Krakau

            undefinedملف:POL Kraków map.svg - ويكيبيدياKrakau (a.d. oberen Weichsel, poln. Kraków) – im zentral westlichen Teil der Woiwodschaft Kleinpolen unweit der Grenze zu Tschechien gelegen – ist mit derzeit ca. 780.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt in Polen (Kartenskizzen 'District Krakau', aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0 und 'Polen' mit Kraków markiert, aus: wikipedia.org, CCO).

Von 1038 bis 1596 war Krakau Hauptstadt des Kgr. Polen. Im Zuge der 3.Teilung Polens (1795) wurde die Stadt dem habsburgischen Kronland Galizien zugeordnet. Kurzzeitig zum Herzogtum Warschau gehörend stand nach dem Wiener Kongress die neugeschaffene Republik Krakau unter gemeinsamer Verwaltung der Nachbarstaaten Russland, Österreich und Preußen. Im Laufe des 19.Jahrhundert entwickelte sich Krakau zu einer liberalen wohlhabenden Handelsmetropole.

Nach dem Ersten Weltkrieg setzte sich – nun im neugegründeten Staate Polen  – diese Entwicklung fort; zudem war nun die Stadt eines der bedeutendsten kulturellen Zentren in Polen.

 

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Krakau und Kazimierz – Holzschnitt aus der Schedel‘schen Weltchronik um 1500 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

 

Möglicherweise haben bereits im 11.Jahrhundert Juden in Krakau gelebt. Als sicher gilt, dass nach Pogromen in Mitteleuropa (1348/49) jüdische Familien nach Krakau, der damaligen Hauptstadt Polens, gelangten und sich am nordöstlichen Stadtrand außerhalb der Stadtmauern (im ‚Vicus Judeorum‘) niederließen. An der Spitze der gut organisierten Gemeinde stand der Rabbiner (‚jüdischer Bischof von Krakau‘); ihm zur Seite standen mehrere 'Gemeindeälteste‘.

 

Die Alte Synagoge in Krakau – ein am Ende des 15.Jahrhunderts erstellter Bau im gotischen Stil – wurde gegen Mitte des 16.Jahrhunderts durch den italienischen Baumeister Mateo Gucci umgestaltet. Jahrzehnte später erfolgten Anbauten, so auch zwei Betsäle für Frauen. 

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Alte Synagoge Krakau – im Vordergrund die ehem. Frauenbetsäle (Aufn. Ludwig 2014) - Innenansicht  (Aufn. Jakub Halun, 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Als 1495 in Krakau ein Großbrand wütete und auch die Wohnsitze der jüdischen Bevölkerung vernichtete, wurden die Juden ins nahe Kazimierz (von 1335 - 1800 eine eigenständige Stadt, danach als Stadtteil Krakaus eingemeindet) ‚umgesiedelt‘; begründet wurde die Vertreibung damit, dass man als Verursacher des Brandes den hiesigen Juden die Schuld gab. Mitverantwortlich für die Vertreibung war die christliche (deutsche) Kaufmannschaft, die in Konkurrenz zu den jüdischen Händlern stand. Kazimierz wurde nun – und blieb es jahrhundertelang – zu einem Zentrum des jüdisch-intellektuellen Lebens, dessen Wirkungsbereich weit über die Landesgrenzen Polen reichte.*

* Anmerkung: Ab ca. 1820 durften sich Juden nun in ganz Krakau niederlassen; doch blieb des jüdische Zentrum in Kazimierz bestehen. Bereits im 17.Jahrhundert war es Juden zeitweise erlaubt gewesen, sich in Krakau (im Stadtteil Kleparz) niederzulassen; doch nach Auferlegung von Handelsverboten verzogen viele von ihnen nach Kazimierz.

 

Im jüdischen Viertel von Karzimierz, das um 1560 von den christlichen Wohngebieten mit einer Mauer abgetrennt worden war, findet man - bis auf den heutigen Tag - noch mehrere Synagogen, die über Jahrhunderte hinweg genutzt wurden und trotz Kriegen baulich erhalten geblieben sind.

Um 1550 wurde in Kazimierz die Remuh-Synagoge errichtet, wenige Jahre später bei einem Brand zerstört. Der an gleicher Stelle errichtete Nachfolgebau (im Stile der Renaissance) erfuhr im Laufe der Jahrhunderte mehrfach bauliche Veränderungen.

