Ochtendung (Rheinland-Pfalz)

Datei:Landkreis mayen.jpg Bildergebnis für landkreis mayen koblenz ortsdienst karte Ochtendung mit derzeit ca. 5.500 Einwohnern gehört heute zur Verbandsgemeinde Maifeld im Kreis Mayen-Koblenz - südlich von Andernach bzw. ca. 20 Kilometer westlich von Koblenz gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905 ohne Eintrag von Ochtendung/Maifeld, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizzen 'Landkreis Mayen-Koblenz', aus: ortsdienst.de/rheinland-pfalz/mayen-koblenz und Lage von O. im Landkreis, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Um 1800 lebten mehrere jüdische Familien im Dorfe Ochtendung; zu welchem Zeitpunkt sich erstmals Juden hier aufgehalten haben, ist nicht bekannt.

Die kleine, strenggläubige jüdische Gemeinschaft hielt ihre Gottesdienste jahrzehntelang in einem Privathause ab; die Kommune lehnte 1860 eine finanzielle Unterstützung für den Bau einer eigenen Synagoge am Ort ab; deshalb erwarb die kleine Gemeinde mit eigenen Mitteln zunächst ein älteres Gebäude, in dem man einen Synagogenraum einrichtete. Zwei Jahrzehnte später konnte man aber doch noch eine neue Synagoge in der Kastorstraße bauen; sie wurde 1882 festlich eingeweiht.

    Synagoge in Ochtendung - Rekonstruktionsskizze (Heimatverein)

Etwa zur gleichen Zeit fasste die Gemeinde eine Synagogenordnung ab, auf deren Einhaltung der gewählte Vorsteher streng achtete.

Im Synagogengebäude soll sich auch eine Mikwe befunden haben. In Ermangelung einer eigenen Elementarschule besuchten die jüdischen Kinder die örtliche Volksschule; ein eigens angestellter Lehrer der Gemeinde unterwies die Kinder in der mosaischen Religion und war zudem als Vorbeter und Schochet tätig.

Seit Ende der 1870er Jahre verfügte die Ochtendunger Judenschaft auch über ein eigenes Friedhofsgelände in der Flur „Im Bergfrieden“ vor dem Dorf; zuvor waren Verstorbene auf einem Areal im gräflichen Bassenheimer Wald beigesetzt worden.

Juden in Ochtendung:

         --- 1808 ........................... 24 Juden,

    --- 1848 ....................... ca. 60   “   (in 11 Familien)

    --- um 1860 ........................ 73   “  ,

    --- 1895 ........................... 57   “  ,

    --- 1925 ........................... 32   “  ,

    --- 1933 ....................... ca. 25   “  ,

    --- 1942 (Aug.) .................... keine.

Angaben aus: Renate Severin, Verwehte Spuren, in: Heimatbuch des Kreises Mayen-Koblenz 1993

 

Als Vieh- und Pferdehändler, aber auch als Kleinhändler verdienten die Ochtendunger Juden ihren Lebensunterhalt; einige wenige Familien brachten es zu bescheidenem Wohlstand. Obwohl die jüdischen Bewohner wegen ihrer orthodoxen Grundhaltung mehr unter sich blieben, lebten sie mit den übrigen Dorfbewohnern bis zur NS-Zeit einträchtig zusammen. Durch die NS-Propaganda eingeschüchtert und von der zunehmenden Ausgrenzung in wirtschaftliche Not gebracht, verließen bald danach die ersten Familien ihr Heimatdorf.

In der „Reichskristallnacht“ vom November 1938 wurde die Synagoge von SA-Angehörige in Brand gesetzt und zerstört; auch Fensterscheiben jüdischer Anwesen wurden eingeschlagen. Jüdische Dorfbewohner wurden angewiesen, Schutt und Trümmer zu beseitigen. Das ausgebrannte Synagogengebäude wurde schließlich in den 1950er Jahren abgerissen, das Gelände dann neu überbaut.

