Leverkusen - Opladen (Nordrhein-Westfalen)

  Die Stadt Leverkusen entstand 1930 durch den Zusammenschluss der Stadt Wiesdorf mit den Gemeinden Schlebusch, Steinbüchel und Rheindorf. Opladen ist heute ein Stadtteil von Leverkusen (Kartenskizze 'Stadtteile Leverkusen' - Stand 1975, Th. Hermes 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Erst in den 1820er Jahren siedelten sich Juden erstmals in Opladen an; über Jahrzehnte hinweg waren es dann nur wenige Familien, die hier lebten. Mitte des 19.Jahrhunderts gründete sich der „Synagogenbezirk Opladen”, zu dem auch die Orte Bürrig, Bergisch-Neukirchen, Reusrath und Wiesdorf zählten. Letzterer war Keimzelle der heutigen Stadt Leverkusen; hier lebten ab ca. 1810 einige jüdische Familien. Wenige Jahre später schlossen sich die Synagogengemeinden Opladen und Solingen zusammen. Knapp 30 Jahre später löste sich Opladen wieder von Solingen und bildete eine eigenständige Filialgemeinde.

Parallel zu den Bemühungen, eine eigenständige Gemeinde zu werden, liefen die Planungen zum Bau einer eigenen Synagoge; diese wurden im Herbst 1879 realisiert; bis in die NS-Zeit nutzte man den kleinen schlichten Backsteinbau in der Altstadtstraße als Gotteshaus.

I. Am Freitag Nachmittag 4 1/2 versammelt sich die Gemeinde am Eingang zur Synagoge rechts liegenden Zimmer, woselbst das Mincha-Gebet verrichtet wird.

II. Die Ehrengäste, sowie die übrigen Festtheilnehmer, treten in die zu öffnende Synagoge ein; es folgen die Träger der Thora-Rollen, der Prediger, der Cantor mit dem Chore.

                  III. Beim Eintritt der Thora-Träger erheben sich die in Synagoge Anwesenden. Die ganze Versammlung verharrt stehend, bis die Thora-Rollen in die heilige Lade gebracht sind.

usw.

 

Synagoge in Opladen (hist. Aufn., aus: leverkusen.com)

Der jüdische Friedhof an der Schlebuscher Straße, der heutigen Robert-Blum-Straße, wurde in den 1830er Jahren angelegt. Er hatte vermutlich zunächst nur als private Bestattungsstätte der jüdischen Familie Samuel Seckel gedient. Bestattungen fanden hier bis 1939 statt.

Juden in Opladen:                                                                             in Wiesdorf/Alt Leverkusen

         --- 1824 .................    4 Juden,           ................ 16 Juden,

    --- 1853 .................   27   “  ,           ................  4   “  ,

    --- 1865 .................   29   “  ,

    --- 1899 .................   42   “  ,           ................  4   “  ,

    --- 1910 .................   45   “  ,           ................ 27   “  ,

    --- 1933 .................   38   “  ,           ................ 82   “  .

    --- 1935 .................   38   “  ,           ................ 57   “  .

Angaben aus: Rolf Müller, Juden in der Geschichte der Stadt Leverkusen, S. 49

 

Der reichsweite NSDAP-Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 wurde auch in Leverkusen durchgeführt; so hatten sich uniformierte SA-Angehörige und NSDAP-Mitglieder vor jüdischen Geschäften postiert und Kaufwillige vom Betreten abzuhalten versucht. Wer trotzdem hier einkaufte, wurde als Abschreckung für andere „Volksgenossen“ fotografiert, die Bilder anschließend öffentlich ausgehängt.