 

Aufn. Zygmunt Put, 2012 und Barbara Maliszewska, 2009, aus: commons.wikimedia.org, CCBY-SA 3.0 pl

Die sog. Hohe Synagoge in Kazimierz – finanziert von einem jüdischen Kaufmann - wurde in den 1560er Jahren fertiggestellt. Das im Laufe der Jahrhunderts mehrfach umgebaute Gotteshaus blieb bis heute erhalten und dient nach deren umfangreicher Restaurierung kulturellen Zwecken.

 Die Hohe Synagoge (Aufn. Jakub Halun, 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Der Bau der Popper-Synagoge datiert 1620, nachdem der reiche Kaufmann/Bankier Wolf Popper diese errichten und mit einer aufwändigen Innenausstattung versehen ließ. Mehrfache Erweiterungen (im 19,Jahrhundert), Zerstörungen während des Zweiten Weltkrieges und ein Wiederaufbau nach 1945 haben das ursprünglich Äußere des Gotteshauses stark verändert.

     undefined Aufn. Zygmunt Put, 2020, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0

Aus der Mitte des 17.Jahrhunderts stammt die Kupa-Synagoge, die im jüdischen Viertel direkt an der Stadtmauer errichtet wurde. Das Gebäude überstand die Kriegsjahre (die Inneneinrichtung wurde z.T. zerstört) und diente danach wieder als Gotteshaus.

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Kupa-Synagoge (Aufn. Jakub Halun, 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0) - Innenraum (Aufn. Zygmunt Put, 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

Ebenfalls aus der Mitte des 17.Jahrhunderts stammt die Isaak-Synagoge. Der im Stile des Spätbarock errichtete Bau ist einem wohlhabenden jüdischen Kaufmann (Isaak Jakubowicz) zu verdanken, dem der polnische König die Erlaubnis zu dessen Erstellung dazu gegeben hatte. Auch diese Synagoge ist bis auf den heutigen Tag erhalten und dient sowohl religiösen als auch musealen Zwecken.

    

Isaak-Synagoge (Aufn. Krystyna Pruchniewska, 2018 und Kili 2019, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)

Zu den Personen, die Kazimierz zu einem geistigen Zentrum jüdischer Kultur machten, gehörten u.a. Jakob Polak (Gründer der ersten Jeschiwa in Polen), die Gebrüder Helicz (Gründer der ersten hebräischen Druckerei) und Moses Isserles, der als Gründer einer Jeschiwa zu einer anerkannten religiösen Autorität wurde.

Moses Isserles (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Zumeist wirtschaftlich motivierte Verfolgungen/Pogrome sind vor allem aus dem 17.Jahrhundert bekannt. Trotzdem vergrößerte sich die Zahl der jüdischen Gemeindeangehörigen durch den Zustrom von Flüchtlingen (aus Wien, Böhmen, Schlesien)

Der Alte Jüdische Friedhof wurde 1551 in Kazimierz angelegt und bis ca. 1800 genutzt. Auf dem Gelände befindet sich das Grab des Rabbiners Moses Isserles, das heute noch von gläubigen Juden aus aller Welt besucht wird.

Impressionen vom alten jüdischen Friedhof (Aufn. Madzik, 2012 und  B. Maliszewska, 2013, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

Grabstein von Moses Isserles (Aufn. Magdalia, 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

Der Neue Jüdische Friedhof an der Miodowa existiert seit Anfang des 19.Jahrhunderts und ersetzte die Remuh-Begräbnisstätte; er dient bis auf den heutigen Tag als ‚Guter Ort‘. Auf einer Fläche von ca. 20 ha blieben mehr als 10.000 Grabsteine (oft mit reicher Ornamentik) erhalten.

undefined neuer jüdischer Friedhof (Aufn. Z.P., 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 Datei:Jüdischer Friedhof in Krakau.jpgJüdischer Friedhof im Krakauer Stadtteil Kazimierz: Noch 1946 kam es zu einem Judenprogrom in Polen

Teilansichten (Aufn. B. 2009, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Aufn. Polnisches Fremdenverkehrsamt)

Juden in Krakau/Kazimierz:

--- 1570 ................ ca.   2.100 Juden,

--- um 1650 ............. ca.   4.000   "  ,

--- 1775 ................ ca.   3.500   "  ,

--- 1818 ....................   7.250   "  ,

--- 1833 ....................  10.800   "  ,

--- 1843 ................ ca.  13.000   "  ,

--- 1857 ................ ca.  13.000   "  (ca. 38% d. Bevölk.),

--- 1869 ...............  ca.  17.700   "  ,

--- 1880 ...................   20.269   "  ,

--- 1890 ...................   20.939   "  ,

--- 1900 ...................   25.670   "  (ca. 28% d. Bevölk.),

--- 1910 ...................   32.321   "  ,

--- 1921 ...................   45.229   "  (ca. 25% d. Bevölk.),

--- 1931 ............... ca.   55.500   "  ,

--- 1939 ............... ca.   60.000   "  ,

--- 1948 ...................    5.900   "  ,

--- 1955 ............... ca.    4.000   "  ,

--- um 2020 ............ ca.      200   "  .

