Neuweiler (Elsass)
Neuweiler ist das französische Neuwiller-lès-Saverne mit derzeit etwa 1.100 Einwohnern; die kleine Kommune liegt ca. 30 Kilometer nordwestlich von Straßburg (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei).
Neuweiler - Lithographie um 1860 (Abb. aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei)
In der im äußersten Nordwesten des Unterelsass gelegenen Ortschaft Neuweiler bestand eine jüdische Gemeinde bis Ende der 1920er Jahre. Ihre Anfänge sollen bereits im 16.Jahrhundert gelegen haben. Aus dieser Zeit stammt vermutlich auch der alte Friedhof am Rande der Stadtbefestigungsanlagen. Angeblich hielten sich bereits in der ersten Hälfte des 14.Jahrhunderts vereinzelt Juden im Ort auf.
Eine aus dem 18.Jahrhundert stammende Synagoge wurde um 1875 durch einen Neubau ersetzt, der bis auf den heutigen Tag vorhanden ist. Über die Einweihung des Gotteshauses berichtete die Zeitschrift „Der Israelit“ in ihrer Ausgabe vom 13.Okt. 1875:
Neuweiler (Elsaß), 22. Sept. Heute feierte die hiesige israelitische Gemeinde ein schönes und höchst gelungenes Fest. Die neue, in maurischem Baustyle erbaute Synagoge sollte eingeweiht werden. Von nah und fern strömten, trotz des Regens, zahlreiche Festgäste herbei. Um 10 Uhr versammelten sich dieselben im Gemeindehause. Der Gemeinderath, den Herrn Bürgermeister an der Spitze, der Herr Kreisdirector nebst anderen höheren Beamten des Kreises hatten sich zur Feier eingefunden. Gegen 11 Uhr setzte sich der Festzug, unter dem Klange einer heiteren Musik in Bewegung. Vor der alten Synagoge, die wirklich eine Nothhütte gewesen war, hielt man stille, um die Gesetzrollen herauszuholen und dem alten Gotteshause Valet zu sagen. Hierauf begab man sich, unter Begleitung einer zahlreichen Volksmenge, worunter viele Christen, in die herrlich geschmückte neue Synagoge, wo die Lichter bereits auf dem siebenarmigen Leuchter neben der heiligen Lade und dem prachtvollen Kronleuchter mitten im Betsaale brannten. Nach einem feierlichen Gesange wurden die Gesetzrollen in das Heiligtum gebracht, um dort verwahrt zu werden. Hierauf trat Herr Rabbiner Dreyfus aus Zabern vor und hielt in fließender Sprache eine gehaltvolle Rede. Anknüpfend an eine Stelle des Propheten Jesaja, in welcher zum Danke gegen Gott aufgefordert wird, sprach er zuerst seinen und der ganzen israelitischen Gemeinde Dank aus für das neue Gotteshaus. Aber auch die Wohlthäter und Förderer des Werkes und insbesondere die hohe Regierung, die, beiläufig gesagt, einen Beitrag von 9.000 Franken, worunter 1.000 von der Kaiserin Augusta gegeben hatte, sollten in dieser festlichen Stunde nicht vergessen werden. ... Nach dem Schlußgebet und dem Halleluja-Gesang verließ die Versammlung das neue Gotteshaus, dessen Eingang mit Tannenbäumen geschmückt war, die der Herr Oberförster mit der größten Bereitwilligkeit hatte aufstellen lassen. Ein Festmahl vereinigte die Israeliten im Hause des Herr Kaffeewirtes Wolf, der um die Gründung des neuen Bethauses die größte Verdienste hat; die Christen hingegen begaben sich in das Gasthaus von Herrn Metra, wo sie bis Abends fröhlich beisammen waren. Ein schönes Beispiel von Duldsamkeit hat die Gemeinde Neuweiler gegeben. Drei Konfessionen wohnen da im Frieden nebeneinander, das war der wohltuende Eindruck des Festes. Warum ist es nicht überall so? "
Synagoge in Neuweiler (Aufn. um 1900, aus: judaism.sdv.fr/synagog/basrhin)
Für die Erledigung religiös-ritueller Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt.
Kleinanzeigen aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 11.8.1884 und aus „Frankfurter Israelitisches Familienblatt“ vom 12.8.1904
Ein neues Begräbnisareal legte die jüdische Gemeinde gegen Ende der 1870er Jahren an.
Die Gemeinde gehörte zum Rabbinat Zabern (Saverne).
Juden in Neuweiler:
--- 1784 .......................... 14 jüdische Familien,
--- 1807 .......................... 111 Juden,
--- 1846 .......................... 166 “ ,
--- 1870 .......................... 159 “ ,
--- 1900 .......................... 67 “ ,
--- 1910 .......................... 107 “ ,
--- 1936 .......................... 13 “ .
Angaben aus: Michel Rothé/Max Warschawski, Les synagogues d’Alsace et lieur histoire, S. 32
Nach dem Ersten Weltkrieg begann sich die jüdische Gemeinde aufzulösen; die Synagoge wurde aufgegeben. Mitte der 1930er Jahre lebten dann nur noch sehr wenige jüdische Familien in Neuweiler.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden neun aus Neuwiller stammende jüdische Bürger Opfer des Holocaust (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/neuwiller_les_saverne_synagogue.htm).
Das Synagogengebäude blieb bis auf den heutigen Tag erhalten; doch haben Umbaumaßnahmen dessen äußeres Erscheinungsbild erheblich verändert. Das Gebäude wird schon jahrzehntelang als Lagerraum genutzt.
Ehemalige Synagoge (Aufn. Ralph Hammann, 2015, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
Vom (jüngeren) jüdischen Friedhof sind noch etwa 100 Grabsteine vorhanden.
Jüdischer Friedhof in Neuweiler (Aufn. Ralph Hammann, 2015, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)
Weitere Informationen:
Michel Rothé/Max Warschawski, Les synagogues d’Alsace et lieur histoire, Jerusalem 1992
Neuwiller-lès-Saverne, in: alemannia-judaica.de