Neuhäusel/Nové Zámky (Slowakei)
Neuhäus(e)l ist das südslowakische Nové Zámky (ung. Érsekújvár) mit derzeit ca. 38.000 Einwohnern – ca. 40 Kilometer südlich von Neutra/Nitra entfernt gelegen.
Jüdische Familien in Neuhäusel sind bereits im beginnenden 18.Jahrhundert nachweisbar; es sollte nach ihrer Vertreibung (1725) mehr als ein Jahrhundert dauern, ehe sich erneut Juden in nennenswerter Zahl hier niederließen und eine Gemeinde gründeten, deren Angehörigenzahl aber innerhalb kürzester Zeit rapide anwuchs. (Anm. Bis ca. 1840 war Juden nur gestattet, in der Stadt ihren Geschäften nachzugehen; ihre Wohnsitze hingegen befanden sich zumeist im ländlichen Umland.)
Eine der ersten gemeindlichen Einrichtungen war die (Religions)Schule, in der zunächst Deutsch, danach Ungarisch als Unterrichtssprache galt (aus dieser zunächst Schule entwickelte sich später die Elementarschule).
Anfang der 1860er Jahre wurde eine Synagoge erbaut (im Jahre 1931 renoviert).
Die Synagoge der Reformgemeinde (hist. Bildpostkarte)
Wenige Jahre nach dem Bau spaltete sich die Gemeinde in eine reformerische und eine orthodoxe Gemeinschaft (seit 1880 mit einer eigenen Synagoge). Die Spaltung ging so weit, dass der jüdische Friedhof (angelegt gegen Ende der 1850er Jahre) dann in getrennte Areale abgegrenzt wurde und dass die jüdischen Kinder auch in jeweils eigene Schulen gingen.
Juden in Neuhäusl/Nové Zámky:
--- 1855 ......................... 85 Juden,
--- 1857 ......................... 892 “ ,
--- 1869 ......................... 1.205 “ ,
--- 1880 ......................... 1.561 “ ,
--- 1890 ......................... 1.491 “ ,
--- 1910 ......................... 1.504 “ (ca. 9% d. Bevölk.),
--- 1930 ......................... 2.535 “ ,
--- 1938 ..................... ca. 2.500 “ ,
--- 1940 ..................... ca. 3.000 “ ,
--- 1947 ..................... ca. 500 ” ,
--- 1990 ..................... ca. 70 ” .
Angaben aus: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 2), S. 903
und Nove Zamky, in: jewishvirtuallibrary.org/nove-zamky
Straßenzug in Neuhäusel (hist. Postkarte)
Die Juden Neuhäusels bekannten sich mehrheitlich zur ungarischen Kultur; sie benutzten Ungarisch als erste Sprache und gaben auch ihre Zeitungen in dieser Sprache heraus.
Besonders während der Zwischenkriegszeit gewannen zionistische Organisationen erheblichen Zulauf; mit mehreren hundert Anhängern besaß „Agudat Israel“ in Neuhäusel eine der größten Gruppen auf slowakischem Boden.
Mit mehr als 300 Geschäften, fast 90 Handwerker- und neun Industriebetrieben bestimmten jüdische Familien weitestgehend das ökonomische Leben in der Stadt.
Mit der Annexion durch Ungarn (Nov. 1938), die von starken antisemitischen Tönen begleitet war, begann der abrupte Niedergang der inzwischen auf ca. 3.000 Menschen angewachsenen jüdischen Bevölkerung; „Arisierung“ beraubte diese ihrer Wirtschaftsgrundlage; Zwangsarbeit für Juden wurde nun zur Regel.
Nach der deutschen Okkupation begann im Mai 1944 die Ghettoisierung aller Juden aus der Stadt und dem nahen Umland; in einer Ziegelei waren kurzzeitig fast 5.000 Menschen zusammengepfercht worden, deren Deportation in zwei großen Transporten (Mitte Juni) ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau erfolgte.
