Loslau (Oberschlesien)
Loslau (poln. Wodzisław Śląski) – ca. 50 Kilometer südwestlich von Kattowitz bzw. südöstlich von Ratibor in Richtung tschechische Grenze gelegen - war eine Kleinstadt im Landkreis Rybnik (Reg.bez. Oppeln). 1922 wurde sie mit dem größten Teil des Landkreises an die neue Republik Polen angeschlossen, im Okt. 1939 wieder in das Deutsche Reich (dem Reg.bez. Kattowitz) eingegliedert. Nach 1945 kamen Stadt und Landkreis wieder zu Polen; Wodzisław Śląski ist eine Stadt mit derzeit ca. 48.000 Einwohnern im Powiat Wodzisławski (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Polen' mit Wodzisław Śląski rot markiert, K. 2005, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
In Loslau sind einzelne jüdische Familien seit dem 17.Jahrhundert nachweisbar. Eine autonome israelitische Gemeinde existierte aber erst seit den 1840er Jahren.
Ein Synagogenbau – mit repräsentativer Fassade mit drei Torbogen - wurde Mitte der 1820er Jahre erstellt; er löste ein Fachwerkgebäude (aus 1798) ab, das 1822 während eines Schadenfeuers zerstört worden war.
Vorderfront des Synagogengebäudes in Loslau, hist. Aufn. (links aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei - rechts aus: kirkuty.xip.pl)
1814 wurde auf einem Hügel nahe der Stadt der jüdische Friedhof angelegt; zuvor waren Verstorbene in Nicolai (Mikulow) begraben worden.
Juden in Loslau:
--- um 1635 ......................... 2 jüdische Familien,
--- 1748 ............................ 12 “ “ ,
--- 1789 ............................ 126 Juden,
--- 1814 ........................ ca. 150 “ ,
--- 1820 ............................ 152 “ ,
--- 1828 ........................ ca. 250 “ ,
--- 1840 ............................ 321 “ ,
--- 1861 ............................ 401 “ ,
--- 1880 ............................ 302 “ ,
--- 1890 ........................ ca. 300 “ ,
--- 1920 ........................ ca. 500 “ ,
--- 1930 ........................ ca. 100 " .
Angaben aus: P.Maser/A.Weiser, Juden in Oberschlesien und Wodzislaw Slaski, in: sztetl.org.pl
Unter preußischer Herrschaft war die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt in Gang gesetzt worden, indem Bergbau und Handwerk Eingang fanden und sich weiter entwickelten. Die jüdischen Familien bestritten ihren Lebensunterhalt hauptsächlich durch den Handel.
Loslau um 1875 (Abb. aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei)
Stadtzentrum von Loslau (hist. Postkarte, um 1900)
Nach der Volksabstimmung, die den Anschluss an Polen zur Folge hatte, verließen die meisten einheimischen jüdischen Familien die Stadt in Richtung Deutschland. Juden aus Galizien und dem westlichen Russland zogen nun hierher; allerdings wurden sie von der einheimischen Bevölkerung abgelehnt, die alsbald ihren Unmut mit einem Handelsboykott der jüdischen Kaufleute Ausdruck verlieh. Ihrer Existenz beraubt verließen daraufhin zahlreiche Juden die Stadt. Die Synagoge wurde geschlossen; die Gemeinde löste sich im Jahre 1924 auf. Mit dem Einmarsch deutscher Truppen wurden die noch verbliebenen Juden umgehend in Ghettos/Lager Schlesiens „umgesiedelt“.
Der jüdische Friedhof wurde abgeräumt, die Grabsteine zumeist im Straßenbau benutzt. Auf dem Gelände fanden später mehr als 10.000 gefallene sowjetische Soldaten ihre letzte Ruhe.
Ein Gedenkstein – in polnischer und hebräischer Sprache beschriftet - erinnert heute an die ehemaligen jüdischen Familien Loslaus.
Das einstige Synagogengebäude, in dem zwischenzeitlich auch ein Kino untergebracht war, ist gegenwärtig eine Verkaufsfiliale einer großen deutschen Drogeriekette.
Loslau war der Geburtsort des Rabbiners und Talmudgelehrten Eleasar Löw, genannt Schemen Rokeach (geb. 1758), der einer Rabbinerfamilie entstammte (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei). Schon in jungen Jahren erhielt er eine religiöse Ausbildung, die sein Vater und Privatlehrer vornahmen. Bereits mit 16 Jahren wurde er zum Rabbiner ordiniert. In seiner Heimatstadt Loslau trat er dann seine erste Stelle an und wurde dann alsbald als Rabbiner nach Pilitza/Pilica (Schlesien) berufen. Durch seine (erste) Ehefrau kam Eleasar Löw zu einem größeren Vermögen, das er aber in der Folgezeit durch betrügerische Machenschaften verlor. Im Jahr 1800 übersiedelte er nach Triesch/Třešť (im böhmisch-mährischen Grenzgebiet) und gründete dort eine Jeschiwa, die zahlreiche Schüler hatte. Zwischenzeitlich hatte er das Kreisrabbinat von Pilsen und Klattau übernommen, kehrte aber auf Bitten der Gemeinde Triesch dorthin wieder zurück. Als dort 1819 eine Feuersbrunst tobte und die Gemeinde in deren Folge verarmte und sich keinen Rabbiner und auch keine Jeschiwa mehr unterhalten konnte, übersiedelte Löw mit seiner Familie ins damalige ungarische Liptau Szent-Miklos/Liptau-Sankt-Nikolaus (heute Liptovský Mikuláš) und schuf auch hier eine Jeschiwa, die er von 1821 bis 1830 führte. Danach wirkte er bis zu seinem Tode (1837) als Rabbiner in Szantò (Santovka).
Weitere Informationen:
Archiv der Shalom-Stiftung
Lazar Münz, Rabbi Eleasar, genannt Schemen Rokeach - Eine Lebensbeschreibung, Trier 1885
Kazimierz Cichy, Wodzisław Śląski. nasze miasto, Rybnik 2003
Wodzislaw Slaski, in: sztetl.org.pl
Wodzislawia, in: kirkuty.xip.pl (Textbeiträge aus einer Publikation von Casimir Mroczek)
Beata Pomykalska/Pawel Pomykalski, Auf den Spuren der Juden Oberschlesiens, Hrg. Haus der Erinnerung an die Juden Oberschlesiens – Zweigstelle des Museums in Gleiwitz, Gliwice 2019