Obbach (Unterfranken/Bayern)
Das unterfränkische Dorf Obbach ist heute ein Ortsteil von Euerbach im Landkreis Schweinfurt - ca. 15 Kilometer nordwestlich der Kreisstadt gelegen (Kartenskizzen 'Umgebung von Schweinfurt', M. Bemmerl 2018, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und 'Landkreis Schweinfurt', Hagar 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).
Nach ihrer Vertreibung aus Schweinfurt gegen Mitte des 16.Jahrhunderts ließen sich diese jüdischen Familien vermutlich in den benachbarten Dörfern nieder, so in Euerbach, Gochsheim, Niederwerrn, Obbach und Schwanfeld. Nach dem Dreißigjährigen Krieg lassen sich dann die ersten jüdischen Bewohner in Obbach urkundlich nachweisen; so ist in Kirchenordnungen dieser Zeit von beschränkenden Maßnahmen im Alltagsleben der jüdischen Bewohner die Rede. Um hier aufgenommen zu werden, musste ein jährliches Schutzgeld an die Herren von Seckendorf entrichtet werden. Die Wohnhäuser der jüdischen Familien gruppierten sich später entlang der Straße am nördlichen Rand des Schlossgutes, dem Sitz ihres Schutzherrn (Freiherren von Bobenhausen). Um 1805 wohnten in Obbach 40 jüdische "Beisassen" mit ihren Familien.
Laut der Matrikel von 1817 waren für Obbach mehr als 40 Familienvorstände aufgelistet; mehrheitlich waren die genannten im Viehhandel und "Warenhandel" (?) tätig.
Teil der Judensiedlung (Skizze Theo Dreher)
Die jüdische Gemeinde besaß eine Synagoge und ein Gemeindehaus - zudem eine Mikwe und eine Schächteinrichtung.
Synagoge in Obbach (links: Zeichnung von Theo Dreher - rechts: Ausschnitt aus einer Bildpostkarte)
Zunächst stand eine kleine Holzsynagoge im Schlosshof, die um 1865 durch ein neues steinernes Bauwerk ersetzt wurde; zur Finanzierung des Neubaus trug eine bayernweite Kollekte bei. Neben den ca. 120 Männern bestimmten Plätzen im Erdgeschoss standen den Frauen etwa 70 Sitzplätze auf der Empore zur Verfügung.
Eine jüdische Elementarschule existierte in Obbach seit 1820. Zunächst fand Unterricht in einem angemietetem Raum statt, ehe dann 1836 ein Schulhaus (mit Lehrerwohnung) erstellt wurde. Die jüdische Schule musste dann wegen zu geringer Schülerzahl 1929 geschlossen werden; die wenigen jüdischen Kinder suchten fortan die evangelische Ortsschule auf.
Zwischen Euerbach und Obbach lag der Friedhof, der den jüdischen Gemeinden der gesamten Umgebung als zentraler Begräbnisplatz diente. Das Gelände war bereits 1672 den Judenschaften von Euerbach, Obbach, Niederwerrnm und Westheim/Saale vom Grundherrn Adam Ulrich von Steinau übereignet worden; trotzdem musste an die Dorfherrschaft für jede Bestattung nochmal eine festgelegte Zahlung geleistet werden. Im Laufe des 18. und 19.Jahrhunderts wurde der Friedhof durch Grundstückszukäufe mehrfach erweitert und nahm schließlich eine Fläche von mehr als 8.000 m² ein. Auf dem Friedhofsareal stehen heute noch ca. 1.200 Grabsteine.
Zwei Grabsteine aus dem 18.Jahrhundert (Abb. aus: Sammlung Harburger)
Das im Oberrabbinatsbezirk Würzburg liegende Obbach sollte 1839/40 eigentlich Sitz eines der insgesamt sechs vorgesehenen Distriktrabbinate werden; doch letzendlich nahm Niederwerrn dies Position ein. Anfang der 1930er Jahre unterstand die Gemeinde Obbach dem Bezirksrabbinat Schweinfurt.