Eine mehrere hundertköpfige jüdische Nachkriegsgemeinde wurde durch die Emigration der Mehrheit ihrer Angehörigen nach Israel sehr geschwächt. Trotzdem konnte die kleine Judenschaft während der Zeit der kommunistischen Herrschaft überleben; 1990 sollen noch etwa 90 Einwohner mosaischen Glaubens in Novè Zàmky gelebt haben
Während das von der Reformgemeinde genutzte Gebäude durch Kriegseinwirkung stark beschädigt und dann abgerissen wurde, blieb die Synagoge der orthodoxen Gemeinschaft erhalten.
orthodoxes Synagogengebäude (Aufn. Bojars, 2009, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Nach deren Renovierung im Jahre 1992 wurde das Synagogengebäude in die Liste der Kulturdenkmäler der Slowakei eingetragen. Es dient heute neben gottesdienstlichen Zwecken als museale Stätte jüdischer Kultur. An der Außenwand des Gebäudes erinnert seit 1992 eine Gedenktafel an die ehemalige jüdische Gemeinde; einige Jahre später wurden im Innenraum Namenstafeln angebracht, die alle 2.300 Opfer der Shoa aus Novè Zàmky nennen.
In der wenige Kilometer östlich von Neuhäusel gelegenen kleinen Ortschaft Kolta (ung. Kolta) sind jüdische Bewohner seit dem frühen 18.Jahrhundert ansässig gewesen; die sich hier gebildete Gemeinde erreichte in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts mit mehr als 350 Angehörigen ihren zahlenmäßigen Höchststand.
Ihren Lebensunterhalt bestritten die Juden Koltas im Handel mit Landesprodukten, einige betrieben selbst Landwirtschaft.
Seit dem frühen 19.Jahrhundert verfügte die hiesige Judenschaft über einen Synagogenbau. Zu den gemeindlichen Einrichtungen gehörte auch ein Friedhof.
Bereits ab den 1840er Jahren setzte eine Abwanderung der jüdischen Bewohner ein, so dass die Gemeinde sich deutlich verkleinerte; lebten 1880 noch ca. 140 Juden im Ort, so waren es zu Beginn des Zweiten Weltkrieges nur noch ca. 75.
Im Juni 1944 wurden diese - via Neuhäusel - ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert.
Zeugnis jüdischer Ortsgeschichte legt heute nur noch das jüdische Begräbnisgelände ab, dessen Grabstätten sich in einem verwahrlosten Zustand befinden.
Im Dorf Neded (ung. Negyed) - ca. 15 Kilometer westlich von Neuhäusel/Nové Zámky – waren vermutlich seit den 1840 Jahren jüdische Familien ansässig.
Für die jüdischen Kinder war eine Religionsschule eingerichtet
Juden in Neded :
--- 1869 ......................... 64 Juden,
--- 1910 ......................... 140 “ ,
--- 1941 ......................... 119 “ .
Angaben aus: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 2), S. 879
Nach der Annexion durch Ungarn wurden jüdische Männer zur Zwangsarbeit eingesetzt.
Als im Jahre 1944 deutsche Truppen das Gebiet besetzten, wurden die hier noch lebenden Juden nach Auschwitz-Birkenau deportiert.
Eine jüdische Gemeinde bildete sich in Vlčany/Farkasd im beginnenden 19.Jahrhundert; neben einem Friedhof und einer Synagoge besaß die Gemeinschaft auch eine kombinierte Elementar- und Religionsschule.
Juden in Farkasd/Vlčany :
--- 1900 ..................... 177 Juden,
--- 1941 ..................... 147 “ .
Angaben aus: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), S. 378
Ihren Lebensunterhalt bestritten die Familien durch eine Anzahl Geschäfte und sieben Gastwirtschaften.
Nach der Annexion durch Ungarn wurden die Juden zur Zwangsarbeit verpflichtet. Mitte Mai 1944 erfolgte ihre kurzzeitige Ghettoisierung mit anschließender Deportation der Bewohner nach Auschwitz-Birkenau.
Weitere Informationen:
The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 2), New York University Press, Washington Square, New York 2001, Vol. 1, S. 378 (Vlčany/Farkasd ) und Vol. 2, S. 650 (Kolta), S. 879 (Neded) und S. 902/903 (Neuhäusl/Nové Zámly)
Maros Borský, Synagogue Architecture in Slovakia towards creating a memorial landscape of lost community, Dissertation (Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg), 2005, S. 144 u. S. 187
Novè Zàmky – Orthodox Synagogue, Hrg. Slovak Jewish Heritage Center, online abrufbar unter: slovak-jewish-heritage.org/nove-zamky-orthodox-synagogue
Jewish Virtual Library (Hrg.), Nove Zamky, online abrufbar unter: jewishvirtuallibrary.org/nove-zamky
Die beiden Synagogen von Nové Zámky, online abrufbar unter: novezamkyfotoalbum.sk/ortodoxna-neologicka-synagoga-nove-zamky/
The Jewish Community of Novè Zámky, Hrg. Beit Hatfutsot – The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/nove-zamky