Münster (Hessen)
Münster - bestehend aus drei Ortsteilen - ist heute eine Kommune mit ca. 14.000 Einwohnern im hessischen Landkreis Darmstadt-Dieburg - ca. 20 Kilometer nordöstlich von Darmstadt gelegen (Kartenskizzen 'Landkreis Darmstadt-Dieburg', Hagar 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0 und 'Umgebung von Münster', aus: wikipedia.org, CC BY 2.5).
Erstmals siedelten sich wenige jüdische Familien in Münster vermutlich gegen Mitte des 17.Jahrhunderts an, als die Grafen von Isenburg in dem nördlich von Dieburg gelegenen kleinen Ort die Herrschaft ausübten. Verlässliche Angaben über hier ansässige Juden lassen sich aber erst nach 1830 machen; Münster stand nun unter der Oberhoheit der Großherzöge von Darmstadt.
Die kleine israelitische Gemeinde in Münster umfasste im Laufe ihres Bestehens nie mehr als 90 Angehörige. Wegen ihrer geringen Größe und damit verbundenen finanziellen Schwäche besaß sie zu keiner Zeit ein Synagogengebäude, sondern nur einen Betraum, der im Obergeschoss des Privathauses von Leopold Simon in der Frankfurter Straße untergebracht war. Für die rituellen Waschungen stand in Münster auch keine gemeindliche Mikwe zur Verfügung; deshalb nutzte man dazu den sog. „Judengraben“. Angeblich soll sich im Hause von Leopold Simon ein (privates) Frauenbad befunden haben.
Verstorbene Juden Münsters wurden auf dem jüdischen Verbandsfriedhof in Dieburg beerdigt.
Die kleine Gemeinde - zu ihr zählten auch die Juden aus dem Nachbarort Altheim - gehörte zum orthodoxen Bezirksrabbinat Darmstadt II.
Juden in Münster (Hessen):
--- 1829 ......................... 77 Juden (ca. 5% d. Bevölk.),
--- 1840 ......................... 82 “ ,
--- 1858 ......................... 38 “ ,
--- 1868 ......................... 42 “ ,
--- 1880 ......................... 26 " ,
--- 1900 ......................... 29 “ ,
--- 1910 ......................... 11 " ,
--- 1925 ......................... 18 “ ,
--- 1933 ......................... 17 “ ,
--- 1938 ......................... 14 “ ,
--- 1942 ......................... 2 “ .
Angaben aus: Karl J. Müller, Juden in Münster, S. 13
Während der in den 1840er Jahren einsetzenden Auswanderungswelle nach Nordamerika verlor die jüdische Gemeinde Münster mehr als die Hälfte ihrer Angehörigen; im Laufe der folgenden Jahrzehnte konnte sie diesen Mitgliederschwund nie wieder kompensieren. Anfang der 1930er Jahre verdienten die wenigen hier ansässigen jüdischen Familien ihren Lebensunterhalt als Viehhändler, Metzger und Textilwarenhändler; nebenbei betrieben einige eine kleine Landwirtschaft.
Über den Verlauf des Pogroms vom November 1938 ist in einem Gerichtsurteil aus der Nachkriegszeit zu lesen:„ ... Im Verlauf des Abends drang eine größere Menschenmenge nacheinander in die Häuser Simon, Vogel und May ein. Dabei wurden Möbelstücke und sonstige Einrichtungsgegenstände zerstört und beschädigt. Eine noch größere Menschenmenge folgte auf den Straßen zu den einzelnen Judenhäusern nach. ...” Fast alle von Juden bewohnten Häuser wurden geplündert und demoliert. Unmittelbar danach verließen die allermeisten jüdischen Bewohner Münster.
zwei J-Kennkarten Münsterer Juden, ausgestellt in Hildesheim bzw. Frankfurt/M.1939 (weitere Kennkarten siehe: alemannia-judaica.de/muenster_synagoge.htm)
Von ihren neuen Wohnorten wurden die meisten dann deportiert und kamen gewaltsam ums Leben.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden 13 gebürtige Juden aus Münster/Hessen Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/muenster_synagoge.htm).
An der ehemaligen Mädchenschule (dem „Storchenschulhaus“) an der Frankfurter Straße erinnert seit 1997 eine Tafel namentlich an die jüdischen NS-Opfer aus Münster:
Wir gedenken unserer jüdischen Mitbürger,
die im Dritten Reich vertrieben oder getötet wurden.
...
Schmiede keine bösen Pläne gegen deine Mitmenschen .... (Sprüche Salomons 3.20)
Das Lernen aus der Vergangenheit ist notwendig auf dem Weg zum Frieden
Gedenktafel (Aufn. J. Hahn, 2009)
Nach dem ehemaligen jüdischen Einwohner Eduard Vogel (ermordet 1943 in Auschwitz-Birkenau) ist in Münster im Jahre 1988 eine Straße benannt worden (Abb. J-Kennkarte von Eduard Israel Vogel, ausgestellt in Frankfurt/M. 1939).
Nach einstimmigen Beschluss der Kommunalvertretung (Dez. 2023) sollen künftig auch in Münster und Altheim sog. „Stolpersteine“ verlegt werden, die der Erinnerung an in der NS-Zeit vertriebenen, deportierten und ermordeten Personen dienen. Inzwischen hat eine private Initiativ-Gruppe Nachforschungen zu den Schicksalen der ehemaligen jüdischen Bewohner angestellt; die Ergebnisse sollen dann in der Verlegung von insgesamt 19 Gedenkquadern (im Frühjahr 2025) münden und für alle sichtbar werden.
Im nahegelegenen Eppertshausen gab es auch eine kleine jüdische Gemeinde.
vgl. Eppertshausen (Hessen)
Weitere Informationen:
Karl J. Müller, Juden in Münster, Eigenverlag Karl J. Müller, Münster 1983
Germania Judaica, Band III/2, Tübingen 1995, S. 910/911
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt, Hrg. Studienkreis Deutscher Widerstand, 1995, S. 41
Thomas Lange (Hrg.), ‘L’chajim’ - Die Geschichte der Juden im Landkreis Darmstadt-Dieburg, Hrg. Landkreis Darmstadt-Dieburg, Reinheim 1997, S. 76/77 und S. 223
Münster (Hessen) mit Altheim, in: alemannia-judaica.de
Ralf Enders (Red.), Stolpersteine in Münster geplant, in: op-online.de vom 17.2.2024
Ralf Enders (Red.), 19 Stolpersteine an sechs Orten, n: op-online.de vom 21.11.2024