Angaben aus: Ergebnisse der Volkszählungen der K.K.Statistischen Central-Kommission

und                 The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust, Vol. 1, S. 274 f.

und                  H. Julius H. Schoeps, Neues Lexikon des Judentums, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2000, S. 487

 

Die Juden aus Kazimierz engagierten sich zunächst im Handel und Geldgeschäft, viele arbeiteten im Handwerk. Zur wirtschaftlichen Elite der Krakauer Juden gehörten die Familien Bornstein, Halberstam, Horowitz, Meisels und Samelsohn, die über beachtliche Vermögen verfügten. Doch verzeichnete man im jüdischen Viertel auch eine hohe Zahl an Bettlern und Obdachlosen. Im Laufe des 19.Jahrhunderts vergrößerte sich der Anteil der Juden an der hiesgen Wirtschaft: So gab es Handelsbereiche, in denen sie eine monopolartige Stellung besaßen, so im Textilhandel, im Vertrieb von Zinn, in der Buchbinderei u.a.

Während der ärmere jüdische (orthodoxe) Bevölkerungsteil im Stadtteil Kazimierz verblieb und diesen zu einem typisch osteuropäischen „Schtetl“machte, zogen ab Ende der 1860er Jahre wohlhabendere Juden und die jüdische Intelligenz in andere Krakauer Stadtteile, so z.B. nach Podgórze.

Nach Pogromen in Russland kamen 1905 zahlreiche Juden nach Krakau; mit der Zuwanderung verbunden war auch eine um sich greifende zionistische Bewegung.

 

 

 

Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges betrug die Zahl der jüdischen Bewohner in Krakau etwa 60.000. Im Stadtgebiet gab es damals ca. 130 Synagogen bzw. Bethäuser.

Am 6.September 1939 wurde Krakau von der deutschen Wehrmacht besetzt. Darauf folgte unverzüglich die Verfolgung der Juden, die vom Einsatzkommando 2 der Einsatzgruppe I (unter dem Befehl von SS-OStBF Max Großkopf) organisiert wurde. Tausende Krakauer Juden flohen nach Ostgalizien oder Rumänien.

Am 26.Oktober 1939 wurde Krakau zur Hauptstadt des Generalgouvernements erklärt; Generalgouveneur wurde Hans Frank, der das königliche Wawel-Schloss zu seiner Residenz wählte.

Von hier aus wurden dann alle antijüdischen Verordnungen über das Generalgouvernement herausgegeben.

 

Der Distriktchef von Krakau

A N O R D N U N G

Kennzeichnung der Juden im Distrikt Krakau

Ich ordne an, dass alle Juden im Alter von über 12 Jahren im Distrikt Krakau mit Wirkung vom 1.12.1939 außerhalb ihrer eigenen Wohnung ein sichtbares Kennzeichen zu tragen haben. Dieser Anordnung unterliegen auch nur vorübergehend im Distriktbereich anwesende Juden für die Dauer ihres Aufenthaltes.

Als Jude im Sinne dieser Anordnung gilt:

wer der mosaischen Glaubensgemeinschaft angehört oder angehört hat

jeder, dessen Vater oder Mutter der mosaischen Glaubensgemeinschaft angehört oder angehört hat.

Als Kennzeichen ist am rechten Oberarm der Kleidung und der Überkleidung eine Armbinde zu tragen, die auf weissem Grunde an der Aussenseite einen blauen Zionstern zeigt. Der weisse Grund muß eine Breite von mindestens 10 cm haben, der Zionstern muss so gross sein, dass dessen gegenüberliegende Spitzen mindestens 8 cm entfernt sind. Der Balken muss 1 cm breit sein.

Juden, die dieser Verpflichtung nicht nachkommen, haben strenge Bestrafung zu gewärtigen.

Für die Ausführung dieser Anordnung, insbesondere die Versorgung der Juden mit Kennzeichen, sind die Ältestenräte verantwortlich.

