Neuhof (Hessen)
Neuhof ist eine Kommune mit derzeit ca. 11.000 Einwohnern im osthessischen Landkreis Fulda (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, CCO und Kartenskizze 'Landkreis Fulda', aus: ortsdienst.de/hessen/fulda).
Die Anfänge einer jüdischen Gemeinde in Neuhof reichen bis ins 18.Jahrhundert zurück. Aber bereits im 17.Jahrhundert sollen einzelne jüdische Familien in Neuhof gelebt haben. Nach der Vertreibung der Juden aus dem Hochstift Fulda (1671) war es dann nur einer Familie erlaubt, im Dorf zu bleiben.
Die Gemeinde setzte sich später stets nur aus einer überschaubaren Anzahl von Familien zusammen. Ihr stand für gottesdienstliche Zusammenkünfte ein Betraum zur Verfügung, der 1876 durch einen kleinen Synagogenbau in der Frankfurter Straße (der heutigen Marktstraße) mit insgesamt 40 Plätzen ersetzt wurde. Zu den gemeindlichen Einrichtungen zählten auch eine Religionsschule und eine Mikwe. Die von der Gemeinde eingerichtete Religionslehrerstelle musste häufig neu besetzt werden.
aus: „Der Israelit“ vom 25.10.1886 u. 28.4.1892
Ein Teil der jüdischen Kinder aus Neuhof besuchte die 1878 eröffnete Elementarschule in Flieden.
Verstorbene Gemeindemitglieder wurden zunächst auf dem jüdischen Friedhof in Fulda begraben. Um 1905 wurde auf einem Areal zwischen Neuhof und Flieden eine neue Begräbnisstätte angelegt.
Die Neuhofer Gemeinde, die auch die Ortschaften Ellers, Neustadt und Opperz miteinschloss, unterstand dem Provinz-Rabbinat Fulda.
Juden in Neuhof:
--- um 1825 ....................... 7 jüdische Haushaltungen,
--- 1861 .......................... 39 Juden,
--- 1871 .......................... 46 “ (ca. 3% d. Bevölk.),
--- 1887 .......................... 63 “ ,
--- 1895 .......................... 65 “ ,
--- 1905 .......................... 39 “ ,* * andere Angabe: 70 Pers.
--- 1924 .......................... 47 “ ,
--- 1930 ...................... ca. 35 “ ,
--- 1940 .......................... keine.
Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 2, S. 121
Die jüdischen Familien Neuhofs verdienten um 1900/1930 ihren Lebensunterhalt zumeist im Einzelhandel.
Lehrstellenangebote jüdischer Gewerbetreibender aus der Zeit um 1900/1915
1926 wurde das 50jährige Synagogenjubiläums festlich begangen:
„Neuhof, 25. Okt. Am letzten Simchas Thora konnte die hiesige Synagogengemeinde auf einen 50jährigen Bestand ihrer Synagoge zurückblicken. Die Gemeinde ließ es sich nicht nehmen, zur Ehre des Tages eine schlichte, aber erhebende Gedenkfeier zu veranstalten. Am Vorabend des Simchas Thora wurden in dem festlich geschmückten Gotteshause alle Gesetzesrollen aus der Lade gehoben und unter Absingen von Liedern einige Umzüge um den Almemor veranstaltet. Darauf hielt der gerade bei seiner Mutter zu Besuch hier weilende Arzt Herr Dr. Adler aus Leipzig eine von Worten der Tora und Gottesfurcht durchdrungene begeisterte Anrede. Er gedachte der edelmütigen Erbauer des Gotteshauses, die unter größten Opfern seinerzeit das schöne Werk seiner Vollendung entgegenbrachten und ermahnte die Anwesenden, allezeit in den Fußstapfen ihrer frommen Vorgänger zu wandeln.“
(aus einem Bericht der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 28. Oktober 1926)
Zu Beginn der NS-Zeit 1933 lebten in Neuhof noch ca. 35 Juden.
Während des Novemberpogroms von 1938 wurde der Betsaal geschändet und dessen Inneneinrichtung demoliert. Einige Männer wurden ins KZ Buchenwald eingeliefert; hier im Lager fand der Gemeindevorsteher Max Katz den Tod. Bis 1939/1940 hatten vermutlich alle jüdischen Bewohner Neuhof verlassen; über ihr weiteres Schicksal ist kaum etwas bekannt.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden 24 gebürtige Neuhofer Juden Opfer des Holocaust (namentliche Nennung der Opfer siehe: .alemannia-judaica.de/neuhof_synagoge.htm).
Nur eine einzige Jüdin kehrte nach 1945 nach Neuhof zurück.
Wenige Jahre nach Kriegsende wurde auf dem jüdischen Friedhof Neuhof/Flieden ein Denkmal errichtet, das namentlich an 19 jüdische NS-Opfer erinnert; der Text des Gedenksteins lautet:
Nach unmenschlichen Grausamkeiten mussten 19 Männer, Frauen und Kinder der jüdischen Gemeinden Neuhof und Flieden
in Konzentrationslagern ihr Leben lassen.
„Es möge sich Gott erinnern an diejenigen, welche umgekommen sind durch die frevelhafte deutsche Naziregierung
zur Heiligung des Namens und zur Heiligung des Volkes!
Im Paradies möge ihre Seele Ruhe finden, für ewig werden sie nicht vergessen werden".
Teilansicht des Friedhofs Neuhof/Flieden (Aufn. H. Hausmann, 2005)
Das Synagogengebäude Neuhofs überstand die NS-Zeit; Mitte der 1950er Jahre wurde es komplett umgebaut, so dass heute an dessen einstige Bestimmung nichts mehr erinnert. Eine Gedenktafel ist derzeit nicht vorhanden.
Skizze der ehem. Synagoge und heutiger Baukörper (Th. Altaras)
Bei Wartungsarbeiten wurde 2008 das frühere Ritualbad teilweise freigelegt.
Weitere Informationen:
Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 2, S. 121/122
Thea Altaras, Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945? Eine Dokumentation und Analyse, Königstein i.Taunus 1988, S. 35 – 36
Studienkreis Deutscher Widerstand (Hrg.), Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 - 1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel, 1995, S. 25
Archiv Hans-Dieter Larbig, 36119 Neuhof/Fulda (Angaben aus 2007)
Neuhof, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Michael Imhof (Hrg.), Juden in Deutschland und 1000 Jahre Judentum in Fulda, hrg. von Zukunft Bildung Region Fulda e.V., Michael Imhof Verlag, Petersberg 2011, S. 346 - 351 (Beitrag von Raimund Henkel)