Lösnich/Mosel (Rheinland-Pfalz)

  Datei:Verbandsgemeinden in WIL.svgLösnich ist eine kleine Ortsgemeinde mit derzeit ca. 450 Einwohnern und Teil der Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues im rheinland-pfälzischen Landkreis Bernkastel-Wittlich (Kartenskizze 'Landkreis Bernkastel-Wittlich' ohne Eintrag von Lösnich, Hagar 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Im Dorf Lösnich - moselabwärts von Zeltingen gelegen - war eine kleine jüdische Gemeinde beheimatet, die in den 1890er Jahren mit etwa 55 Angehörigen ihren Höchststand erreichte; die beiden Großfamilien Kaufmann und Schömann stellten dabei das Gros der jüdischen Einwohner des Winzerortes. Ihren Lebenserwerb bestritten die wenigen jüdischen Familien im Kleinhandel (Hausierer).

Erstmals ist 1747 ein mit einem Schutzbrief ausgestatteter Jude in Lösnich nachweisbar.

Im ersten Drittel des 19.Jahrhunderts suchten die Lösnicher Juden die Synagoge in Zeltingen auf; danach stand ihnen ein Betraum in einem Privathause eines Glaubensgenossen zur Verfügung. Ab Mitte der 1860er Jahre besaßen sie dann ein eigenes Synagogengebäude, das auf dem Grundstück des damaligen Gemeindevorstehers errichtet worden war.

Ein Bericht von der Einweihung ist in der Zeitschrift "Ben Chananja" vom 1.Oktober 1867 überliefert; darin hieß es: … Die israelitische Gemeinde zu Lössenich besteht aus nur 8 Mitgliedern, von denen einige ziemlich wohlhabend sind. Dieselbe hatte bis jetzt in einem Zimmer in einem Privathause den Gottesdienst abgehalten. Durch die Opferwilligkeit der Mitglieder gelang es ihnen in wenigen Jahren das Geld zusammenzubringen, um das neue recht anständige Gotteshaus zu erbauen. Deren Vorsteher, Moses Schönau (richtig wäre: Moses Schömann) hat durch seinen Eifer und seine Thätigkeit hierbei sehr viel für das Zustandekommen und Vollendetwerden desselben beigetragen. Am Freitagnachmittag, ... , bewegte sich der sehr herrliche Zug unter schöner Musik in die neue Synagoge. Eine große Menge Israeliten aus andern Gemeinden und noch eine größere von Christen des Ortes und der Umgegend waren anwesend. Nachdem von zwei Mädchen passende Gedichte gesprochen und mir der Schüssel überreicht wurde, gab ich denselben dem christlichen Ortsvorsteher, ..., mit dem Ersuchen, die Thüre zu öffnen und die Synagoge nach den Gesetzen zu schützen. Dieser, obgleich unvorbereitet, sprach in seiner einfachen Ausdrucksweise, daß die Israeliten sehr zu rühmen seien wegen ihrer großen Opfer und daß sie den Katholiken als Muster dienen könnten, da diese, obgleich viel größer an Zahl und Vermögen, keine neue Kirche, die so nöthig wäre, bauen.
Nach den üblichen Gesängen, wobei sich auch zwei katholische Lehrer beteiligten ..., hielt ich die Festrede ... Das ganze Fest war in jeder Beziehung ein sehr schönes und hatte gewiß die beste Wirkung auf alle Anwesenden der verschiedenen Konfessionen, zur Heiligung des Namens Gottes. Aus innigem Herzen danke ich Gott, dass er mir die große Wohltat erwiesen hat, mit dieser neuen Synagoge die 29. in meinem Rabbinatssprengel zu besitzen, die ich fast alle selbst eingeweiht habe. ...“

(Der Verfasser obigen Textes war der Trierer Oberrabbiner Josef Kahn.)

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20283/Loesnich%20Synagoge%20130.jpg Bethaus in Lösnich (Skizze Benno Conen, 2004)

Zeitweilig suchten auch die Glaubensgenossen aus Bausendorf die Lösnicher Synagoge auf.

