Obereuerheim (Unterfranken/Bayern)

Datei:Grettstadt in SW.svg Das kleine Dorf Obereuerheim in der Nähe von Schweinfurt ist seit 1978 ein Teil der Einheitsgemeinde Grettstadt (Kartenskizze 'Landkreis Schweinfurt', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Die Anfänge der jüdischen Gemeinde im unterfränkischen Obereuerheim reichen bis ins ausgehende 17./beginnende 18.Jahrhundert zurück, als die Grafen von Schönborn jüdische Familien ansässig werden ließen. Bei der Erstellung der Matrikel (1817) waren sieben Familienvorstände aufgelistet, die zumeist vom Viehhandel lebten. Die jüdischen Familien wohnten zunächst vor allem im Bereich der Judengasse (heute Hirtengasse).

Einer Akte vom Juni 1817 ist zu entnehmen: „In Obereuerheim besteht eine Judenschul, welche im Jahre 1782 mit damaliger herrschaftlicher Erlaubniß ganz neu gebaut wurde; auch besitzt die ... Judenschaft eine Wohnung für den Schullehrer.“ Ein neues Synagogengebäude wurde Anfang der 1870er Jahre in der "Judengasse" (heute Hirtengasse) erstellt bzw. umgebaut; zeitgleich ließ die jüdische Gemeinde auch ein Schulgebäude mit Lehrerwohnung errichten.

Religiöse Aufgaben der Gemeinde verrichtete ein angestellter Lehrer; neben der Unterweisung der Kinder war er als Vorbeter und Schächter tätig war.

 

 Anzeigen aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 31.5.1882 und vom 28.10.1891

Ihre verstorbenen Gemeindemitglieder begruben die Obereuerheimer Juden auf dem jüdischen Friedhof in Gerolzhofen, der bereits um 1640 angelegt und seit dem frühen 18.Jahrhundert auch von zahlreichen anderen Ortschaften wie Altenschönbach, Brünnau, Frankenwinheim, Gochsheim, Lülsfeld, Prichsenstadt, Zeilitzheim u.a. benutzt wurde.

Bis in die 1880er Jahre mussten die jüdischen Familien an den katholischen Dorfgeistlichen festgelegte "Gebühren" bezahlen: so z.B. bei Heiraten, Geburten oder Sterbefällen. Auch der im Dorf lebende christliche Lehrer profitierte von den den Juden auferlegten Zahlungen!

Die kleine Gemeinde war dem Distriktrabbinat Niederwerrn unterstellt, nach dessen Auflösung dann dem von Schweinfurt.

Juden in Obereuerheim:

--- 1670 .........................  3 jüdische Familien,

--- 1740 .........................  7     “        “   ,

--- 1814 .........................  9     “        “ (ca. 35 Pers.),

--- 1839 ......................... 54 Juden (in 10 Familien)

--- 1909 .........................  2   "  .

Angaben aus: W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine Synagogengedenkband Bayern, Unterfranken, Teilband III/2.2, S. 1601

 

Wenige Jahre nach 1900 löste sich die kleine jüdische Gemeinde auf, da die meisten ihrer Angehörigen abgewandert war; die wenigen noch im Dorf verbliebenen Juden schlossen sich der Kultusgemeinde Schweinfurt an. Einen Teil der Ritualien übereignete man der jüdischen Kultusgemeinde Hassfurt.

Das gemeindliche Eigentum wurde verkauft; so ging das Synagogengebäude in Privatbesitz über, das nach unterschiedlicher Nutzung heute eine Werkstatt beherbergt. Die gemeindlichen Ritualien gelangten teilweise in die Synagoge von Haßfurt.

Der NS-Vernichtungspolitik sind nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." nachweislich zehn aus Obereuerheim stammende Juden zum Opfer gefallen (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/obereuerheim_synagoge.htm).

                                  Eingangsportal der einstigen Synagoge (Aufn. um 1980, aus: I.Schwierz)

Das in der Hirtengasse (früher Judengasse) gelegene Haus - ein verputzter Sandsteinquaderbau - ist noch relativ gut erhalten: Neben den beiden sichtbaren Eingängen zum Männer- u. Frauenbetraum sind auch noch Spuren des Thoraschreins und Relikte der blauen Deckenbemalung im Innern erkennbar.

 

 

 

Weitere Informationen:

Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 108/109

Obereuerheim, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Dirk Rosenstock (Bearb.), Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle, in: "Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg", Band 13, Würzburg 2008, S. 195

Gerhard Gronauer/Hans-Christof Haas (Bearb.), Schweinfurt mit Obereuerheim und Werneck, in: W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine Synagogengedenkband Bayern, Unterfranken, Teilband III/2.2, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2021, S. 1554 - 1611

Ruth Volz (Red.), 150 Jahre Synagogengebäude in Obereuerheim: Ausstellung erinnert an geschichtliches Erbe, in: „Main-Post“ vom 14.5.2023

Sascha Vay (Bearb.), Jüdisches Leben in Obereuerheim und Umgebung – Ausstellung, Hrg. Arbeitskreis Obereuerheim 2023

Ruth Volz (Red.), Erinnerungsarbeit zum jüdischen Leben in Obereuerheim und Umgebung – 150 Jahre Synagogengebäude, in: „Main-Post“ voim 22.5.2023