Klausenburg (Siebenbürgen/Rumänien)
Klausenburg wurde im 13.Jahrhundert von deutschen Siedlern gegründet. Im Laufe der Geschichte gehörte es lange Zeit zu Ungarn (genannt Kolozsvar), in der Zwischenkriegszeit zu Rumänien, kurzzeitig dann wieder zu Ungarn, ehe es nach dem Zweiten Weltkrieg wieder zum Staatsgebiet Rumäniens gehörte. In der Großstadt Cluj-Napoca – heute die zweitgrößte Stadt gelegen im Nordwesten Rumäniens - leben derzeit etwa 325.000 Einwohner (Karte DietG, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY 3.0 und wikipedia.org, gemeinfrei).
Klausenburg war eines der Zentren jüdischen Lebens in Siebenbürgen.
Klausenburg im Jahre 1759 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
In einem Dokument aus dem Jahre 1481 fanden erstmals jüdische Bewohner von Klausenburg Erwähnung.
Jdische Händler hielten sich bereits seit dem frühen 17.Jahrhundert zeitweilig in der Stadt auf - zumeist gegen den Willen der lokalen Autoritäten. Erst im ausgehenden 18.Jahrhundert war dann Juden erlaubt, in Klausenburg ansässig zu werden. Doch eine jüdische Gemeinde bildete sich erst in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts.
Die erste größere Synagoge der Stadt (in der heutigen Paris-Straße) wurde 1851 ihrer Bestimmung übergeben. Schon 1807 war ein Betraum vorhanden, der bis zur Erstellung einer kleinen Synagoge (1818) genutzt wurde.
1887 wurde in der Horea-Straße eine Synagoge für den konservativen Teil der Klausenburger Juden eingeweiht.
Anm.: Heute ist diese Synagoge als „Tempel der Deportierten“ den etwa 18.000 Juden aus Klausenburg und Umgebung gewidmet, die im Mai/Juni 1944 nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurden.
Bereits Anfang der 1880er Jahre hatte sich eine Gruppe intellektueller Juden von der orthodoxen Gemeinde separiert und eine liberale (neologe) Gemeinde gegründet – mit einem eigenen, 1887 eingeweihten Synagogenbauwerk.
Neologe Synagoge (hist. Ansicht, um 1910, aus: commons.wikimedia.org, CCO)
Anm.: Heute ist diese Synagoge als „Tempel der Deportierten“ den etwa 18.000 Juden aus Klausenburg und Umgebung gewidmet, die im Mai/Juni 1944 nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurden.
Beide Gemeinden betrieben eigene Schule: so bestand seit 1870 eine Elementarschule der orthodoxen Gemeinde; ca. 35 Jahre danach wurde eine Schule seitens der neologen Richtung eingerichtet. Beide Bildungseinrichtungen bestanden bis Anfang der 1940er Jahre
Juden in Klausenburg:
--- um 1780 ........................ 8 jüdische Familien
--- um 1820 ........................ 40 Juden,
--- 1850 ........................ ca. 480 " ,
--- 1866 ........................ ca. 780 " ,
--- um 1870 ..................... ca. 3.000 " ,
--- 1891 ........................ ca. 2.400 " ,
--- 1910 ........................ ca. 7.000 " ,
--- 1920 ........................ ca. 14.000 " (ca. 13% d. Bevölk.),
--- 1930 ........................ ca. 13.500 " (ca. 10% d. Bevölk.),
--- 1947 ....................... ca. 6.500 " ,
--- 1970 ....................... ca. 340 jüdische Familien,,
--- 1990 ....................... ca. 750 Juden,
--- 2002 ....................... ca. 220 " .
Angaben aus: Cluj-Napoca, in: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust, Vol. 1, New York 2001, S. 263/264
und The Jewish community of Cluj-Napoca, Hrg. Beit Hatfutsot
und Christel Wollmann-Fiedler (Red.), Die Kronstädter Synagoge, in: „Israel Nachrichten“ vom 30.9.2014
hist. Ansichtskarte von Klausenburg/Cluj, um 1920
Hauptstraße in Clujhist. Postkarte, Abb. aus: commons.wikimedia.org CCO
Gegen Ende des Ersten Weltkrieges gewann die zionistische Bewegung in Klausenburg an Bedeutung. Einer der Beweggründe für das Anwachsen des Zionismus in der Stadt war der zunehmende lokale Antisemitismus, der sich u.a. in der Verwüstung des jüdischen Gotteshauses durch hiesige Studenten manifestierte (1927).
