Oberelsbach (Unterfranken/Bayern)
Oberelsbach ist ein Markt im unterfränkischen Landkreis Rhön-Grabfeld mit derzeit knapp 3.000 Einwohnern – ca. 30 Kilometer südöstlich von Fulda gelegen bzw. 15 Kilometer nordwestlich von Neustadt a.d.Saale gelegen (Kartenskizzen 'Unterfranken', aus: bezirk-unterfranken.de und 'Landkreis Rhön-Grabfeld', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
Erste urkundliche Hinweise auf jüdisches Leben in Oberelsbach stammen bereits aus dem 15.Jahrhundert; 1699 lebten drei jüdische Familien im Ort, der dem Hochstift Würzburg unterstand. Eine Kultusgemeinde schien sich aber vermutlich erst Mitte des 18.Jahrhunderts ausgebildet zu haben.
Bei der Erstellung der Matrikellisten (1817) waren für Oberelsbach elf Familienoberhäupter aufgelistet, deren Erwerbsgrundlage zumeist im Klein-, Schnittwaren- und Viehhandel lag.
Um 1810/1815 verfügte die Gemeinde in Oberelsbach über eine Synagoge, nachdem ihr ein Baugrundstück als Schenkung übereignet worden war. Im Untergeschoss des Gebäudes befand sich eine Mikwe. Ein Brand äscherte 1895 den alten Synagogenbau vollständig ein. Vier Jahre konnte die jüdische Gemeinde am gleichen Standort ihren Neubau einweihen. Der Bau war durch die großzügige Spende eines nach Nordamerika ausgewanderten Oberelsbacher Juden ermöglicht worden. Die Mikwe befand sich damals in der Steingasse.
Seit Ende des 19. Jahrhunderts war zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde - gemeinsam mit der Nachbargemeinde in Nordheim - ein Religionslehrer angestellt; seinen Sitz hatte er in Nordheim (und war hier zugleich als Vorsänger und Schächter tätig). In Oberelsbach übte damals „nur“ ein Gemeindeangehöriger ehrenamtlich das Vorbeter- und Schächtamt aus.
Kleinanzeigen aus: „Der Israelit“ vom 9.1.1893 und 14.3.1907
Verstorbene Gemeindemitglieder aus Oberelsbach wurden auf dem Friedhof in der Gemarkung Neustädtles begraben; hier fanden auch Juden aus umliegenden Ortschaften wie Nordheim/Rhön, Willmars und Weisbach ihre letzte Ruhe.
Die Gemeinde gehörte zum Distriktsrabbinat Bad Kissingen.
Juden in Oberelsbach:
--- 1699 ......................... 3 jüdische Familien,
--- 1746 ......................... 4 " " ,
--- um 1800 ...................... 4 " " (mit 38 Pers.),
--- 1839 ......................... 12 " " (mit 71 Pers.),
--- 1871 ......................... 57 Juden,
--- 1897 ......................... 54 “ ,
--- 1906 ......................... 86 “ ,* * mit Weisbach
--- 1910 ......................... 63 “ ,
--- 1925 ......................... 41 “ ,
--- 1932 ......................... 37 “ ,
--- 1935 (Juli) .................. 28 “ ,
--- 1937 ......................... 20 “ ,
--- 1942 (Jan.) .................. 9 “ ,
(Aug.) .................. keine.
Angaben aus: Monika Schöppner, Die jüdische Gemeinde in Oberelsbach
und W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine … - Synagogengedenkband Bayern, Teilband III/2.1: Unterfranken, S. 834
Die jüdischen Familien lebten überwiegend vom Viehhandel oder von der Landwirtschaft.
Zu ersten judenfeindlichen Attacken kam es im Sommer 1934: Angehörige des Arbeitsdienstes aus dem nahen RAD-Lager Urspringen wollten die Oberelsbacher Bewohner ‚überzeugen’, ihre Einkäufe nicht bei den hier anbietenden Juden zu machen. Als die Ortsbewohner aber Partei für die jüdischen Händler ergriffen, schritt die Polizei ein, um eine weitere Konfrontation zu verhindern. Im Gegensatz zu den meisten anderen Ortschaften sollen bis 1938 in Oberelsbach keine Plakate antisemitischen Inhalts angebracht worden sein.
Einige Wochen vor der „Kristallnacht" im November 1938 wurde das Synagogengebäude von der Kreisbauernschaft Bad Neustadt/Saale beschlagnahmt, die es als Lagerraum für Getreide nutzte. Die Ritualien aus der Synagoge wurden zunächst am Ort ‚zwischengelagert’, ehe diese dann an den Verband der Israelitischen Gemeinden in München übergeben wurden. In den Novembertagen 1938 zogen Dorfbewohner unter Führung SA-Angehöriger aus Ostheim v. d. Rhön durch die Straßen; sie plünderten und zerstörten teilweise jüdische Anwesen.
