Neuwedell (brand. Neumark)
Die Stadt Neuwedell lag im ostbrandenburgischen Kreis Arnswalde (Reg. bez. Frankfurt/O.) wenige Kilometer südwestlich von Kallies (Kalisz Pomorski). Mit der 1938 in Kraft gesetzten Gebietsreform kam der Kreis Arnswalde verwaltungsmäßig zum Reg.bez. Schneidemühl (dann genannt „Grenzmark Posen-Westpreußen“). Derzeit leben im kleinen polnischen Landstädtchen Drawno etwas mehr als 2.000 Einwohner (Ausschnitt aus hist. Landkarte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Polen' mit Drawno markiert, aus: Mapa Polski).
Neuwedell, Merian-Stich, um 1650 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
In Neuwedell setzte im beginnenden 18.Jahrhundert zögerlich jüdische Ansässigkeit ein. Unter den damals ca. 900 Einwohnern gab es nur zwei Juden, namens Kaspar Arendt und Jakub Izaak.
Erst nach 1750 erfolgte eine deutliche Zunahme der jüdischen Bevölkerung in der Ortschaft; ihre Behausungen befanden sich in einem Viertel, das ihnen von der lokalen Verwaltung zugewiesen worden war. Ihren schmalen Lebenserwerb bestritten sie im Kleinhandel und als Musikanten. Um die Mitte des 19.Jahrhunderts zählte die jüdische Gemeinschaft dann immerhin etwa 120 Angehörige. Ein in den 1820er Jahren erstellter Betraum wurde 1852/1854 durch einen Neubau ersetzt; etwa 30 Jahre später soll dann ein neues Ziegelsteingebäude das bisher genutzte abgelöst haben (?). Die Neuwedeller Synagoge stand auf einem Hügel zwischen dem Amtsgericht und der Schlossbrauerei der Fa. Casparius (Junkernstraße).
Synagoge in Neuwedell - Postkarte, um 1935 (aus: Heimatkreis Arnswalde)
Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts bestand eine jüdische Schule im Ort.
Ein jüdischer Begräbnisplatz war bereits im 18.Jahrhundert angelegt worden, als die ersten Juden sich im Ort niederließen.
Juden in Neuwedell:
--- 1717 ........................... 2 jüdische Familien,
--- 1852 ....................... ca. 125 Juden,
--- 1885 ....................... ca. 100 “ ,
--- um 1900 .................... ca. 90 “ ,
--- 1905 ........................... 66 “ ,
--- 1925 ........................... 40 “ .
Angaben aus: Drawno, in: sztetl.org.pl
Ansicht von Neuwedell (Postkarte, um 1910, aus: Heimatkreis Arnswalde)
Marktplatz um 1910 (Abb. aus: Heimatkreis Arnswalde)
Um 1900 zählte die Gemeinde noch etwa 90 Angehörige; bis in die 1920er Jahre ging deren Zahl deutlich zurück.
In den Novembertagen 1938 wurden jüdische Bewohner attackiert und ihr Eigentum zerstört; auch die Synagoge und der Friedhof waren Ziel antisemitischer Gewalt. Das Synagogengebäude wurde aus „Rücksicht auf umstehende Gebäude“ nicht in Brand gesetzt, sondern mit „Äxten und Hämmern“ zertrümmert und anschließend ganz abgerissen. Daraufhin verließen die wenigen noch verbliebenen Familien den Ort.
Mehr als 20 gebürtige bzw. länger in Neuwedell ansässige jüdische Bewohner sind nachweislich Opfer der NS-Gewaltherrschaft geworden; ob noch weitere ermordet wurden, kann nicht belegt werden.
Mahnmal auf dem jüdischen Friedhof (Aufn. rechts: Frank Wassmuth, aus: neumark.pl)
Aus aufgefundenen Grabsteinrelikten des jüdischen Friedhofs – sie waren nach 1938 als Pflastersteine benutzt worden - wurde 2009 ein Mahnmal errichtet; in dieses Lapidarium wurde auch ein Stein aus Treblinka eingefügt.
Weitere Informationen:
Margret Heitmann/Julius Schoeps (Hrg.), “Halte fern dem Lande jedes Verderben ...” Geschichte und Kultur der Juden in Pommern, Georg Olms Verlag, Hildesheim 1995
Gerhard Salinger, Jüdische Gemeinden in Hinterpommern, in: M. Heitmann/J. Schoeps (Hrg.), “Halte fern dem Lande jedes Verderben ...” Geschichte und Kultur der Juden in Pommern, Georg Olms Verlag, Hildesheim 1995
Wilfried Doell (Mainz), Die Neuwedeller Juden, in: „Heimatgruß-Rundbriefe aus den ehemaligen Kirchengemeinden im Kreis Arnswalde (Neumark)“, No. 229, April-Juni 1995, S. 29 – 31 (mit zahlreichen Personendaten)
Fritz Dräger (Wismar), Anmerkungen zu „Die Neuwedeller Juden“, in: "Heimatgruß - Rundbriefe aus den ehemaligen Kirchengemeinden im Kreis Arnswalde (Neumark)“, No. 240, Jan.- März 1998, S. 33 – 34 (mit personenbezogenen Daten)
Drawno/The Jewish cemetery of Drawno, in: sztetl.org.pl