Im Monatsbericht der NSDAP-Ortsgruppe vom August 1935 sprach der Ortsgruppenleiter Fingerhut die Erwartung aus, dass „er bald dem Kreisleiter melden könne, daß Opladen judenfrei sei. Aus der „Bergischen Post” vom 11.11.1938:

Protest-Kundgebung in Opladen

Pg. Bremer sprach auf dem Hofe der Horst-Wessel-Schule -- Starke Empörung über die jüdische Mordtat in Paris

Opladen, den 11.November 1938

.... Auch in Opladen machte sich bald nach Bekanntwerden der Todesnachricht eine steigende Erregung bemerkbar, die in den frühen Morgenstunden des 10.November und auch am gestrigen Mittag zu Vergeltungsmaßnahmen führte. Nun wird von Einzelaktionen abgesehen, ... In diesem Sinne sprach auch Pg. Bremer gestern abend auf einer Protestkundgebung ... . Die Opladener Volksgenossen waren in großen Scharen erschienen und gaben in mehreren Zustimmungen zu den Worten des Redners ihrer Empörung Ausdruck. ...

In den frühen Morgenstunden des 10.November 1938 waren „unbekannte Personen in den Judentempel in der Altstadtstraße” eingedrungen, hatten die Inneneinrichtung teilweise demoliert und Gegenstände entwendet. Am gleichen Tage wurde das Synagogengebäude mittels Brandbeschleuniger angezündet; es brannte nieder; kurz danach wurde ein Teil des Gebäudes „wegen Einsturzgefahr“ eingerissen. Die „Rheinische Landeszeitung” berichtete am 11.11.1938:

... am frühen Morgen wurde unsere Feuerwehr alarmiert, da auf bisher noch nicht aufgeklärte Weise in der Synagoge in der Altstadtstraße Feuer ausgebrochen war. Die Feuerwehr, die sofort mit ihrer Motorleiter anrückte, fand das Gebäude bereits in hellen Flammen vor. Das Feuer hatte an dem Holzwerk im Innern und an dem niedrigen Dachstuhl reiche Nahrung gefunden, so daß hier jeder Versuch zur Erstickung der Flammen nutzlos war. Die Wehr ... übernahm sofort den Schutz der angrenzenden Fachwerkhäuser. ... Die starke Glut des Feuers hatte zur Folge, daß sich an den Wänden des Gebäudes große Risse zeigten, so daß das an sich schon recht morsche Mauerwerk sicherheitshalber, soweit erforderlich, niedergelegt wurde. Es dürfte dringend angebracht sein, die restlichen Bestandteile dieses Gebäudes sobald wie möglich niederzulegen, ehe hier durch einstürzende Mauerreste Personen in Gefahr gebracht werden ...

1940 gingen das Synagogengrundstück, drei Jahre später der israelitische Friedhof in den Besitz der Kommune Leverkusen über.

Ende Oktober 1941 begann die Deportation der noch in Opladen/Leverkusen lebenden jüdischen Bewohner. Von den ca. 40 Juden, die im Jahre 1939 noch in Leverkusen und Opladen gemeldet waren, mussten 29 den Weg in die Vernichtungslager antreten, fünf wählten den Freitod.

In zwei, in den Nachkriegsjahren geführten Prozessen vor der Strafkammer des Düsseldorfer Landgerichts wurden vier der Brandstiftung überführte ehemalige Nationalsozialisten zu Freiheitsstrafen verurteilt.

 

Im Stadtteil Opladen wurde 1963 eine Gedenktafel in der Nähe der einstigen Synagoge angebracht, die die folgende Inschrift trägt:

Hier stand von 1879 bis 1938 die Synagoge der Jüdischen Gemeinde Opladen.

Rassenhaß führte zu ihrer Zerstörung am 10.November 1938.

Den Toten zum Gedenken - den Lebenden zur Mahnung

Stadt Opladen 10.November 1963

Drei Jahre später wurde die Tafel durch einen Gedenkstein ergänzt.

           Am Platz der Synagoge, Opladen (Aufn. Reissdorf, 2007, aus: wikipedia.org, CCO)

Zum 50.Jahrestag des Novemberpogroms wurde das Areal in „Platz der Synagoge” umbenannt; im Jahre 2011 erfolgte eine Umgestaltung des Platzes. In diesem Kontext wurde eine neue Tafel angebracht, die neben zwei Ansichtsskizzen die Geschichte des Gotteshauses wiedergibt.

