Löcknitz (Mecklenburg-Vorpommern)
Löcknitz ist eine kleine Kommune mit derzeit ca. 3.200 Einwohnern im Landkreis Uecker-Randow - zwischen Pasewalk (im Westen) und Stettin (im Osten) gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Kreis Uecker-Randow' ohne Eintrag von Löcknitz, Karte aus: ortsdienst.de/mecklenburg-vorpommern/uecker-randow).
In Löcknitz lebten vermutlich seit Anfang der 19.Jahrhunderts jüdische Familien; ihre Anzahl war aber stets klein. Zunächst waren die Löcknitzer Juden der Kultusgemeinde Pasewalk angeschlossen. Erst als sich ihre Anzahl vergrößert hatte, gründete man Anfang der 1890er Jahre eine Filialgemeinde, die von der Muttergemeinde Pasewalk weiter betreut wurde; so wurde vereinbart, dass der Rabbiner von Pasewalk dreimal im Jahre einen Gottesdienst in Löcknitz abhalten und regelmäßig die religiöse Unterweisung der jüdischen Kinder übernehmen sollte. Zu gottesdienstlichen Zusammenkünften nutzte man einen Betraum, der sich im Obergeschoss des Geschäftshauses der Familie Schwarzweiß befand. Zu einer ernsten Verstimmung zwischen der Pasewalker Gemeinde und ihrer streng- religiösen Filialgemeinde Löcknitz kam es, als reformerische Tendenzen des Pasewalker Rabbiners bemerkbar wurden.
Verstorbene Löcknitzer Juden wurden auf dem Friedhof in Pasewalk beerdigt.
Juden in Löcknitz:
--- 1862 ........................... 27 Juden,
--- 1913 ........................... 36 “ ,
--- 1925 ........................... 37 “ (in 10 Familien),
--- 1938 ........................... 17 “ (in 7 Familien),
--- 1940 ........................... keine.
Angaben aus: Christoph Wittenberg (Pfarrer), Die jüdische Gemeinde von Löcknitz
Die Löcknitzer Juden verdienten zu Beginn des 20.Jahrhunderts ihren Lebensunterhalt als Handwerker und Kaufleute; sie boten ihre Dienstleistungen auch den Bewohnern im dörflichen Umland an.
Im Vorfeld der später gewalttätigen Ausschreitungen wurden ab April 1933 die vier jüdischen Geschäfte am Ort mehrfach mit Boykottplakaten gekennzeichnet.
Der Novemberpogrom fand in Löcknitz erst am 10.November 1938 statt; mehrere jüdische Bewohner konnten sich rechtzeitig verstecken und so eventuellen Misshandlungen entgehen; eine Familie hingegen musste Gewaltattacken über sich ergehen lassen. Auch der Gebetsraum, der sich im Obergeschoss eines Geschäftshauses befand, wurde gestürmt, alle Fenster zerschlagen, das Inventar und die Ritualien auf die Straße geworfen und dort verbrannt.
In einem Erinnerungsbericht von 1988 hieß es: „ ... Es war abends am 9.November 1938, als wir starke Geräusche von der Straße her vernahmen. Geschrei, Fensterscheiben wurden zerschmettert. ... Man sah, daß SA- und SS-Männer ... aus dem jüdischen Tempel Bücher, sicher religiöser Art, auf die Straße warfen, auch Möbelstücke, den sechseckigen Davidstern von der Hauswand rissen und alles anzündeten. Man hörte Schimpfworte. Den Uhrmacher, den Juden Feinberg, schleifte man brutal auf die Straße mit dem Kopf auf dem harten Steinpflaster. Wir wollten uns dazwischen mischen, wagten es aber aus Angst nicht. ...” (aus: Hilde Lange, Löcknitz. Diese Zeit werden wir niemals vergessen, in: „Freie Erde“ Neubrandenburg vom 9.12.1988)
Alsbald wurden die noch bestehenden jüdischen Geschäfte „arisiert“. Nach Kriegsbeginn mussten die noch verbliebenen jüdischen Bewohner Löcknitz über Nacht verlassen und wurden in ein Lager zwischen Prenzlau und Pasewalk verbracht; im Februar 1940 gehörten fast alle einem großen Deportationstransport, der „in den Osten“ ging; Ziele der deportierten Juden Pommerns waren Lublin, Piaski, Glusk und Belzyce. Diejenigen, die nicht deportiert worden waren, wurden entweder Ende Oktober 1942 ermordet oder in Zwangsarbeitslager überstellt.