In dem Bericht der Gendarmeriestation Oberelsbach vom 28.11.1938 hieß es:
„ ...wobei an den jüdischen Geschäften und Wohnhäusern durchwegs sämtliche Fenstern und Türen eingeschlagen und im Innern der Häuser die Wohnungseinrichtungen fast vollständig zertrümmert wurden. Der Sachschaden wird auf etwa 5.000,- RM geschätzt. Bis zur Stunde sind die außen sichtbaren Schäden an den Judenhäusern immer noch nicht ganz beseitigt, weil die ... Schreiner und Glaser bis jetzt das Material nicht beibrachten, um die Schäden beheben zu können. Die Ortsbewohner von Oberelsbach und auch der Ortschaften der näheren Umgebung haben sich immer noch nicht ganz beruhigt über die Zerstörungen, die von ihnen als sinnlos bei der allgemeinen Knappheit der Rohstoffe bezeignet werden ...”
Nach diesen Ereignissen wanderten vermehrt Juden ab. Die wenigen, noch in Oberelsbach verbliebenen - Anfang 1942 waren es noch neun Personen - wurden im „Judenhaus" einquartiert, von wo aus sie 1942 nach Izbica bei Lublin bzw. nach Theresienstadt deportiert wurden.
Die Geschichte der Juden Oberelsbach endete im Juni 1942, als Rosalia Haas und Heinrich Silbermann - die beiden letzten verbliebenen Juden - in ein jüdisches Altenheim nach Würzburg eingewiesen wurden; von dort aus erfolgte dann ihre "Umsiedlung" nach Theresienstadt; beide kamen ums Leben.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden 16 gebürtige bzw. längere Zeit in Oberelsbach wohnhaft gewesene Juden Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der Opfer siehe: alemannia-judaica.de/oberelsbach_synagoge.htm).
Wegen der judenfeindlichen Ausschreitungen während des Novemberpogroms in Oberelsbach standen 1949 fünf Männer beim Landgericht Scvhweinfurt unter Anklage; vier von ihnen wurden zu kurzzeitigen Freiheitsstrafen verurteilt.
Am einstigen Synagogengebäude - es ist baulich noch vollständig erhalten - erinnert eine Inschriftentafel an dessen frühere Nutzung:
Dieses Gebäude, erbaut 1899,
diente der jüdischen Kultusgemeinde OBERELSBACH als Synagoge.
ZUR ERINNERUNG UND MAHNUNG
Auch die Zehn-Gebote-Tafeln über dem Giebel sind noch erhalten. Seit 2009 steht das Gebäude unter Denkmalschutz.
Das alte zweistöckige Schulhaus mit Mikwe und Backofen, das sich in einem maroden Zustand befand, wurde bereits Mitte der 1950er Jahre abgerissen und das Grundstück neu überbaut.
Nach Beschluss des Oberelsbacher Gemeinderates (2018) wird sich die Marktgemeinde am Projekt „DenkOrt Deportationen 1941-1944“ beteiligen, das an die Deportationen der unterfränkischen Juden erinnern soll. Die für Oberelsbach noch zu erstellende „Koffer-Skulptur“ soll im Rahmen eines künstlerischen Wettbewerbes ermittelt werden.
Anm.: Zum Gedenkprojekt „DenkOrt Deportationen 1941-1944“ siehe: Würzburg/Unterfranken
Im Dorf Weisbach – heute der Kommune Oberelsbach zugehörig - bestand im 19. Jahrhundert eine winzige, nur aus wenigen Familien bestehende kleine jüdische Gemeinde/Gemeinschaft. Bei der Erstellung der Matrikellisten (1817) waren für Weisbach insgesamt drei Stellen aufgeführt. Möglicherweise besaßen die hiesigen Familien einen Betraum; ansonsten suchten sie die Synagoge in Oberelsbach auf. Die jüdischen Kinder erhielten ihre religiöse Unterweisung durch den Lehrer in Oberelsbach.
Verstorbene Gemeindeangehörige wurden auf dem jüdischen Friedhof von Neustädtles beerdigt.
1925 gehörten die noch in Weisbach lebenden jüdischen Personen zur Gemeinde in Oberelsbach. In den 1920er Jahren gab es drei jüdische Familien in Weisbach; es waren der Viehhändler Isaac Goldvogel, der Metzger/Viehhändler Salomon Lichtenstein und die Fam. Kirsch Schloss.