Krakau, den 18.11.1939 gez. W ä c h t e r , Gouverneur

                   (Anmerkung: Obige Anordnung wurde ebenfalls in polnischer Sprache per Plakatanschlag veröffentlicht.)

 

Im November 1939 wurde auf Druck der deutschen Besatzer ein Judenrat gebildet, dessen Vorsitzende Marek Bieberstein und Wilhelm Goldblatt waren. Beide wurden im Sommer 1940 inhaftiert, und Artur Rosenzweig wurde nun der neue Vorsitzende des Krakauer Judenrates.

Anfang Dezember 1939 kam es im jüdischen Viertel zu gewaltsamen Ausschreitungen, in deren Gefolge mehrere Synagogen in Brand gesetzt wurden.

Am 12.April 1940 notierte Hans Frank in seinem Tagebuch, dass er entschlossen sei, die Stadt bis auf einen Rest von 10.000 Handwerkern und Facharbeitern von Juden säubern zu lassen, so dass Deutsche nicht mehr gezwungen sein würden, "die gleiche Luft einzuatmen wie Juden".

Wenige Tage später, am 18.April 1940, erließ Stadthauptmann Schmid den Befehl, dass alle Juden bis zum 15.August 1940 Krakau verlassen müssten. Bei freiwilligem Wegzug wurde den Juden die Mitnahme ihres Besitzes garantiert. Durch Einwirkung des Judenrates verließen etwa 23.000 Juden 'freiwillig' die Stadt. 

Ab Mai 1940 begann dann die Vertreibung der Krakauer Juden in benachbarte Städte: Im Auftrage von Frank ließ SS-ObStBF Rudolf Pavl Juden auf den Straßen zusammentreiben und in Arbeitslager oder in ländliche Gebiete des Distriktes Krakau deportieren. Bis zum Frühjahr 1941 waren etwa 40.000 Juden vertrieben und ihrer Habe beraubt worden; nur etwa 11.000 lebten nun noch in der Stadt.

Als nächste Stufe der Vernichtung erließ am 3.März 1941 der Gouverneur des Distriktes Krakau, Dr. Otto Wächter, eine Verordnung zur Errichtung eines Ghettos im Stadtteil Podgórze, einem Viertel im südlichen Teil Krakaus:

 

Aus der Verordnung des Gouverneurs des Distriktes Krakau, SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei Dr. Karl Otto G. WÄCHTER, über die Bildung eines Ghettos in KRAKAU:

Krakau, den 3.März 1941

Betrifft: Bildung eines jüdischen Wohnbezirkes in der Stadt Krakau

Sanitäre, wirtschaftliche und polizeiliche Erwägungen machen es notwendig, den jüdischen Bevölkerungsteil der Stadt Krakau geschlossen in einem besonderen Stadtteil als Judenwohnbezirk unterzubringen:

Ich ordne daher an:

Im Stadtgebiet Krakau wird mit sofortiger Wirkung in in sich geschlossener jüdischer Wohnbezirk gebildet, in dem alle in der Stadt wohnenden Juden Wohnung zu nehmen haben. Außerhalb des jüdischen Wohnbezirkes ist den Juden das Wohnen ausnahmslos verboten.

Der Judenbezirk der Stadt Krakau wird vom übrigen Stadgebiet durch folgende Straßen abgegrenzt:

..........

Die innerhalb des Judenwohnbezirkes wohnenden Nichtjuden haben bis zum 20.März 1941 ihre Wohnung außerhalb des Judenwohnbezirkes zu verlegen. .....

Nichtjuden, die bis zum 20.März 1941 ihre Wohnungen im Judenwohnbezirk nicht verlassen haben, werden zwangsweise ausgesiedelt. Bei der zwangsweisen Aussiedlung darf nur Flüchtlingsgepäck bis zum Höchstgewicht von 25 kg pro Person mitgenommen werden.

Die noch außerhalb des jüdischen Wohnbezirkes wohnenden Juden haben ihre Wohnungen bis längstens 20.März 1941 in den Judenwohnbezirk zu verlegen. ... Güter, die in der neuen Unterkunft nicht untergebracht werden können, sind der Treuhand-Außenstelle Krakau anzubieten. ... Einrichtungsgegenstände in jüdischen Wohnungen, die von deutschen Mietern benutzt werden, sind von den jüdischen Eigentümern beim Umzug zurückzulassen. ... Werkstätten, Geschäftsläden und sonstige Unternehmungen der Juden, die außerhalb des jüdischen Wohnbezirkes liegen, bleiben von der Umsiedlung vorläufig unberührt; sie dürfen als Wohnungen keinesfalls benutzt werden.