Das kleine an der Robert-Blum-Straße in Opladen liegende Friedhofsgelände weist heute nur noch ca. 20 Grabsteine auf, die z.T. deutliche Spuren der Verwitterung (Zerstörung) zeigen. Bereits 1968 hatte die Stadt Leverkusen einen Gedenkstein auf dem Areal aufstellen lassen, der folgende Worte trägt:

Zum Gedenken an die jüdischen Bürger unserer Stadt,

die in der NS-Zeit 1933 - 1945 ihr Leben ließen.

Datei:Opladen Jüdischer Friedhof.JPGFriedhof Leverkusen-Opladen (Aufn. Hirsch, 20212, aus: wikipedia.org, CC-BY-SA 3.0)

Jüdischer Friedhof (16 k) 1991/1993 schuf der Bildhauer Wilhelm Völker zwei Denkmäler: so erinnern zum einen zwei Granitsäulen im Stile der Gesetzestafeln an die seit 1855 hier bestatteten Juden.und zum anderen ein Kalkstein-Ensemble an die Holocaust-Opfer, die hier namentlich aufgeführt sind (Abb. aus: leverkusen.com).

In den Straßen Leverkusens erinnern derzeit ca. 40 sog. „Stolpersteine“ an jüdische und nicht-jüdische Opfer der NS-Gewaltherrschaft (Stand 2022).

Stolperstein emma benjamin.jpg Stolperstein helene benjamin.jpg Stolperstein guenter salomon.jpg Stolperstein siegmund salomon.jpg Stolperstein sophia salomon.jpg

Fünf "Stolpersteine" - verlegt in der Kölner Straße (alle Aufn. Rabe, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Stolperstein für Karl Levy, Hauptstr. 94, LeverkusenStolperstein für Lina Levy, Hauptstr. 94, Leverkusen Stolperstein für Henriette Carl, Lützenkirchener Str. 46, LeverkusenStolperstein für Gustav Carl, Lützenkirchener Str. 46, LeverkusenStolperstein für Else Carl, Lützenkirchener Str. 46, Leverkusen

verlegt in der Hauptstraße und Lützenkirchener Straße

Derzeit (2014) leben etwa 400 Personen mosaischen Glaubens in Leverkusen. Der Verein „Davidstern e.V.“ hat sich zum Ziel gesetzt, die Synagoge wiederaufzubauen und neues jüdisches kulturelles Leben in der Stadt zu etablieren. In einem Gebäude in der Kaiserstraße hat der Verein sein gemeindliches Domizil gefunden. Das ehemalige Gemeindezentrum der evangelischen Kirche im Stadtteil Quettingen (Kolberger Straße) konnte künftig vom jüdischen Verein „Davidstern e.V.“ für seine Zwecker genutzt werden.

 

In Hitdorf – seit 1975 ein Stadtteil Leverkusens – erinnern in der Wiesenstraße seit 2016 fünf sog. „Stolpersteine“ an Angehörige der jüdischen Familie Herz. Während drei Familienmitglieder die NS-Zeit nicht überlebten, gelang zwei von ihnen die lebensrettende Flucht nach Argentinien.

Aufn. Uwe Miserius, 2023, aus:"Rheinische Post"

 

 Rheinisch-Bergischer Kreis Karte  In Bergisch-Gladbach – knapp 15 Kilometer südöstlich von Leverkusen (Kartenskizze aus: ortsdienst.de/nordrhein-westfalen/rheinisch-bergischer-kreis) – erinnern an mehreren Standorten einige sog. „Stolpersteine“ an Opfer des Holocaust.

Stolperstein Bergisch Gladbach Ahornweg 9 Henriette ZimmermannStolperstein Bergisch Gladbach Bensberger Straße 188a Erna KahnStolperstein Bergisch Gladbach Bensberger Straße 188a Ernst Danzig Aufn. T., 2015, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

 

In Odenthal - unweit von Bergisch-Gladbach – wurde 2020 vor dem Rathaus eine Gedenktafel erstellt, die an sieben verfolgte jüdische Bewohner erinnert.

 

 

 

Weitere Informationen:

Rolf Müller, Die Opladener Judengemeinde im 19. Jahrhundert, in: "Romerike Berge. Zeitschrift für Heimatpflege im Bergischen Land", Jg. 1963/64, Heft 3, S. 109 - 121

Ernst Bönneken, Wiesdorfer Juden in alter Zeit, in: "Land an Wupper und Rhein - Heimatkalender 1973", S. 136 f.