Mit der ungarischen Annexion (1940) – auf Druck Deutschland und Italiens war Siebenbürgen im Sept. 1940 aufgeteilt und der nördliche Teil Ungarn zugesprochen worden - setzten umgehend auch in Klausenburg die antijüdischen Maßnahmen ein: neben einschneidenden wirtschaftlichen Restriktionen wurden Juden zur Zwangsarbeit verpflichtet.
Im Juli 1941 wurden mehrere hundert Juden nach Kamenez-Podolsk deportiert und dort von deutschen Einheiten ermordet.
Nach dem deutschen Einmarsch, der die Einrichtung eines Ghettos mit einem sog. „Judenrat“ nach sich zog, verschleppte man etwa 18.000 Juden aus Klausenburg und Umgebung zunächst auf das Gelände der städtischen Ziegelei; von dort erfolgte ihre Verfrachtung in sechs Transpsorten ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau (Mai/Juni 1944).
Etwa 400 Klausenburger Juden wurden Mitte Juli 1944 dank einer umstrittenen Vereinbarung zwischen dem jüdischen Journalisten und Rechtsanwalt Rudolf Kasztner und der SS von dieser Deportation verschont und konnten von Budapest aus – zusammen mit anderen ungarischen Juden – per Zugtransport in die Schweiz ausreisen.
Nach Ende des Krieges gelangten überlebende Juden - nicht nur vormals hier ansässig gewesene - nach Klausenburg. Viele verließen in der Folgezeit aber wieder die Stadt, um nach Palästina/Israel und andere westliche Länder auszuwandern; diese Abwanderungsbewegung setzte sich bis Ende der 1990er Jahre fort
Derzeit besteht die jüdische Gemeinschaft von Cluj-Napoca nur aus ca. 400 Personen - zumeist älteren Menschen. Ihre Zusammenkünfte finden wöchentlich in einem kleinen Bethaus in der Dávid-Ference-Straße statt. Nur an Feiertagen sucht man die inzwischen restaurierte Große Synagoge in der Horea-Straße (Franz-Joseph-Straße) auf.
sog. Große Synagoge (Aufn. 2006, aus: wikipedia.org, CCO)
Aus einem Zeitungsartikel der „Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien“ vom 17.12.2021:
„ … Um die Poale-Tzedek-Synagoge am Ufer des Somesch mit Blick auf Klausenburg kümmert sich die Tranzit-Stiftung schon seit 1997. Bis Anfang der 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts hatte der Altbau noch als Tempel der jüdischen Bewohner Klausenburgs gedient. Spätfolgen des Holocaust und die zionistische Bewegung entzogen ihm jedoch nachhaltig seine ureigene Hausgemeinschaft. Eine kleine Gruppe junger Künstler und Intellektueller wagte dafür den Versuch, die alte Poale-Tzedek-Synagoge in ein unabhängiges Veranstaltungs-Zentrum umzuwandeln und sie dadurch vor ihrem Verfall zu schützen. Beginnend mit dem Jahr 1998 bahnte sie sich unter dem neuen Namen „Tranzit House“ bald ihren eigenen Weg in der freien Kulturszene Klausenburgs. Unter Kino-Freaks gilt ihr großer Vorgarten, ebenfalls am Ufer des Kleinen Somesch gelegen, als eine der besten Adressen stadtweit für Vorstellungen abends in der warmen Jahreszeit unter freiem Himmel. Zudem ist die „Casa Tranzit“ die allererste Synagoge Rumäniens, für die im Europa der Nachkriegszeit ein gänzlich neues Nutzungskonzept erdacht wurde. ...“
Im Stadtgebiet von Cluj-Napoca gibt es heute vier jüdische Friedhöfe; in der Region sind es 27 weitere Begräbnisstätten, deren Pflege der Föderation der Jüdischen Gemeinden Rumäniens obliegt.