                                       Synagogenruine (Aufn. um 1950, Landesamt)

Die letzten Juden Ochtendungs mussten Ende Juli 1942 ihr Dorf verlassen; über ein Sammellager in der Reifsmühle in Mayen wurden sie in die Vernichtungslager im besetzten Polen deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind 27 gebürtige bzw. längere Zeit am Ort wohnhaft gewesene jüdische Bürger Opfer der „Endlösung“ geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/ochtendung_synagoge.htm).

Von den verschleppten Juden aus Ochtendung soll nur ein einziger überlebt haben.                  

 

Seit November 1988 steht eine Gedenkstele gegenüber dem Standort der einstigen Synagoge, die eine Inschriftentafel mit den folgenden Worten trägt.

         http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20228/Ochtendung%20Synagoge%20271.jpg Gedenktafel (Aufn. Günther Gries, Heimatverein)

Der jüdische Friedhof war in den Kriegsjahren von der Kommunalverwaltung eingeebnet worden, nachdem die Grabsteine abgeräumt worden waren. Heute erinnert nur ein Gedenkstein an die einstige Begräbnisstätte der Juden Ochtendungs.

  

   Friedhofsgelände und dort befindlicher Gedenkstein (Aufn. GFreihalter, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Zum Gedenken an die hier ruhenden jüdischen Mitbürger von Ochtendung und ihre in den Konzentrationslagern umgekommenen Brüder und Schwestern.   Ihre Seelen seien eingebunden in den Bund des Lebens.

In einer ersten Aktion wurden 2008 in Ochtendung mehrere sog. „Stolpersteine“ an den letzten Wohnsitzen jüdischer Familien verlegt; 2009 und 2011 folgten weitere.

Stolperstein Ochtendung, Untere Grabenstraße, Bernhardine Süssmann.jpg Stolperstein Ochtendung, Grabenstraße, Ida Süssmann.jpg Stolperstein Ochtendung, Untere Grabenstraße, Jakob Süssmann.jpg Stolperstein Ochtendung, Grabenstraße, Johanna Süssmann.jpg Stolperstein Ochtendung, Grabenstraße, Helmut Hermann Süssmann.jpg

fünf Stolpersteine – verlegt für Angehörige der Fam. Süßmann, Untere Grabenstraße (Aufn. U., 2017, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 Stolperstein Ochtendung, Oberpfortstraße, Gruppe Leopold + Amalia Süssmann.jpg Stolperstein Ochtendung, Martinstraße, Moses Friedberg.jpgStolperstein Ochtendung, Martinstraße, Karl Faber.jpgStolperstein Ochtendung, Martinstraße, Erna Faber.jpg

                                     ... und in der Oberpfortstraße und in der Martinstraße

 

 

 

Weitere Informationen:

Renate Severin, Verwehte Spuren, in: "Heimatbuch des Kreises Mayen-Koblenz 1993"

Jessica Kammler, Die Juden in Ochtendung - Von den Ursprüngen bis zum 2.Weltkrieg, in: Heimatverein Ochtendung Hrg., "Ochtendunger Heimatblätter", No. 7/1996, S. 27 - 39

Jessica Kammler, Die Juden in Ochtendung - Von der NS-Zeit bis heute, in: Heimatverein Ochtendung (Hrg.), "Ochtendunger Heimatblätter", No. 8/1997, S. 43 - 52

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 299/300

Renate Severin/u.a., Verwehte Spuren. Die Geschichte der Ochtendunger Juden, in: Heimatverein Ochtendung (Hrg.), „Ochtendunger Heimatblätter", No. 12/2007

Ochtendung, in: alemannia-judaica.de

Heinz Israel (Red.), Stolpersteine erinnern an jüdische Schicksale, in: „Rhein-Zeitung“ vom 24.9.2009

Auflistung der in Ochtendung verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Ochtendung