Nichtjuden ist das Wohnen und der Aufenthalt im jüdischen Wohnbezirk verboten. Nichtjuden ist verboten, Juden - wenn auch nur vorübergehend - Unterkunft zu bieten. Bei Übertretung dieses Verbotes wird mit Einziehung der Wohnung vorgegangen. Das Betreten des jüdischen Wohnbezirkes ist Nichtjuden nur mit besonderem Ausweis gestattet. ...

.... Die ordnungsgemäße Bildung des jüdischen Wohnbezirkes, die Aufrechterhaltung der Ordnung, die Unterhaltung sanitärer und sozialer Einrichtungen hat der Judenrat der Stadt Krakau zu besorgen. Er ist dafür verantwortlich. Mit der Durchführung dieser Anordnung beauftrage ich den Leiter der Abteilung Arbeit in meinem Amte. Die Nichtbefolgung der Anordnung und der dazu erlassenen Durchführungs- anweisungen wird streng bestraft.

Dr. W ä c h t e r

 

    undefined Eingang ins Ghetto (Abb. aus: wikipedia.org gemeinfrei)

Am 20. März 1941 wurde das neue Ghetto (Fläche: 600 m x 400m) - mit Mauer und Stacheldraht abgeriegelt.

Krakow ghetto, May 1942 | Holocaust Encyclopediaaus: Historical Atlas oft the Holocaust, Unites States Holocaust Memorial Museum New York 1996, S.47

Zu diesem Zeitpunkt befanden sich ca. 12.000 Juden hinter den Ghettomauern: Außer den verbliebenen Juden Krakaus wurden auch mehrere tausend Juden aus den umliegenden Gemeinden in dieses Ghetto ‘umgesiedelt’. Ende des Jahres 1941 lebten ca. 18.000 Personen im Ghettobezirk.

Zur Ausbeutung der Arbeitskraft der Ghetto-Bewohner wurden mehrere Fabriken errichtet; einige hundert Juden waren auch in außerhalb des Ghettos liegenden Fabriken beschäftigt.

Anmerkung: Ende 1939 kam der Fabrikant Oskar Schindler aus Zwickau nach Krakau; er übernahm hier zwei jüdische Betriebe für die Fabrikation von Emaille-Waren; später errichtete er in der Nähe eine eigene Fabrik. Dank seiner guten Beziehungen konnte er seine jüdischen Arbeiter vor Deportationen bewahren. (vgl. dazu "Schindlers Liste" - Film von Steven Spielberg)

 

Am 19.März 1942 startete die SS die sogenannte "Intelligenz-Aktion" gegen Intellektuelle im Ghetto; etwa 50 prominente Juden wurden dabei aufgegriffen und nach Auschwitz abtransportiert.

Ende Mai 1942 begannen dann die größeren Deportationen in die Vernichtungslager.

Nach einer hermetischen Abriegelung des Ghettos durch Abteilungen der Gestapo und der Schutzpolizei wurden in nur wenigen Tagen etwa 6.000 Juden nach Belzec deportiert.

300 Juden wurden bereits innerhalb des Ghettos erschossen, weil sie sich den Befehlen der deutschen Einheiten widersetzt hatten. Unter den Deportierten befand sich auch der Vorsitzende des Judenrates, Artur Rosenzweig mit seiner Familie.

Der Judenrat wurde aufgelöst; an dessen Stelle setzten die Besatzungsbehörden ein Kommissariat unter Leitung von David Guter. Ende Oktober 1942 wurden weitere 7.000 Ghettobewohner zusammengetrieben (600 von ihnen wurden sofort erschossen) und nach Belzec und Auschwitz deportiert. Die SS benutzte für diese Aktion Letten, Ukrainer und polnische Polizei; aber auch deutsche Polizeieinheiten waren aktiv beteiligt (Polizeibataillon 65).

Aus der Aussage eines Polizeiangehörigen:

" .. Es war im November 1942, als alle erreichbaren Kompanieangehörigen zu einem Judentransport eingeteilt wurden. Wir hastten uns am Ghetto zu melden, und dort übernahmen wir eine Kolonne jüdischer Menschen, die aus dem Ghetto herausgeführt wurden. Diese Menschen hatten wir zu begleiten zum Güterbahnhof Krakau. Dort stand schon ein Güterzug bereit, in dem sich auch schon eine Anzahl Menschen befanden. Diese Juden (Männer, Frauen und Kinder) wurden auf die unmenschlichste Weise in die vorhandenen Waggons gepfercht. Diesen Zug hatten wir dann zu begleiten. ... (Zielort vermutlich Belzec) ... Uns sagte man zuvor, daß diese Menschen umgesiedelt würden. ..."

