Namslau (Schlesien)

Oels (ÖLS) nordöstlich von Breslau auf einer Landkarte von 1905. https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/b4/Map_Namyslow.png?uselang=de Das niederschlesische Namslau - östlich von der Metropole Breslau gelegen - ist das heutige poln. Namysłów in der Woiwodschaft Opole/Oppeln mit derzeit ca. 16.000 Einwohnern (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org gemeinfrei und Kartenskizze 'Polen' mit Namysłów rot markiert, P. 2006, aus: commons.wikimedia.org CC BY-SA 3.0).

 

Bereits in der ersten Hälfte des 14.Jahrhunderts lebten wenige jüdische Familien in dem kleinen Städtchen Namslau - in der 1321 erstmals erwähnten „Judengasse“. Während der Pestpogrome von 1349 wurden sie aus dem Ort vertrieben. In der Folgezeit durften sich Juden nur dann im Stadtgebiet aufhalten, wenn die zweimal im Jahr abgehaltenen Jahrmärkte in Namslau stattfanden. Gemäß eines kaiserlichen Ediktes aus dem Jahre 1582 war es fortan Juden verboten, sich in der Stadt aufzuhalten.

undefined Namslau um 1750 (Abb. aus: wikipedia.org, CCO)

Erst nach dem Dreißigjährigen Krieg siedelten sich in Namslau wieder einige jüdische Familien an; allerdings blieben sie nur wenige Jahre.

In einer Mitteilung vom 17.Sept. 1655 hieß es:

“... Wir Bürgermeister und Rathmanne der Stadt Nambeslaw, thun und bekennen hiermit, daß unter unsserer und gemeiner Stadt Nambslaw , aus Polen alhero geflehete nachgetriebene Personen und Juden sich befinden, wie folget: Bey Heinrich Kitteln, Bürgern und Gewandschneidern logieret in deren Hinterhause ein Jude, Salomon genandt, welcher zum Bolnischen Bunczel Zöhlner (Zöllner) gewesen, sambt dessen Weibe und vier Kindern. ... Bey George Krannschen, Fleischern in dessen Hintherhause ein Jude, Moses von Calisch, mit dessen Weibe und einem Jungen InHerren Johann Wolffens Bürgermeisters, Hintherhause siendt drey Juden, von Calisch, nahmens Jabob, Abraham und Joachimb, mit dreyen Weibern, acht Kindern, einer Magdt, und einem Jungen, zusamben achzehn Personen. ...“

Während in Namslau bereits nur wenige Jahre später keine Juden mehr lebten, sind sie auf den in der Nähe liegenden Dörfern - so z.B. in Bankwitz, Schmogran, Städtel, Windisch Marschwitz - ansässig geworden. Es sollte weitere hundert Jahre dauern, ehe sich erneut jüdische Familien in Namslau ansiedelten – allerdings diesmal dauerhaft; in den Wirren des Siebenjährigen Krieges waren sie hierher verschlagen worden.

Eine Synagoge wurde erst 1856 gebaut; sie befand sich in der Bahnhofstraße.

Ende des 18.Jahrhunderts hatte die Judenschaft einen eigenen Begräbnisplatz vor dem Krakauer Tore angelegt, der ihr gegen eine jährliche Pachtzahlung von der Breslauer Kammer zur Verfügung gestellt worden war.

Juden in Namslau:

         --- um 1785 .......................   4 jüdische Familien,

    --- 1801 ..........................   8   “         “    ,

    --- 1812 ..........................  23   “         “    ,

    --- 1840 .......................... 174 Juden (ca. 5% d. Bevölk.),

    --- 1861 .......................... 239   “   (ca. 6% d. Bevölk.),

    --- 1871 .......................... 236   “  ,

    --- 1905 .......................... 115   “  ,

    --- 1925 ..........................  81   “  ,

    --- um 1930 ................... ca.  50   “  ,

    --- 1938 ..........................  25   “  ,

--- 1939 ..........................  16   “  .