Anlässlich des 70. Jahrestages der Deportationen aus Nordsiebenbürgen (2014) wurden zwei „Gedenkzeichen“ in Klausenburg eingeweiht. An der Fassade des Bahnhofsgebäudes erinnert eine vom rumänischen Elie-Wiesel-Institut angebrachte Gedenktafel an die Deportationen. In einem kleinen Park im Stadtzentrum errichtete man ein aus schwarzem Granit bestehendes Denkmal; eine dreisprachige Inschrift lautet: „Im Gedenken an die über 18.000 Opfer des Rassenhasses, jüdische Männer, Frauen und Kinder, die im Mai und Juni 1944 aus Klausenburg und Umgebung nach Auschwitz deportiert wurden.“
Holocaust-Denkmal (Aufn. Orsolya Nagyi, 2020)
2020 eröffnete ein von mehreren Privatpersonen geschaffenes Museum ("Muzeon"), das an Hand von den Lebensgeschichten dreier Klausenburger Juden einen Einblick in das einstige jüdische Leben der Stadt geben will. Seitens der jüdischen Gemeinde gibt es derzeit auch Überlegungen, in der Horea-Straße ein Museum einzurichten.
Jekusiel Jehuda Halberstam (geb. 1905 in Rudnik/Polen) - Urenkel von Rabbi Chaim Halberstam von Sanz, einem der großen chassidischen Führer des polnischen Judentums - war selbst ein orthodoxer Rabbiner und Begründer der sog. „Sanz-Klausenburg-Dynastie“ .Nach einem Studium bei den berühmtesten jüdischen Gelehrten Osteuropas kam er als 22jähriger junger Rabbiner nach Klausenburg, wo er wegen seiner Gelehrsamkeit und seines besonderen Charismas bald eine breite Anhängerschaft um sich sammelte. Während seine Frau und seine elf Kinder dem Holocaust zum Opfer fielen, überlebte er mehrere Konzentrationslager (befreit im KZ Dachau). Er setzte nach Kriegsende seine gemeindliche Arbeit in den DP-Camps in der US-Zone fort und gewann auch hier eine große Anhängerschaft, die ihm im Sinne eines chassidischen Judentums folgte. Das Camp Föhrenwald wurde damals nun zum Zentrum der Klausenburger-Chassidim. Ab Ende der 1940er Jahre lebte Halberstam in den USA (Brooklyn), hielt sich aber auch regelmäßig in Israel auf, wo in der Nähe Netanjas das „Klausenburger Zentrum“, eine Kleinstadt für mehrere tausend Chassiden entstanden war. Jekusiel Jehuda Halberstam starb 1994 im Alter von 91 Jahren.
Weitere Informationen:
Cluj-Napoca, in: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust, Vol. 1, New York 2001, S. 263/264
Judah Lifschitz, The Klausenberger Rebbe: The War Years, Targum Press, 2003
The Jewish community of Cluj-Napoca, Hrg. Beit Hatfutsot – The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/-cluj-cluj-napoca
Ladislau Gyémánt, Evreii din Transilvania. Destin istoric (Ausg. englisch-rumänisch), Hrg. Institutul Cultural Român, Cluj-Napoca 2004
Claus Stephani, The Jews of Transylvania: A Historical Destiny – Zur Geschichte des siebenbürgischen Judentums, in: „David- Jüdische Kulturzeitschrift“, Heft 65/2005
Ulrich Burger, Klausenburg. Im Schnittpunkt von Geschichte und Kultur. Perspektiven-Verlag, Kösching 2005
Ladislau Gyémánt (Bearb.), Die Juden in Siebenbürgen bis zum 18. Jahrhundert, in: Volker Leppin, Ulrich A. Wien (Hrg.), Konfessionsbildung und Konfessionskultur in Siebenbürgen in der Frühen Neuzeit,Franz Steiner Verlag, Wiesbaden 2005, S. 191 – 200
Carsten Dippel (Red.), Cluj-Napoca. Es war einmal, in: „Jüdische Allgemeine“ vom 15.5.2008
Daniel Löwy, Von der Ziegelfabrik bis zum Viehwaggon. Der Untergang einer jüdischen Gemeinde im siebenbürgischen Klausenburg, Herne 2011
Galut (Red.), Chronik einer untergegangenen jüdischen Gemeinde, in: Ungarische Geschichte. Historik und Kultur-Historie rund um Ungarn, 25.10.2013
Michael Mundt (Red.), Klausenburger Synagoge wird renoviert, in: „Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien“ vom 9.3.2017
Jim G. Tobias, Der Klausenburger Rebbe, in: haGalil.com vom 29.10.2017
Michael Mundt (Red.), Eine persönliche Begegnung mit jüdischer Geschichte, in: „Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien“ vom 9.12.2020
Klaus Philippi (Red.), Klausenburgs freie Kulturszene lässt sich nicht lumpen, in: „Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien“ vom 17.12.2021
Memorial-Museum (Hrg.), Erinnerung an die deportierten Juden von Klausenburg, online abrufbar unter: memorialmuseums.org/