Löbau (Westpreußen)

  Löbau, poln. Lubawa, ist heute eine Stadt in der polnischen Woiwodschaft Olsztyn mit derzeit ca. 10.000 Einwohnern (Ausschnitt aus hist. Landkarte, aus: europe1900.eu  und  Kartenskizze 'Polen' mit Lubawa rot markiert, K. 2005, aus: wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

Stadt und Schloss Löbau im 17.Jahrhundert (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

 

Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts erreichte die jüdische Gemeinde von Löbau ihren personellen Höchststand ; ihre Angehörigen machten damals zeitweise ca. 20% der Gesamtbevölkerung aus.

Bereits unter bischöflicher Herrschaft vor 1772 waren jüdische Familien im Kreis und in der Stadt Löbau ansässig, allerdings waren es nur sehr wenige. In den folgenden Jahrzehnten - nun unter preußischer Herrschaft - vervielfachte sich deren Anzahl; besonders nach 1820 war ein starkes Wachstum der Gemeindeangehörigen zu verzeichnen; zeitweilig betrug der Anteil der jüdischen Einwohnerschaft Löbaus mehr als 20%. Etwa die Hälfte der jüdischen Familien bestritt gegen Mitte des 19.Jahrhunderts ihren Lebenserwerb durch den wenig ertragbringenden Hausierhandel.

Seit dem Jahre 1847 (andere Angabe: 1858) existierte in Löbau eine neue Synagoge, da das alte Gotteshaus nicht mehr den Anforderungen der an Zahl stark angewachsenen Gemeinde entsprach.

                       Innenraum der Synagoge in Löbau (hist. Aufn.)

Zu Beginn des 19.Jahrhunderts wurde jüdischen Kindern Unterricht durch einen Privatlehrer erteilt. Auf Drängen des Stadtrates, der keine „Winkelschulen“ dulden wollte, mussten die Kinder auf die städtische Elementarschule wechseln. Diesem Verlangen kamen die meisten nach; nur Kinder wohlhabenderer Familien suchten eine Privatschule auf, deren Gründung Anfang der 1830er Jahre erfolgt war. Daneben existierte eine jüdische Religionsschule.

Bereits zu Beginn jüdischer Ansässigkeit war ein weit außerhalb der Ortschaft gelegenes Begräbnisareal angelegt worden; es wurde um 1860 durch ein neues ersetzt.

Juden in Löbau:

    --- um 1750 ........................  eine jüdische Familie,

--- 1792 ...........................  116 Juden (ca. 8% d. Bevölk.),

    --- 1816 ...........................  215   “   (ca. 21% d. Bevölk.),

    --- 1819 ...........................  246   “  ,

    --- 1834 ...........................  480   “   (ca. 19% d. Bevölk.),

    --- 1840 ...........................  479   “  ,

    --- 1846 ...........................  535   “   (ca. 16% d. Bevölk.),

    --- 1867 ...........................  532   “  ,

    --- 1871 ...........................  523   “   (ca. 12% d. Bevölk.),

    --- 1885 ...........................  417   “  ,

    --- 1895 ...........................  277   “  ,

    --- 1902 ...........................  230   “   (ca. 5% d. Bevölk.),

    --- 1910 ...........................  173   “  ,

    --- 1921 ...........................   26   “  ,

--- 1931 ...........................   38   “  .

Angaben aus: Max Aschkewitz, Zur Geschichte der Juden in Westpreußen, S. 21 und S. 157

und                 Gerhard Salinger, Zur Erinnerung und zum Gedenken. Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreußens, Teilband 2, S. 519

 

Ab den 1880er Jahren verließen jüdische Familien Löbau, weil sie in größeren Städten für sich und ihre Kinder eine bessere Zukunft sahen.

http://static2.akpool.de/images/cards/8/88633.jpg Löbau: Warschauer Straße (hist. Postkarte, um 1905)

Nach der Angliederung des westpreußischen Gebiets an den polnischen Staat (1920) verstärkte sich die Abwanderung noch; die Gemeinde löste sich auf. Die Synagoge wurde 1923 geschlossen, die hier befindlichen Ritualien der jüdischen Gemeinde in Thorn übergeben. Anfang der 1930er Jahre lebten nur noch sehr wenige jüdische Familien in der Kleinstadt. Die Besetzung durch deutsche Truppen im September 1939 beendete dann die Geschichte der Juden in Westpreußen: Während ein Teil der Juden noch vor dem deutschen Einmarsch das Land verlassen hatte, fiel der Rest den Maßnahmen des NS-Staates zum Opfer. 1940 lebten in Löbau keine Juden mehr.

Das Synagogengebäude wurde während der Besatzungszeit zerstört, der Friedhof eingeebnet. Nur einige Grabsteinrelikte markieren heute noch die Stelle, an der einst Juden Löbaus beerdigt wurden.

 

 

Weitere Informationen:

G. Lieck, Die Stadt Löbau in Westpreußen mit Berücksichtigung des Landes Löbau, Marienwerder 1892

Max Aschkewitz, Der Anteil der Juden am wirtschaftlichen Leben Westpreußens um die Mitte des 19.Jahrhunderts, in: "Zeitschrift für Ostforschung", No. 11/1962, S. 482 ff.

Max Aschkewitz, Zur Geschichte der Juden in Westpreußen, in: "Wissenschaftliche Beiträge zur Geschichte und Landeskunde Ost-Mitteleuropas", hrg. vom Johann Gottfried Herder-Institut No. 81, Marburg 1967

M.Brocke/M.Heitmann/H.Lordick (Hrg.), Zur Geschichte und Kultur der Juden in Ost- und Westpreußen, Georg Olms Verlag, Hildesheim/u.a. 2000

Gerhard Salinger, Zur Erinnerung und zum Gedenken. Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreußens, Teilband 2, New York 2009, S. 518 – 528

Lubawa, in: sztetl.org.pl

Seweryn Szczepański (Red.), Jewish cemetery of Lubawa, in: kirkuty.xip.pl