Juden in Obbach:
--- um 1800 ..................... 30 Familien,
--- 1816 ........................ 168 Juden (in 40 Familien, ca. 28% d. Bevölk.),
--- 1832 ........................ 224 “ ,
--- 1850 .................... ca. 200 “ ,
--- 1867 ........................ 192 “ (ca. 29% d. Bevölk.),
--- 1890 ........................ 177 " ,
--- 1900 ........................ 174 “ ,
--- 1910 ........................ 146 “ (ca. 22% d. Bevölk.),
--- 1925 ........................ 115 “ ,
--- 1930 .................... ca. 130 “ ,
--- 1933 ........................ 106 “ ,
--- 1935 (Dez.) ................. 101 “ ,
--- 1939 (Sept.) ................ 48 “ ,
--- 1942 (Febr.) ................ 36 “ ,
(Ende Mai) ............. 7 “ ,
(Juli) ................. keine.
Angaben aus: Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945, S. 373
und Dorfchronik des Ortes Obbach, S. 41
und W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine … Synagogengedenkband Bayern, Unterfranken, Teilband III/2.2, S. 1461
Im Laufe des 19.Jahrhunderts gelangten manche Juden zu gewissem Wohlstand, besonders durch Vieh- und Pferdehandel, aber auch durch Handel und Kreditgeschäfte. Eine bedeutende Obbacher Familie waren die der Frankenburger, die durch Geld- u. Handelsgeschäfte für den Freiherrn von Bobenhausen und später als Bankiers in der Region tätig gewesen waren. Nach Obbach importierten die jüdischen Händler Pferde aus verschiedenen Ländern Europas, die dann hier weiterverkauft wurden. Allein fünf jüdische Metzger versorgten Obbach und die umliegenden Ortschaften mit geschächtetem Fleisch. Das Zusammenleben von jüdischen und christlichen Bewohnern verlief im allgemeinen spannungsfrei. Nur der jüdische Bankier und Millionär Frankenburger besaß bei der Bevölkerung einen "schlechten Ruf", weil er zahlreiche Bauernhöfe in den Ruin getrieben hatte. Allerdings achtete die jüdische Gemeinde streng auf ihre innere Geschlossenheit und grenzte sich bewusst von der christlichen Bevölkerung ab. Im Dorf Obbach wohnten um 1910 etwa 650 Menschen; ca. 150 von ihnen waren Juden, etwa 22% der Gesamtbevölkerung.
Zwei Annoncen des Manufakturwarengeschäftes der Gebrüder Bildstein von 1900
Noch vor der NS-Machtübernahme 1933 wanderten jüdische Familien vermehrt aus Obbach ab; Emigrationsziel war zumeist die USA.
Auf Anordnung des Landrates verhaftete der Dorfpolizist von Geldersheim am 10.November 1938 die jüngeren jüdischen Männer von Obbach und brachte sie ins Gefängnis nach Schweinfurt. Gleichzeitig drang ein SS-Trupp aus Schweinfurt - im Beisein des hiesigen Ortsgruppen- und NSDAP-Kreisleiters - in die Synagoge ein, vertrieb die Betenden, zerstörte die Inneneinrichtung und setzte schließlich - unter den Augen zahlreicher Schaulustiger - das Gebäude in Brand. Ortsansässige SA-Leute drangen gewaltsam in Wohnungen und Geschäfte jüdischer Besitzer ein, plünderten und misshandelten die Bewohner. Alle Juden des Dorfes wurden aus ihren Häusern ins Bürgermeisteramt gebracht. Anschließend kam es erneut zu Ausschreitungen, bei denen ein Wohnhaus völlig zerstört wurde.
Etwa 40 Juden Obbachs konnten noch rechtzeitig emigrieren. Die in Obbach zurückgebliebenen Juden wurden im Laufe des Jahres 1942 nach Izbica bei Lublin und nach Theresienstadt deportiert. In einem „Stimmungsbericht“ der Obbach einschließenden NSDAP-Ortsgruppe Euerbach vom 15.5.1942 hieß es: „ ... Die Juden innerhalb der Ortsgruppe sind nunmehr bis auf sieben, die über 65 Jahre alt sind, abtransportiert. Die Bevölkerung empfindet die Beseitigung als eine Wohltat.”
Ruine der Obbacher Synagoge (Aufn. Archiv der Kommune Euerbach)
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind nachweislich 81 aus Obbach stammende bzw. hier längere Zeit ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer der Shoa geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/obbach_synagoge.htm).
Vor dem Landgericht Schweinfurt wurde nach dem Krieg zwölf Männern, die am Pogrom von 1938 in Obbach beteiligt gewesen waren, der Prozeß gemacht; fünf erhielten Gefängnisstrafen, während die anderen freigesprochen wurden.
