Obergimpern (Baden-Württemberg)
Die Ortschaft Obergimpern ist seit ihrer Eingemeindung (1972) ein Stadtteil von Bad Rappenau im Landkreis Heilbronn (Ausschnitt aus topografischer Karte ‚Kraichgau‘, K. Jähne 2009, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Landkreis Heilbronn', aus: ortsdienst.de/baden-wuerttemberg/heilbronn).
Die kleine Ortschaft unterstand im Laufe der Geschichte immer wieder verschiedenen Herrschaften und beherbergte bereits Ende des 16.Jahrhunderts zeitweilig wenige jüdische Familien. Erstmals werden Juden 1588/1589 genannt. Nach deren Ausweisung durch den kurpfälzischen Grafen siedelten sich etwa 100 Jahre später erneut Juden hier an.
Im Dachgeschoss eines von einer jüdischen Familie bewohnten Hauses hatte man einen Betraum eingerichtet; da das Gebäude zu Beginn des 19.Jahrhundert baufällig geworden war, wurde um 1805 ein neues Synagogengebäude, ein Fachwerkbau, in der Grombacher Straße errichtet. Über die Finanzierung der Baukosten war es zu einem Streit mit den Juden aus Untergimpern gekommen, die bis dahin die Synagoge in Obergimpern besucht hatten. Eine Mikwe befand sich zunächst im Kellerraum eines Privathauses, ehe diese dann der Synagoge angeschlossen wurde.
Die jüdischen Kinder am Ort besuchten teilweise die evangelische, teilweise die katholische Ortsschule; nur Religionsunterricht wurde durch jüdische Lehrer erteilt.
Anzeigen aus: „Großherzoglich Badisches Anzeige-Blatt für den See-Kreis" von 1840 und „Der Israelit" vom 4.März 1901
Als Begräbnisstätten dienten den Obergimperner Juden die Friedhöfe in Waibstadt und in Heinsheim.
1827 wurde Obergimpern dem Rabbinatsbezirk Sinsheim zugeteilt.
Juden in Obergimpern:
--- um 1755 ......................... 2 jüdische Familien,
--- 1775 ............................ 7 “ “ ,
--- 1825 ............................ 67 Juden (ca. 6% d. Bevölk.),
--- 1833 ............................ 87 " ,
--- um 1840 ..................... ca. 110 “ ,
--- 1865 ........................ ca. 100 “ ,
--- 1875 ............................ 56 “ (ca. 5% d. Bevölk.),
--- 1885 ............................ 66 “ ,
--- 1900 ............................ 34 “ ,
--- 1910 ............................ 35 “ (ca. 4% d. Bevölk.),
--- 1925 ............................ 23 “ ,
--- 1933 ............................ 17 “ ,
--- 1939 ............................ 5 " ,
--- 1940 (Nov.) ..................... keine.
Angaben aus: W.Angerbauer/H.G.Frank, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn, S. 183 u. S. 186
Im Zusammenhang der bürgerlichen Gleichstellung der Juden Badens kam es in einigen badischen Orten - so auch in Obergimpern - 1830 und 1832 zu Ausschreitungen, besonders von „jungen Burschen“. Sie griffen die Synagoge und von Juden bewohnte Häuser an. Erst der Einsatz von Polizei konnte die aggressive Menschenmenge unter Kontrolle bringen. Nach 1850 wanderten in Obergimpern jüdische Familien vermehrt ab.
Anzeigen aus der Zeitschrift „Der Israelit“ von 1920 und 1924
Gegen Ende der 1920er Jahre zeichnete sich bereits die Auflösung der Gemeinde ab, wie in einem Bericht der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 5.Dez. 1929 deutlich wird:
„ Obergimpern (Baden). Unsere Gemeinde teilt auch das Los aller Landgemeinden und steht vor ihrer Auflösung. Eine Familie ist diese Woche wieder weggezogen, andere werden folgen. Vor dem Kriege war hier noch eine stattliche religiöse Gemeinde, wo Schabbos und Feiertage noch streng gehalten wurden; das hat sich auch noch bis heute bei den noch ansässigen Familien bewahrt. Obergimpern ist eine der ältesten Gemeinden der Umgegend; die schöne zweistöckige Synagoge, welche mitten im Orte steht, wurde im Jahre 1805 von den damaligen Gemeindemitgliedern unter großen Opfern erbaut. Nach dem Kriege wurde sie neu restauriert ... . Auch unsere Nachbargemeinden Wollenberg, Siegelsbach, Rappenau, Grombach, alle vor dem Kriege noch stattliche Gemeinden, stehen vor ihrer Auflösung. In Obergimpern haben die Juden neben ihrem Geschäft noch größere Landwirtschaft selbst betrieben ...“
Zu Beginn der NS-Zeit hielten sich nur noch sehr wenige jüdische Familien im Ort auf; so war die Abhaltung von Gottesdiensten wegen des fehlenden Minjan bald nicht mehr möglich. 1938 war dann das Ende der jüdischen Gemeinde Obergimpern besiegelt.
Das Synagogengebäude war bereits vor dem Novemberpogrom von 1938 an die katholische Pfarrgemeinde verkauft worden; deshalb blieb es auch vor Zerstörung verschont. Wegen Baufälligkeit wurde das Fachwerkgebäude dann Anfang/Mitte der 1960er Jahre abgebrochen.
Ehem. Synagogengebäude (Aufn. aus: Hundsnurscher/Taddey)
Die meisten Juden konnten noch rechtzeitig emigrieren; die letzten jüdischen Einwohner wurden Ende Oktober 1940 nach Gurs deportiert.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." fielen 14 gebürtige bzw. längere Zeit hier ansässig gewesene jüdische Dorfbewohner Obergimperns der "Endlösung" zum Opfer (namentliche Nennung der Opfer, in: alemannia-judaica.de/obergimpern_synagoge.htm).
Der jüngst geschaffene, mit diverser Symbolik versehene 'Memorialstein' von Obergimpern wurde 2023 auf der zentralen Deportations-Gedenkstätte in Neckarzimmern aufgestellt; vor Ort soll dessen Doublette in naher Zukunft einen Platz finden.
[vgl. Neckarbischofsheim (Baden-Württemberg)]
Weitere Informationen:
F.Hundsnurscher/G.Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, in: "Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg", Band 19, Kohlhammer-Verlag, Stuttgart 1968, S. 219/220
W.Angerbauer/H.G.Frank, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn. Geschichte - Schicksale - Dokumente, in: "Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn", Hrg. Landkreis Heilbronn, 1986, S. 182 - 186
Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, S. 220/221
Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 35 - 37
Obergimpern, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Rudolf Petzold (Red.), Die jüdische Gemeinde Obergimpern, in: „Bad Rappenauer Heimatbote“ 28/2017, Hrg. Heimat- u. Museumsverein Bad Rappenau
Das Mahnmal Neckarzimmern – Obergimpern (Bad Rappenau), online abrufbar unter: mahnmal-neckarzimmern.de/gedenksteine/obergimpern-bad-rappenau (2023)