weist namentlich mehr als 70 Juden aus Louny aus, die Opfer der „Endlösung“ geworden sind.

 

Nach Kriegsende lebte die jüdische Gemeinde kurzzeitig wieder auf. Die einstige „Judenstraße“, die heutige Česká Ulice, ist in ihrem oberen Teil erhalten geblieben.

Im ehemaligen Synagogengebäude ist heute ein Archiv untergebracht.

Louny-Synagoge-3.jpg  

Ehem. Synagoge (Aufn. Sch., 2017, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0 und J. Jeništa, 2008, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Seit 2014 erinnert eine Gedenktafel an die Opfer des Holocaust. 

Louny-Synagoge-4.jpg Gedenktafel (Aufn. Sch., 2017, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0

Auch der jüdische Friedhof ist bis heute erhalten geblieben.

File:Jewish cemetery in Louny 03.JPG File:Ceremonial hall at Jewish cemetery in Louny 02.JPG

Teilansicht des jüdischen Friedhofs und Zeremonienhalle in Louny (Aufn. Ladislav Faigl, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY 3.0)

 

 

 

Unweit von Laun bestand im Dorf Liebeschitz (tsch. Liběšice, derzeit ca. 1.500 Einw.) eine israelitische Gemeinde, deren Anfänge in der ersten Hälfte des 17.Jahrhunderts liegen. Die Wohnsitze der jüdischen Gemeinde waren nicht in einer Straße/Gasse konzentriert, sondern lagen zumeist am Dorfrand. Die dortige Judengemeinde stellte um 1860 mit ca. 160 Angehörigen immerhin ein Drittel der Dorfbevölkerung. In den Folgejahrzehnten verlor dann die Gemeinde infolge Abwanderung die Mehrzahl ihrer Mitglieder.

Seit dem 18. Jahrhundert gab es im Dorf eine Synagoge, die im Laufe des 19.Jahrhunderts durch einen Neubau ersetzt wurde (oder eine grundlegende Renovierung erfuhr?). Benutzt wurde das Gotteshaus bis in die 1920er Jahre; danach wurde die Gemeinde alsbald aufgelöst. Um 1930 lebten nur noch neun jüdische Bewohner im Dorf.

Das noch erhaltene ehemalige Synagogengebäude wird heute als Scheune/Lagerraum benutzt.

AlteSynagoge-Liebeschitz3.jpg Ehem. Synagoge (Aufn. Sch., 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Auch die beiden jüdischen Friedhöfe sind erhalten, befinden sich aber in einem sehr ungepflegten Zustand. Auf dem älteren (angelegt um 1775), der ein Areal von ca. 3.000 m² umfasst und südlich des Dorfes liegt, findet man nach eine Reihe barocke und klassizistische Grabsteine; das jüngere, im Jahre 1897 angelegte Begräbnisgelände weist nur sieben Grabsteine auf.

Grabsteine (Aufn. Sch., 2014, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0) File:OldJewishCemetery-Liebeschitz-05.jpg

 

 

 

Im Städtchen Postelberg (tsch. Postoloprty, derzeit ca. 4.800 Einw.) - nur wenige Kilometer westlich von Laun/Louny - wurden Juden erstmals im Jahre 1671 erwähnt, als sich hier 20 Familien - mit Schutzbriefen ausgestattet – niederlassen konnten. Großbrände vernichteten 1781 und 1810 das jüdische Viertel. Anfang der 1930er Jahre zählte die jüdische Gemeinde ca. 100 Personen; diese verließen mehrheitlich den Ort, als das Sudetenland von deutschen Truppen besetzt wurde. Das aus dem 18.Jahrhundert stammende Synagogengebäude wurde um 1980 abgerissen. Von dem 1708 angelegten Friedhof gibt es heute keine sichtbaren Spuren mehr.

 

 

 

Im Dörfchen Pflanzendorf (tsch. Hřivčice, derzeit kaum mehr als 100 Einw.) - einem Ortsteil von Perutz (tsch. Peruc), ca zehn Kilometer östlich von Laun/Louny – findet man bis auf den heutigen Tag einen der größten jüdischen Friedhöfe Tschechiens. Dessen Entstehung reicht bis in die erste Hälfte des 18.Jahrhunderts zurück. Auf einer Fläche von nahezu 3.000 m² befinden sich etwa 300 erhaltene Grabstätten; allerdings sind die meisten Grabsteine in einem schlechten Zustand bzw. nur noch als Relikte vorhanden. Begraben wurden hier verstorbene Juden aus Ortschaften der näheren und weiteren Umgebung.