Aber nicht alle Juden wurden in die Vernichtungslager deportiert; nach Berichten sollen Angehörige des Polizeibataillons 65 einige hundert jüdische Männer, Frauen und Kinder aus dem Ghetto Krakau in die Wälder außerhalb der Stadt geführt haben; dort wurden sie gruppenweise erschossen und in Massengräbern verscharrt.

Das Ghettogebiet wurde dann verkleinert und mit einem Stacheldrahtzaun zweigeteilt: Im Teil A waren die arbeitenden Juden zusammengefasst (etwa 10.000) und im Teil B die übrigen 'unproduktiven' Juden (etwa 4.000 Pers.). Das Schicksal beider Ghetto-Teile war eng verbunden mit der Karriere von SS-UStF Amon L. Goeth; er war mit der Liquidierung des Krakauer Ghettos beauftragt worden (vgl. dazu: Schindlers Liste – Spielfim von Spielberg).

Im März 1943 wurden die Bewohner des Ghetto-Teils A ins Lager Plaszów verlegt; mit einer Streitmacht von SS-Leuten, Ukrainern, Letten und polnischer Polizei ließ Goeth etwa 9.000 Juden des Ghettos A ins nahegelegene Lager Plaszów treiben; mehrere hundert Kinder und ihre Mütter wurden noch vor Ort umgebracht. Nur einige hundert der nach Plaszów deportierten Juden überlebten.

Auch der Teil B des Ghettos wurde ganz aufgelöst und seine etwa 2.300 Bewohner nach Auschwitz-Birkenau deportiert und in den Gaskammern ermordet; die jüngsten Kinder wurden noch im Ghetto selbst umgebracht.

 

Gleich nach der Errichtung des Krakauer Ghettos bildeten sich Untergrundorganisationen: die bekanntesten waren die beiden zionistischen Jugendorganisationen 'AKIVA'(= bürgerlich) und 'HASCHOMER HAZAIR’ (=sozialistisch), die anfangs im Untergrund Hilfsmaßnahmen organisierten. Im Herbst 1942 bildete sich dann eine Jüdische Kampforganisation (“Zydowska Organizacja Bojowa”), die den bewaffneten Kampf gegen die deutschen Besatzer plante.

Wegen der räumlichen Enge des Ghettos sollte es hier zu keinem bewaffneten Konflikt kommen; stattdessen wollte man auf der 'arischen' Seite Krakaus Anschläge verüben. Etwa zehn Kommando-Unternehmen wurden durchgeführt; bekannt wurde der Angriff auf ein Cafe im Stadtzentrum, bei dem elf Deutsche getötet wurden (22.Dezember 1942). Zu einer Zusammenarbeit des jüdischen Untergrundes mit der "Armia Krajowa" (Polnische Heimatarmee) kam es jedoch nicht.

Aus dem Aufruf der Kampforganisation der Jüdischen Chaluzzen-Jugend vom 27.August 1943 an alle Juden im Generalgouvernement, aktiven Widerstand zu leisten:

Kampfbefehl an alle jüdischen Siedlungen im Generalgouvernement

Die endgültige Vernichtung naht. Der Feind mobilisiert seine Kräfte gegen den Rest des polnischen Judentums. Warten wir nicht untätig auf den Tod. Rechnen wir nicht auf ein unerwartetes Kriegsende und eine baldige Befreiung. Wir müssen selbst zum Kampf um unser Leben antreten.

Ihr Jungen - nur mit der Waffe in der Hand kann man diesen Sturm durchhalten. Tretet in die Reihen der kämpfenden Jugend ein, schließt euch der allgemeinen Kampfaktion an. Jeder soll auf dem ihm zugewiesenen Posten zum aktiven Kämpfer werden. Laßt euch nicht von den Ereignissen, die der Tag mit sich bringt, überraschen.

Ihr Juden - wer nicht genug Kraft zum aktiven Kampf hat, wer schon nicht imstande ist, zur Waffe zu greifen, soll sein eigenes Leben retten. Jedes Entrinnen aus den Händen der Schinder ist heute eine Kampftat. Man muß ihm die Vernichtungsarbeit erschweren. Legt nicht von selbst den Kopf unters Messer.