Die jüdischen Kinder wurden ab den 1820er Jahren - gemeinsam mit denen aus Rachtig und Zeltingen - durch den Zeltinger Religionslehrer unterrichtet; ansonsten besuchten sie die katholische Ortsschule. Ab Mitte der 1920er Jahre gab es in Lösnich keine unterrichtspflichtigen Kinder mehr.  

In einem kleinen Seitental der Mosel befand sich in Hanglage seit Mitte der 1880er Jahre der neuangelegte Friedhof der jüdischen Gemeinde, der eine ältere Begräbnisstätte „Im Judenbusch“ (erstmals 1799 erwähnt) ablöste.

Die Gemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat in Trier.

Juden in Lösnich:

--- 1808 ..........................  11 Juden,

--- 1835 ..........................  29   “  (in 4 Familien),

--- 1843 ..........................  22   “  ,

--- 1855 ..........................  29   “  ,

--- 1875 ..........................  25   “  ,

--- 1895 ..........................  34   “  ,

--- 1900 ..........................  53   “  ,

--- 1909 ..........................  28   “  (in 7 Familien),

--- 1933 ..........................  11   “  ,

--- 1938 ..........................  keine.

Angaben aus: Lösnich, aus: alemannia-judaica.de

 

1925 lebten nur noch 17 jüdische Bewohner in Lösnich; zu dieser Zeit waren sie bereits Angehörige der Kultusgemeinde Leiwen.

Im Jahre der Machtübernahme lebten im Dorf noch elf Juden, fünf Jahre später keine mehr; sie waren emigriert bzw. in größere Städte verzogen.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden 19 aus Lösnich stammende bzw. längere Zeit hier ansässig gewesene Bewohner mosaischen Glaubens Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/loesnich_synagoge.htm).

 

Das Synagogengebäude war Ende der 1930er Jahre versteigert worden und diente in den Folgejahrzehnten einem Winzerbetrieb als Wirtschaftsgebäude. 1967 wurde es abgebrochen und das Areal neu überbaut.

Auf Grund einer Privatinitiative wurde das ca. 250 m² große jüdische Friedhofsgelände in den Jahren 2000/2003 instandgesetzt; fast alle der 14 vorhandenen Grabsteine tragen die Namen der Familien Kaufmann und Schömann.

 

neue Eingangspforte zum Friedhof in Lösnich und ältere Grabsteine (Aufn. JS Lonscet, 2014, aus: wikipedia.org CC BY-SA 3.0) 

2016 wurde eine Gedenkplakette mit den Namen der fünf ehemaligen jüdischen Bewohner Lösnichs enthüllt, die ermordet wurden.


vgl. auch:  Zeltingen-Rachtig (Rheinland-Pfalz)

 

 

 

Weitere Informationen:

D. Peters/M. Strehlen, Jüdische Begräbnisstätten - Gedenkstätten Rheinland-Pfalz, in: "SACHOR", Heft 16/1998

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “ Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 236

Lösnich, in: alemannia-judaica.de

Jüdischer Friedhof in Lösnich, in: alemannia-judaica.de (mit div. Aufnahmen von Otmar Frühauf)

Marie-Luise Conen/Hilde Weirich, Jüdische Familien von der Mittelmosel. Lebensläufe von 1714 bis zur Gegenwart, Paulinus Verlag, Trier 2010

Werner Gessinger. Der jüdische Friedhof in Lösnich an der Mosel, 2012 (online abrufbar unter: gessinger1.de)

Adrian Froschauer (Red.), Vergeben aber niemals vergessen – Gemeinde Lösnich gedenkt jüdischer Bürger, in: "Trierer Volksfreund" vom 23.7.2016

Christina Bents (Red.), Jüdischer Friedhof in Lösnich: Letzte Ruhe unter Pappeln, in: "Trierer Volksfreund" vom 29.9.2020