Angaben aus: Bernhard Brilling, Die jüdischen Gemeinden Mittelschlesiens - Entstehung und Geschichte, S. 130

und                 The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 2), S. 872

 

Neben dem wenig ertragreichen Kleinhandel besaßen Namslauer Juden zeitweilig das Branntwein-Monopol für den Ort und die Umgebung. Im 19.Jahrhunderts verdienten die Juden von Namslau ihren Lebensunterhalt u.a. als Fleischer, Bäcker, Schneider, Glaser, Seifensieder, Schuhmacher; aber auch als Kaufleute für landwirtschaftliche Erzeugnisse und als Kramwarenhändler.

Die jüdische Gemeinde Namslau hat im Laufe des 19. Jahrhunderts die kleinen jüdischen Dorfgemeinden ihrer Umgebung in sich aufgesogen, die vormals entstanden waren, weil ihren Angehörigen die Niederlassung in Namslau verwehrt worden war. Ihren personellen Höchststand erreichte die jüdische Gemeinde in Namslau in den 1870er Jahren. In den folgenden Jahrzehnten ging die Zahl der Mitglieder aber drastisch zurück; vor allem viele jüngere Menschen wanderten in die Großstädte Berlin, Breslau u.a. ab.

vgl. Manfred Klisch (Bearb.), namentliche Nennung der jüdischen Familien in Namslau um 1930 siehe: namslau-schlesien.de/Judentum1.htm

Anfang der 1930er Jahre kam es in Namslau zu antisemitischen „Vorfällen“, darunter auch zur Schändung des jüdischen Friedhofs. Während der „Kristallnacht“ vom November 1938 zerstörten Nationalsozialisten die wenigen Geschäfte jüdischer Besitzer und das Innere des Synagogengebäudes. Fast alle jüdischen Familien konnten Namslau bis Kriegsbeginn verlassen; über das weitere Schicksal der wenigen jüdischen Bewohner liegen kaum Informationen vor.

Während des Zweiten Weltkrieges befand sich auf dem Stadtgebiet von Namslau ein Außenlager des KZ Groß- Rosen.

 

Das ehemalige Synagogengebäude ist baulich erhalten geblieben. Nach 1945 diente es zunächst als Schulgebäude; bis in die Gegenwart hinein wird es als Turn- u. Sporthalle genutzt.

Plik:Synagoga w Namysłowie.JPGEhem. Synagogengebäude (Aufn. M., 2007, in: wikipedia.org.pl CC BY-SA 3.0)

Eine viersprachig abgefasste Inschrift auf einer Gedenktafel am Gebäude trägt die Worte: „Den Namslauer Juden zum Andenken. In diesem Gebäude befand sich von 1856 bis 1938 die Synagoge der ehemaligen jüdischen Gemeinde in Namslau. Gewidmet 2016 zum 160.Jahrestag des Synagogenbaus.  Die Einwohner des Landkreises Namysłów “

Außer Resten der Ummauerung weist das Gelände des ehemaligen jüdischen Friedhofs keinerlei Spuren von Grabstätten mehr auf.

 

 

 

Weitere Informationen:

W. Liebich, Chronik der Stadt Namslau, Namslau 1862

Bernhard Brilling, Geschichte der Juden in Namslau, in: "Jüdische Zeitung für Ostdeutschland", No. 26/27 (1930)

Bernhard Brilling, Die jüdischen Gemeinden Mittelschlesiens - Entstehung und Geschichte, in: "Studia Delitzschiana", Band 14, Verlag Kohlhammer, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1972, S. 126 f.

Johannes Paprotzki, Geschichte der Juden in Namslau, Aufsatz o.J. (online abrufbar unter: namslau-schlesien.de)

Manfred Klisch, Jüdische Familien in Namslau, online abrufbar unter: namslau-schlesien.de

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 2), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 872

Mateusz Goliński/Elżbieta Kościk/Jan Kęsik, Namysłów – z dziejów miasta i okolic [Namslau – aus der Geschichte der Stadt und des Umlands], Namysłów 2006

Namyslow, in: sztetl.org.pl