Nach Kriegsende kehrten nur zwei jüdische Personen in ihr Heimatdorf Obbach zurück.
In dem heute zur Gemeinde Euerbach gehörenden Obbach weist seit 1986 eine Inschriftentafel auf die frühere Existenz einer Synagoge im Dorf hin. Seit 2001 gibt es eine neue Hinweis- u. Gedenktafel, die vom Arbeitskreis „Jüdisches Leben in Obbach“ geschaffen wurde; sie befindet sich an der Kreuzung von Sulzthaler- u. Greßthalerstraße.
Hinweis- u. Gedenktafel (Aufn. J. Hahn, 2007)
Als einziges bauliches Relikt, das auf einstige jüdische Präsenz im Dorf hinweist, gilt heute das ehemalige Schulhaus.
Auf Privatinitiative hin wurde 2014 an einem Haus in Obbach eine Gedenktafel angebracht, die an die jüdischen NS-Opfer des Dorfes erinnert.
Die Ortsgemeinde Euerbach-Obbach beteiligt sich auch am unterfränkischen Deportations-Projekt "DenkOrt Deportationen 1941-1944" in Würzburg mit einer "Koffer-Skulptur" (Abb. Th. Braun, Gemeinde Euerbach, in: denkort-deportationen.de).
Der jüdische Friedhof Euerbach-Obbach mit seinen alten, teilweise stark verwitterten Grabsteinen zeugt von der jüdischen Vergangenheit Obbachs.
Teilansichten des jüdischen Friedhofs (Aufn. J. Hahn, 2007 und M. Duetschke, 2014, aus: fraenkisches-weinland.de)
[vgl. Euerbach (Bayern)]
In Kützberg - heute zur Kommune Poppenhausen gehörend - waren im 18./19.Jahrhundert nur wenige jüdische Familien ansässig. Bei der Erstellung der Matrikellisten (1817) waren sechs jüdische Haushaltsvorstände verzeichnet, deren Lebenserwerb im Viehhandel/Schmusen bestand. Gottesdienstliche Zusammenkünfte fanden im ‚Bethzimmer‘ in einem Privathaus statt. Verstorbene wurden auf dem israelitischen Friedhof in Euerbach begraben. Im Verlauf des 19.Jahrhunderts hatten alle jüdischen Familien das Dorf verlassen.
Weitere Informationen:
Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München/Wien 1979, S. 373 - 375
Die Juden in Obbach - Aus der Obbacher Dorfgeschichte, Hrg. Gemeinde Euerbach, o.J., S. 41 - 47
Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 107
Michael Trüger; der jüdische Friedhof Euerbach, in: "Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern", 11.Jg, No. 74/1997, S. 22/23
Auskünfte von Pfarrer Wolfgang Brändlein, Euerbach-Obbach, Evang.-Luth. Pfarramt Obbach (2005)
Obbach, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Kützberg, in: alemannia-judaica.de
Dirk Rosenstock (Bearb.), Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle, in: "Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg", Band 13, Würzburg 2008, S. 250 - 252
Elisabeth Böhrer/Andreas Schäfer, Zur jüdischen Geschichte Obbachs, in: Oppahu - Obbach 813 bis 2013. Beiträge zur Geschichte Obbachs, hrg. von der Gemeinde Euerbach aus Anlass des 1200. Jubiläums des Gemeindeteils Obbach 2013, S. 109 - 128
Silvia Eitel (Red.), Novemberpogrom: Aus der Geschichte lernen, in: „Main-Post“ vom 6.11.2013
Silvia Eidel (Red.), So schildern, wie es 1938 war. Zum 75 Jahrestag des Novemberpogroms …, in: „Main-Post“ vom 11.11.2013
Elisabeth Böhrer, Der jüdische Friedhof in Euerbach, in: „Heimatblatt des Heimatvereins Botenlauben Reiterswiesen“, 2016, S. 29/30
Dieter Heckner (Obbach), Juden in Obbach, online abrufbar unter: swin.de/user/dieter_heckner (private Homepage von 2016)
Gerhard Gronauer/Johannes Sander (Bearb.), Obbach mit Euerbach, in: W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine … Synagogengedenkband Bayern, Unterfranken, Teilband III/2.2, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2021, S. 1444 - 1465