Es darf nicht gezögert werden. Die falschen Gesichtspunkte der Bequemlichkeit und der Furcht vor den Folgen dürfen nicht die wirkliche Gefahr in den Schatten stellen. Flüchtet durch jede Spalte - durch Mauern, Zäune, Stacheldraht. Mischt euch unter die namenlose städtische Menschenmenge, um den Feind zu täuschen. Bevölkert die Wälder und Berge, nutzt jeden Weg der Flucht aus. Zerreißt endgültig die Fesseln, mit denen euch der Feind und die eigene Untertänigkeit gebunden hat.

Erhebt euch, um im entscheidenden Augenblick bereit zu sein.

Das Hauptkommando der Kampforganisation der Jüdischen Chaluzzenjugend

Diese Organisation der "Jüdischen Chaluzzenjugend" war im Gebiet des Distrikts Krakau tätig.

Zur Bekämpfung der jüdischen Kampforganisation machte die Krakauer Gestapo Gebrauch von jüdischen und polnischen Spitzeln. Die meisten Verhaftungen gingen auf das Konto von Denunzianten. Nach schweren Verlusten der jüdischen Gruppe beschloss im Herbst 1944 der verbliebene Rest, sich nach Ungarn durchzuschlagen. In Budapest schloss sich die Krakauer Gruppe der 'HANOAR HAZIONI' an.

 

Nach Kriegsende ließen sich etwa 4.000 Überlebende - die meisten aus Krakau und Umgebung stammend - in der Stadt nieder. Einige weitere tausend kehrten aus dem Exil in der UdSSR zurück, so dass die jüdische Bevölkerung Krakaus Ende der 1940er Jahre auf etwa 10.000 Menschen wieder angewachsen war.

Bereits im Sommer 1945 war es in der Stadt zu schweren antijüdischen Ausschreitungen gekommen; als es dann 1951 erneut zu pogromartigen ‘Handlungen’ kam, wanderten die meisten hier lebenden Juden aus. Nach der letzten Auswanderungswelle von 1968 waren nur noch wenige hundert Bewohner mosaischen Glaubens in Krakau ansässig.

Heute leben nur kaum noch 200 jüdische Personen – zumeist ältere Menschen - in Krakau.

Auf dem zu Beginn des 19.Jahrhunderts angelegten (neuen) jüdischen Friedhofs in der Miodowa-Straße befinden sich derzeit ca. 10.000 Grabsteine. Ein Denkmal, das aus während der deutschen Besatzungszeit zerschlagenen Grabsteinen besteht, befindet sich im Eingangsbereich des Friedhofs.

Tombstone memorialDenkmal (Aufn. Magdalia, 2009. aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0 pl)

Nur wenige Kilometer südlich von Kaziemierz befanden sich auf dem Gelände des KZ Plaszow zwei jüdische Friedhöfe; der eine (nicht mehr erhalten gebliebene) lag an der Ulica Abrahama; der andere Friedhof befindet sich im Norden des ehem. KZ-Geländes.

 

Das 2004 im Stadtteil Kazimierz eröffnete ‘Jüdische Museum Gailzien’ (Żydowskie Muzeum Galicja) zeigt seinen Besuchern die jüdische Vergangenheit und Gegenwart Polens. Herzstück des Museums ist die Dauerausstellung ‚Traces of Memory‘ (‚Spuren der Erinnerung‘).

undefined Aufn. Lesnydzban 2021, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0

 

Seit 2008 gibt es das (privat betriebene) Jüdische Gemeindezentrum (Centrum Społeczności Żydowskiej), das sich neben der Tempel-Synagoge im Stadtteil Kazimierz befindet und vielseitige Betätigungsfelder anbietet – und neben jüdischen Organisationen auch Nicht-Juden als Versammlungspunkt dient.

 

 

 

 

In Schlossberg (poln. Dobczyce, derzeit ca. 15.000 Einw.) - südlich von Krakau gelegen – sind gegen Mitte des 16.Jahrhundert erstmals Juden erwähnt; in den Folgejahrhunderten scheinen aber nur einzelne Familien hier ansässig gewesen sein. Die Konstituierung einer kleinen Gemeinde erfolgte erst gegen Ende des 19.Jahrhunderts. Kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges zählte man dann immerhin ca. 400 Juden in der Kleinstadt (ca.11% d. Bevölk.). Ihren Lebensunterhalt bestritten die Familie im Handel und Handwerk (insbes. Lederverarbeitung) und mit dem Betrieb von Brauereien/Gatswirtschaften.