Metzgerei der Familie Salomon Lichtstern in Weisbach (hist. Aufn. aus: Ortschronik Weisbach)
In Bischofsheim i.d.Rhön - ca. zehn Kilometer südwestlich von Oberelsbach gelegen - gab es vermutlich vom 15. bis 17.Jahrhundert eine relativ große jüdische Gemeinde. Zu ihren Kultuseinrichtungen zählten ein Bethaus in der damaligen Judengasse und ein Friedhof.
Der Dreißigjährige Krieg hatte vermutlich das Ende der Gemeinde besiegelt.
Aus einem um 1850 gefertigten Bericht: „ … Die in alten Zeiten zu Bischofsheim befindlichen Juden mögen zur Zeit als die Edlen von Ebersberg, Haun, Rumrod in Bischofsheim Besitzungen und Wohnstätten hatten, dahin gekommen sein und Aufnahme gefunden haben. Deren Wohnungen befanden sich in der oberen Hofgasse, welche auch Judengasse genannt wurde. … Die Zahl der Judenschaft zu Bischofsheim mag nicht unbeträchtlich gewesen sein, denn sie hatten einen Tempel und großen Begräbnisplatz. Die Stelle, in welcher in der Hofgasse der Tempel gestanden, … wurde später mit einer Scheune überbaut, Die Scheune wurde 1816 ein Raub der Flammen. … Unter dem Namen ‚Judenkirchhof‘ befindet sich noch eine beträchtliche Strecke in der Flurgemarkung nordöstlich von Bischofsheim … Nach Aussage alter Leute kamen noch in den 1770er Jahren alljährlich einige Judenfrauen aus der Umgegend dahin und verrichteten ihr Gebet.“
Weitere Informationen:
Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München/Wien 1979, S. 376 - 378
Herbert Schultheis, Juden in Mainfranken 1933 - 1945 unter besonderer Berücksichtigung der Deportationen Würzburger Juden, in: "Bad Neustädter Beiträge zur Geschichte und Heimatkunde Frankens", Band 1, Verlag Max Rötter, Bad Neustadt a.d.Saale 1980, S. 456/457
Joachim Omert, Oberelsbach während der Zeit des Nationalsozialismus, Facharbeit in Geschichte, 1983
Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern - Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, 2. Aufl., München 1992, S. 45 und S. 108
Monika Schöppner, Die jüdische Gemeinde in Oberelsbach (Maschinenmanuskript 2003)
Oberelsbach, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Weisbach, in: alemannia-judaica.de
Bischofsheim i.d. Rhön, in: alemannia-judaica.de
Hessisches Landesmuseum Darmstadt (Hrg.), Geheimnisvolles Masken aus der Rhön - Von jüdischen und christlichen Bartmännern – Katalog zur Ausstellung des Hessischen Landesmuseums in der Außenstelle Lorsch 2005, S. 51 – 63 und S. 139 – 148 (zu Weisbach)
Dirk Rosenstock (Bearb.), Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenskundliche und sozialgeschichtliche Quelle, in: "Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg", Band 13, Würzburg 2008, S. 96 (Weisbach) und S. 117 (Oberelsbach)
N.N. (Red.), Oberelsbach: Kein jüdisches Leben mehr seit 1942, in: „Main-Post“ vom 23.4.2012
Elisabeth Böhrer/Monika Schöppner, Die jüdische Gemeinde Oberelsbach, in: Chronik von Oberelsbach, Bad Neustadt a.d.Saale 2012, S. 322 - 337
Elisabeth Böhrer/Monika Schöppner, Jacob Löb Eltzbacher, in: "Heimat-Jahrbuch des Landkreises Rhön-Grabfeld", No. 35/2013, S. 70 - 75
Elisabeth Böhrer/Monika Eckert (Bearb.), Die jüdische Gemeinde Oberelsbach, in: „Heimat-Jahrbuch des Landkreises Rhön-Grabfeld“, No. 37/2015, S. 196 - 217
Thomas Pfeuffer (Red.), Oberelsbach. Damit sie nicht vergessen werden, in: „Rhön- u. Saalepost“ vom 28.9.2018
Thomas Pfeuffer (Red.), Oberelsbach: Damit ermordete Oberelsbacher Juden nicht vergessen werden, in: „Main-Post“ vom 2.4.2019
Gerhard Gronauer/Cornelia Berger-Dittscheid (Bearb.), Oberelsbach mit Weisbach, in: W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine … - Synagogengedenkband Bayern, Teilband III/2.1: Unterfranken, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2021, S. 819 - 838