Hřivčice4.JPG Hřivčice7.JPG

Jüdischer Friedhof in Hřivčice (Aufn. Gortyna, 2012, aus: commons.wikimedia.org CC BY-SA 3.0)

 

 

 

In Rakonitz (tsch. Rakovnik, derzeit ca. 16.000 Einw.) - etwa 25 Kilometer südlich von Laun gelegen - sind Ansiedlungen von Juden seit dem 15.Jahrhundert urkundlich nachweisbar. Unter dem Schutz einer die Stadt beherrschenden Adelsfamilie konnten wenige jüdische Familien hier leben. Eine Gemeinde bildete sich erst in der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts heraus; nach sieben Familien im Jahre 1724 hatte sich deren Zahl bis 1830 verdoppelt. Um 1900 waren ca. 5% der Kleinstadtbevölkerung jüdischen Glaubens, das entsprach ca. 330 Personen; drei Jahrzehnte später lebten in Rakonitz nur noch ca. 150 Juden. Im Jahre 1942 erfolgte die Deportation der jüdischen Bevölkerung nach Theresienstadt und von hier aus in die Vernichtungslager.

Von dem ehemaligen Ghetto am Nordrand des Stadtkerns sind noch zehn Gebäude erhalten. Die in den 1760er Jahren im Barockstil errichtete Synagoge - zwischenzeitlich mehrfach rekonstruiert - dient heute als Konzertsaal, nachdem es bis in die 1950er Jahre der Hussitischen Kirche zur Verfügung gestanden hatte.

 

Ehem. Synagoge (Aufn. Kenyh Cevarom, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Über dem Eingang des hallenartigen Innenraumes befindet sich ein Steinportal, das die vergoldete hebräische Inschrift trägt: „Dies ist das Tor zu Gott , die Gerechten werden hindurch gehen.“

Der Friedhof am Stadtrand von Rakonitz war um 1635 angelegt und später mehrmals erweitert worden; unter den noch ca. 500 vorhandenen Grabsteinen sind aus den Anfängen noch etliche Steine vorhanden.

ŽH Rakovník 07.jpg ŽH Rakovník 05.jpg

Zugang zum jüdischen Friedhof Rakovnik und einzelne Grabsteine (Aufn. Jitka Erbenová, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

Im Dorf Zderaz – heute ein Ortsteil der Kommune Kolešovice (dt. Koleschowitz) im Bezirk Rakovnik – ist jüdische Ansiedlung seit Mitte des 17.Jahrhunderts urkundlich nachweisbar. Allerdings bildete sich erst in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts eine Gemeinde heraus, die um 1895 mehr als 200 Angehörige (eingeschlossen jüdische Familien im nahen Umland) besaß. Nach der Jahrhundertwende verzogen die allermeisten in größere Städte.

An die ehemalige jüdische Gemeinde von Zderaz erinnern heute noch das inzwischen baufällige Synagogengebäude und der jüdische Friedhof.

Former synagogue in Zderaz (02).jpg

Ehem. Synagoge Zderaz (Aufn. AZ 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Der mit einer Bruchsteinmauer umgebene jüdische Friedhof – vermutlich im 17.Jahrhundert angelegt - liegt inmitten von Feldern. Auf dem ca. 1.000 m² großen Gelände befinden sich heute noch mehrere hundert Grabsteine bzw. Grabsteinrelikte.

Jüdischer Friedhof in Zderaz (Aufn. AZ 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0) Bildergebnis für zderaz cemetery

 

 

 

Weitere Informationen:

Kamil Linhart (Bearb.), Laun, in: Hugo Gold (Hrg.), Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart, Brno - Praha 1934, S. 348 - 361

Germania Judaica, Band III/1, Tübingen 1987, S. 724 – 726

Jiri Fiedler, Jewish Sights of Bohemia and Moravia, Prag 1991, S. 108/109 (Laun) und S. 159/160 (Rakonitz)

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 2), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 749 (Louny), S. 1016 (Postoloprty) und S. 1056 (Rakovnik)

The Jewish Community of Louny (Laun), Hrg. Beit Hafutsot – The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/louny

Jewish Families from Louny (Laun), Bohemia, Czech Republic, online abrufbar unter: geni.com/projects/Jewish-Families-from-Louny-Laun-Bohemia-Czech-Republic/people/15295

The Jewish Community of Rakovnk (Rakonitz), Hrg. Beit Hafutsot – The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/lrakovnikouny