Neben einer Synagoge (Jagelonenstr.) war als gemeindliche Einrichtung auch eine Mikwe vorhanden. Da es hier keinen eigenen Friedhof gab, wurden Verstorbene auf jüdischen Friedhöfen der Region begraben.

In den 1920er Jahren konnte die zionistische Bewegung in der Stadt einen gewissen Einfluss erreichen; so wurde hier u.a. auch ein Lehrgut eingerichtet, das junge Auswanderer für ihr künftiges Leben in Palästina verbereiten sollte.

Mit dem deutschen Einmarsch (Sept. 1939) wurden die jüdischen Bewohner zur Zwangsarbeit herangezogen; Mitte 1942 erfolgte dann die ‘Umsiedlung’ in ein nahes Ghetto (nach Wieliczka), das wenig später liquidiert wurde.

 

 

 

Weitere Informationen:

M. Balaban, Historia Żydów w Krakowie i na Kazimierzu 1304–1655, Kraków 1936

Faschismus - Getto – Massenmord. Dokumentation über Ausrottung und Widerstand der Juden in Polen während des zweiten Weltkrieges, Hrg. Jüdisches Historisches Institut Warschau Röderberg-Verlag, Frankfurt/M., o.J., S. 118 f.

Israel Gutman (Hrg.), Enzyklopädie des Holocaust - Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, Serie Piper, München/Zürich 1995, Band 2, S. 807 ff.

Beate Kosmala, Ungleiche Opfer in extremer Situation, in: W.Benz/J.Wetzel (Hrg), Solidarität und Hilfe für Juden während der NS-Zeit, Regionalstudien Band 1, S. 74 f , Metropol Verlag, Berlin 1996

Jehuda L. Stein, Juden in Krakau. Ein geschichtlicher Überblick 1173 – 1939, Verlag Hartung-Gorre, Konstanz 1997 (2.Aufl. 2008)

Cracow, in: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust, Vol. 1, S. 274 -280

Heinz-Dietrich Löwe, Die Juden in Krakau-Kazimierz bis zur Mitte des 17.Jahrhunderts in: Michael Graetz (Hrg.), Schöpferiche Momente des europäischen Judentums in der frühen Neuzeit, Heidelberg 2000, S. 271 – 320

Julius H.Schoeps, Neues Lexikon des Judentums, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2000, S. 487/88

Jan Malecki, Krakau – Erbe der Jahrhunderte, Krakau 2006

Henryk M. Broder (Red.), Juden in Krakau – Reise nach Zydoland, in: „SPIEGEL – Kultur“ vom 5.4.2006

Jehuda L. Stein, Jüdische Ärzte und das jüdische Gesundheitswesen in Krakau: vom 15.Jahrhundert bis zur Schoah, Verlag Hartung-Gorre, Konstanz 2006

Heidemarie Petersen, Kraków: Kraków bevore 1795, in: YIVO Encyclopedia of Jews in Eastern Europa, Okt. 2010

Sean Martin, Kraków: Kraków after 1795, in: YIVO Encyclopedia of Jews in Eastern Europa, Aug. 2010

Szymon Kazusek, Die Handelsbeziehungen Krakauer Juden mit der Habsburgermonarchie in der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts, in: „Frühneuzeit-Info“, Bd.22/2012, S. 90 - 97

Hanna Zaremska/Heidemarie Petersen, Juden im mittelalterlichen Polen und die Krakauer Judengemeinde, Osnabrück 2013

Mario Wenzel (Bearb.), Die Arbeitslager für Juden im Distrikt Krakau des Generalgouvernements 1940/1941, in: Zwangsarbeit in Hitlers Europa, 2013, S. 173 ff,

Maria Klanska (Bearb.), Juden im Krakau der Zwischenkriegszeit (1918-1939) im Lichte ihrer Autobiographien in polnischer Sprache, in: Internationales Alfred-Döblin-Kolloquium Warschau 2013

Maria Klanska (Bearb.), Das Krakauer Stadtviertel Kazimierz, in: Joachim Bahlcke/u.a., Religiöse Erinnerungsorte in Ostmitteleuropa, Akademie-Verlag Berlin 2013, S. 117 – 125

Andrea Löw/Markus Roth, Juden in Krakau unter deutscher Besetzung 1939 – 1945, Wallstein-Verlag Göttingen, 2. Aufl. 2014

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Sabine Oelze (Red.), Krakau: Die jüdische Gemeinde wächst wieder, in: dw.com/de vom3.12.2023