Im November 1988 ließ der Rat der Gemeinde Löckwitz an der Chausseestraße - am Standort des einstigen jüdischen Betraums im ehem. Geschäftshaus der Familie Schwarzweiß - eine schwarze Gedenkstele aufstellen; unter dem Bild eines siebenarmigen Leuchters und des Davidsterns war folgende Inschrift zu lesen:
Dem Gedenken der Jüdischen Gemeinde von Löcknitz
und ihrer Verfolgung in der Kristallnacht 1938
Nach 1990 wurde der Gedenkstein mehrmals mit Nazi-Symbolen beschmiert. Nach weiteren Übergriffen wurde 2003 das Denkmal geschändet und schwer beschädigt, so dass es abgebaut wurde. Jahre später ließ die Kommune die Stele dann durch einen Gedenkstein ersetzen; dieser wurde später mit Farbe beschmiert (2024).
Gedenkstein mit -tafel (Aufn. B., 2010, aus: wikipedia.org, CCO und P., 2013, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)
2018 wurden in Löcknitz drei sog. „Stolpersteine“ verlegt, die an Angehörige der jüdischen Familie Schwarzweiß (Chausseestraße) erinnern.
Ortsstraße in Penkun, um 1905 (Abb. aus: wikipedia.org, CCO)
In Penkun - heute eine kleine Landstadt mit ca. 1.800 Einwohnern, zum Amt Löcknitz-Penkun gehörig, nordwestlich von Gartz gelegen - gab es in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts eine kleine jüdische Gemeinschaft, die sich aus kaum mehr als 50 Personen zusammensetzte. Ihr Betraum war in einem Haus in der Sandkuhlenstraße untergebracht. Ein kleinflächiger Friedhof lag südlich der Ortschaft am Wartiner Weg.
Die letzten jüdischen Bewohner Penkuns wurden im Febr. 1942 deportiert.
Das Friedhofsgrundstück mit seinen wenigen Grabsteinen wurde vermutlich in den 1950er Jahren eingeebnet. Seit 2007 erinnert eine Tafel am ehemaligen Bethaus an einstiges jüdisches Leben in der Kleinstadt.
2022 wurden an drei Standorten der Kleinstadt insgesamt zehn sog. "Stolpersteine" verlegt; weitere sollen künftig noch folgen.
Im Dorfe Rossow soll es seit dem frühen 18.Jahrhundert eine jüdische Gemeinde gegeben haben, die relativ viele Angehörige besessen hat; so sollen um 1790 ca. 15 jüdische Familien im Dorfe ihr Zuhause gehabt haben. Lebensgrundlage war zumeist der Hausierhandel (zumeist mit Landesprodukten). Seit dem ausgehenden 18.Jahrhundert ist ein Betraum in einem Privathaus nachgewiesen. In etwa zeitgleich legte man einen kleinen Begräbnisplatz westlich des Dorfes an; zuvor waren verstorbene Juden aus Rossow auf jüdischen Friedhöfen umliegender Ortschaften beerdigt worden.
Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts löste sich die inzwischen stark verkleinerte Gemeinde auf, da ihre Angehörigen in größere Orte abgewandert waren. 1860 soll es in Rossow bereits keinen jüdischen Dorfbewohner mehr gegeben haben.
Weitere Informationen:
Christoph Wittenberg (Pfarrer), Die jüdische Gemeinde von Löcknitz, Manuskript (um 1990)
Hilde Lange, Löcknitz. Diese Zeit werden wir niemals vergessen, in: "Freie Erde", Neubrandenburg vom 9.12.1988
M.Brocke/E.Ruthenberg/K.U.Schulenburg, Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), in: "Veröffentlichungen aus dem Institut Kirche und Judentum", Hrg. Peter v.d.Osten-Sacken, Band 22, Berlin 1994, S. 476/477
Wolfgang Wilhelmus, Geschichte der Juden in Pommern, Ingo Koch Verlag, Rostock 2004
Jürgen Gramenz/Sylvia Ulmer, Ehemaliges jüdisches Leben in Rossow, in: Geschichte der Juden in Mecklenburg, Aufsatz vom 13.8.2016, in: juden-in-mecklenburg.de/Orte/Rossow
Fred Lucius (Red.), Schüler setzen sich für Stolpersteine ein, in: "Nordkurier" vom 15.6.2018
Auflistung der in Löcknitz verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Löcknitz
Rainer Marten (Red.), Penkun erinnert an die Deportation der Juden, in: „Nordkurier“ vom 16.2.2020
Matthias Scherfling (Red.), Erinnerung. Jetzt hat auch die kleine Stadt Penkun Stolpersteine, in: „Nordkurier“ vom 24.5.2022
Jörg Franze (Red.), Jüdischer Gedenkstein in Löcknitz wurde beschmiert, in: „Nordkurier“ vom 2.6.2024