Rolf Müller, Gründung einer Synagogengemeinde/Untergang der jüdischen Gemeinde, in: R.Müller, Upladhin - Opladen. Stadtchronik, Heggen-Verlag, Opladen 1975, S. 52 - 54 und S. 65 - 67

Franz Gruss, Geschichte und Portrait der Stadt Leverkusen, Leverkusen 1987, Band 3, S. 116

Rolf Müller, Juden in der Geschichte der Stadt Leverkusen, Hrg. im Auftrag der Stadtgeschichtlichen Vereinigung e.V. Leverkusen, Leverkusen 1988

Klaus Plump, Leverkusen-Opladen: Neues zur Opladener Judengemeinde, aus: "Niederwupper - Historische Beiträge", No. 13/1991, S. 85 f.

Benno Reicher, Jüdische Geschichte und Kultur in NRW - ein Handbuch, in: Hrg. Sekretariat für gemeinsame Kulturarbeit in NRW

Kulturhandbücher NRW, Band 4/1993, S. 182/183

Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil I: Regierungsbezirk Köln, J.P. Bachem Verlag, Köln 1997, S. 321/332

lrike Schrader, “ ... wie ein Mann, der gräbt.” - Erinnerungszeichen für die vertriebenen und ermordeten Juden im Bergischen Land, in: "Romerike Berge - Zeitschrift für das Bergische Land", No. 48/1998, Heft 2, S. 12 f.

Michael Brocke (Hrg.), Feuer an dein Heiligtum gelegt - Zerstörte Synagogen 1938 Nordrhein-Westfalen, Ludwig Steinheim-Institut, Kamp Verlag, Bochum 1999, S. 418/419

KulturStadtLev – Stadtarchiv (Hrg.), Leverkusen – Geschichte einer Stadt am Rhein, Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2005 

Auflistung der in Leverkusen verlegten Stolpersteine, abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Leverkusen

Igor Mitschnik (Red.), Davidstern und Bayer-Kreuz. In der Chemie-Stadt hat sich allmählich eine neue jüdische Gemeinde entwickelt, in: „Jüdische Allgemeine“ vom 5.1.2012

Ralf Krieger (Red.), Jüdische Gemeinde in Leverkusen – Schutz für den Davidstern, in: „Leverkusener Anzeiger“ vom 27.9.2013

Jens Kopke (Red.), Gedenken: Künstler Gunter Demnig verlegt in Hitdorf sechs Stolpersteine, in: „Leverkusener Anzeiger“ vom 12.9.2016

Stadt Leverkusen (Hrg.), Stolpersteine in Leverkusen, online abrufbar unter: leverkusen.com/presse/Thema.php?view=00000587

Gabi Knops-Feiler (Red.), Neuer Glanz für jüdischen Friedhof, in: "Rheinische Post" vom 4.9.2018

Stephanie Peine (Red.), Gegen das Vergessen. Odenthal errichtet Denkmal für die von Nazis verfolgten Bürger, in: „Kölner Stadtanzeiger“ vom 27.1.2020

Hanna Loben (Red.), Berufskolleg-Schüler sammelten Spenden – Neue Stolpersteine erinnern an NS-Opfer, in: „Leverkusener Anzeiger“ vom 5.10.2020

Agatha Mazur (Red.), Opladener Synagoge 1938 zerstört – Die Geschichte der Juden in Leverkusen, in: „Leverkusener Anzeiger“ vom 28.3.2021

Radio Leverkusen (Red.), Bekommt Quettingen eine Synagoge?, online abrufbar unter: radioleverkusen.de/ vom 21.6.2021

Uwe Miserius (Red.), Relikteaus der alten Synagoge übergeben. Mehr jüdisches Leben in Leverkusen, in: rp-online.de vom 13.9.2021

LH (Red.), Erinnerungsort in Leverkusen.  Jüdischerr Friedhof verwildert – Politiker verlangt Abhilfe, in: „Rheinische Post“ vom 11.7.2023